Einführendes
Hallo zusammen! Ich bin Student der Geowissenschaften an der Universität Bremen und zurzeit dabei meinen Master zu absolvieren.

Während meines Bachelors arbeitete ich viel als studentische Hilfskraft und so ergab es sich, dass ein PostDoc für den ich arbeitete mir ein Auslandspraktikum an einer Universität, an der er früher promoviert hatte, vermitteln konnte. Das Finden, Kontaktherstellen und Arrangieren des Praktikums stellte sich also sehr einfach für mich dar. Nach ein paar Emails stand es fest, es sollte vom 01.09.19 bis 30.11.19 auf die Insel La Réunion im Indischen Ozean gehen.

Da La Réunion zu Frankreich gehört kam für mich des Weiteren die Erasmus+ Förderung in Frage. Ich bewarb mich also und bekam zügig eine positive Antwort. Diese unkomplizierte und rasche Antragsstellung (man kann sich durchgängig bewerben) ist wirklich hervorzuheben. Ein weiterer Vorteil für mich als Student der Geowissenschaften ist, dass ein solches Praktikum im Master angerechnet werden kann (LV Geowissenschaftliches Projekt).

Der Aufenthalt
Zur Insel
La Réunion ist eine ca. 70 x 50 km große Insel im Indischen Ozean und befindet ca. 750 km östlich von Madagaskar (siehe Globus). Laut Wikipedia leben ca. 850´000 Menschen auf der Insel.

Das Klima ist tropisch-humid, wobei die lokalen Unterschiede sehr stark sind. So ist der Osten feucht (Passate) und der Westen eher trocken. In den Bergen wird es ebenfalls feuchter und natürlich kälter. Damit ist für jeden etwas dabei. Vom 30°C Strandbesuch in St. Gilles (Westen) bis zum Wandern auf über 3000 m mit coolem Gipfelfoto.
Weiterhin ist der vulkanische Ursprung der Insel zu nennen. Der Piton de Neige (heute inaktiv) hat vor mehr als zwei Millionen Jahren die Insel über den Meeresspiegel gehoben. Heute fortgeführt von einem der aktivsten Vulkane der Welt, dem Piton de la Fournaise.

Zum Leben auf La Réunion
Das Leben lässt sich auf La Réunion gut aushalten. Die Lebenshaltungskosten sind etwas höher als in Deutschland, aber nicht übertrieben. Ich kam im Studenten Wohnheim Cité International unter. Bereits vor meiner Ankunft hatte ich in einem anderen Erfahrungsbericht vom Vergleich des Wohnheims mit einem Gefängnis gelesen. Dies kann ich bestätigen. Gerade nach dem langen Flug (von Paris CDG ca. 11 h) war meine erste Reaktion gedämpft. Nach ein paar Tagen gewöhnt man sich allerdings daran und lernt den günstigen Preis (ca. 240 €), die Nähe zur Uni (ist auf dem Kampus) und die vielen netten Mitstudierenden um einen herum zu schätzen. Für 3 Monate also ideal. Wer länger bleiben möchte, für den lohnt es sich vielleicht etwas Schöneres zu suchen.

Zu Saint Denis (der regionalen Hauptstadt, in der auch der Hauptkampus der Uni liegt) gibt es nicht so viel zu sagen. Eine Stadt mit schönen und hässlichen Vierteln, wie jede andere auch. Ein Viertel zwischen der Universität und der Küste ist von einer hohen Kriminalitätsrate geplagt (Le Chaudron). Dort wurden während meines Aufenthalts leider mehrere Studierende beraubt und belästigt. Aufpassen und wenn nachts dann in Gruppen unterwegs sein ist also angesagt. Für die landschaftlichen Höhepunkte muss man eh immer weiter raus aus der Stadt. Lediglich der direkte Küstenstreifen von Saint Denis ist sehenswert. Der an dem dortigen rauen Strand vorbeiführende Weg ist perfekt zum Joggen geeignet!

Der überwiegende Teil der Bevölkerung lebt an den Küsten der Insel verbunden durch eine Ringstraße. Innerhalb Saint Denis fahren blaue Busse (Citavis), die gelben Busse (Car Jaunes) verbinden die Küstenstädte. Diese Busse sind mehr oder weniger auch zuverlässig. Wer allerdings viel von der Insel an einem Wochenende sehen möchte, der sollte sich mit Kommilitonen ein Mietauto suchen (dann kommt man auch noch nach 20 Uhr nach Hause!). Diese kurzen „Roadtrips“ waren sowieso für mich die Höhepunkte meines Aufenthalts. So kann man auf La Réunion an tropischen Stränden entspannen, in/unter Wasserfällen baden, über die Wolkendecke des Indischen Ozeans wandern und einen aktiven Vulkan bestaunen. Mit ein bisschen Glück bricht dieser dann auch noch aus! Und im Sinne von tausend Worten bzw. das Bilder eh besser sind, hier ein paar Impressionen:

Zur Sprache
Auch wenn viele der Einwohner Kreol sprechen, so ist doch die Hauptsprache der Insel das Französische. Konnte ich auf der Arbeit Englisch sprechen, so ist diese Sprache im Alltag wenig verbreitet. Rudimentäre Französischkenntnisse sind also zu empfehlen. Wenngleich man auch im Cité International mit all den internationalen Studierenden viel Englisch hört. Meine Französischkenntnisse würde ich auf A2 schätzen. Ich komme im Alltag gut zurecht, Diskussionen oder richtige Konversationen konnte ich aber leider nicht führen. Mit den vielen internationalen Studierenden und auf der Arbeit bin ich deswegen schnell ins Englische gerutscht. Ein B-Level im Französischen würde ich also für ein sinnvolles Ankunftsniveau halten.

Zum Praktikum
Als Insel und mit den Vulkanen als Regenfänger ist La Réunion eine der feuchtesten Regionen der Welt. Im Zusammenspiel mit dem frischen Material, das durch die Vulkane geliefert wurde und wird, ergibt dies eine der höchsten Erosionsraten der Erde. Einen wichtigen Beitrag zur Erosion und Umlagerung von Gestein bzw. Sediment leisten dabei die Flüsse der Insel. Sind diese während sonniger oder normaler Witterung sehr gemächlich und nicht tief (meist unter 1 m Wassertiefe), so können sie aber bei starkem Niederschlag, ausgelöst z.B. durch die auftretenden Zyklonen, zu reißenden Strömen heranschwellen und metergroße Gesteinsbrocken transportieren. Solche Ereignisse tragen dann maßgeblich zur Landschaftsentwicklung bei und können gleichzeitig sehr gefährlich für Mensch und Infrastruktur sein.

Da es schwierig ist bei solchen Verhältnissen in-situ Messungen, also Messungen im Fluss selbst, durchzuführen, rücken seismische Verfahren in den Fokus der Forschung. Die Vibrationen die das Wasser und die Sedimentfracht im Untergrund auslösen werden mit Seismometern registriert und als indirekte Messung dazu verwendet Aussagen zum Verhalten des Flusses zu tätigen (Sedimenttransport, Turbulenz, etc.). Meine Aufgabe war nun für den Rivière des Pluies, ein Strom bei Saint Denis, Flussabschnitte zu lokalisieren, die besonders viel seismischen „Krach“ machen und damit Gebiete mit besonders viel Sediment oder besonders starker Turbulenz darstellen.

Die Arbeit mit den Kollegen war dabei sehr gut und ich kann nach dem Praktikum sagen, dass ich viel fachlich und sozial gelernt habe. Zur Universität selbst fallen mir abschließend zwei allgemeine Tipps oder Bemerkungen ein:

  • Viele Studierende, die ein „richtiges“ Auslandssemester auf La Réunion gemacht haben, waren vom Niveau der Kurse enttäuscht. Eine Ausnahme bilden natürlich französische Studien. Die Forschung an der Uni ist aber, zumindest in den Geowissenschaften, sehr gut. Daher bietet sich also ein Praktikum an, oder man setzt die Erwartungen herunter.
  • Das Sportangebot der Universität (SUAP) ist absolut bemerkenswert. Zu sehr günstigen Konditionen kann man dort z.B. Tauchen, Segeln und Kajakfahren. Des Weiteren gibt es viele kulturelle Kursangebote wie Tanzen im Stile der Einwohner, Musik im Allgemeinen und Kreolisch.

Fazit
Drei Monate La Réunion liegen nun hinter mir. Ich kann jedem wärmstens empfehlen diese wunderbare Insel zu besuchen. Die brutal schöne Natur, die auch noch so abwechslungsreich auf kleinstem Raum ist, war mein persönlicher Höhepunkt. Daneben habe ich wunderbare Menschen getroffen und ein paar von ihnen sind zu Freunden geworden. Fachlich konnte ich sehr viel mitnehmen, sodass sich überzeugt bin, dass das Auslandspraktikum persönlich und studientechnisch für mich ein voller Erfolg war. Ich bedanke mich herzlich beim International Office und Mathias Bücken für die unkomplizierte und schnelle Förderung und möchte ausdrücklich jeden dazu ermuntern an der einzigen europäischen Universität im Indischen Ozean zu studieren!