Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten während des Studiums freiwillige Praktikas im Ausland zu absolvieren. Durch Förderprogramme wie das ERASMUS+-Programm an der Universität-Bremen werden solche Aufenthalte wesentlich unkomplizierter, da man neben der finanziellen Hilfe auch während des gesamten Praktikumszeitraums sowie davor und danach unterstützt wird.

Insbesondere als Biologiestudent kann ich sagen, dass praktische Erfahrung wichtig ist um eine bessere Vorstellung davon zu bekommen wie das erworbene Wissen später einmal sinnvoll zur Anwendung kommen kann. Außerdem sammelt man wertvolle Kontakte für eine potentielle Zusammenarbeit in der Zukunft. Das Arbeiten und Leben in einem neuen und ungewohnten Umfeld im Ausland stellt zudem eine besondere Herausforderung dar, die dabei helfen kann sich als Person weiterzuentwickeln.

Das sind einige der Gründe, weshalb ich mich dafür entschieden habe ein meeresbiologisches Praktikum auf der Insel Giglio in Italien anzutreten.

Giglio liegt nur einige Kilometer von der toskanischen Westküste des italienischen Festlandes entfernt und ist unkompliziert innerhalb einer Stunde mit der Fähre von Porto Santo Stefano zu erreichen. Falls man mit dem Auto anreist bietet es sich an, auf der Hinfahrt ein oder zwei Nächte in Bologna oder Milano zu verbringen um sich schon mal an das neue Umfeld zu gewöhnen und das Land sowie die Kultur besser kennen zu lernen. Aber auch mit dem Flugzeug und Zug, ist die Anreise wenig kompliziert.

Blick aus dem Auto in die Bucht von Campese.

Die Insel ist mit drei kleinen Orten und ca. 1000 permanenten Einwohnern nicht besonders groß, bietet dafür aber eine atemberaubende klassisch-mediterrane Kulisse. Auf der Serpentinen-Fahrt vom Anleger in Porto über die mittelalterliche Hauptstadt Castello auf dem Gipfel der Insel bis nach Campese begegnen einem kleine Weinplantagen, zahlreiche Mittelmeermöwen, ein fantastischer Ausblick bis nach Montecristo, Elba und Korsika sowie ein angenehmer warmer Geruch von Vegetation.

Eine einsame Weinpflanze eines lokalen Kleinbauern.

Das meeresbiologische Institut (IfMB) an dem ich für 3 Monate von Mai bis Juli gearbeitet habe liegt in Campese – an der Ostküste der Insel in der größten Bucht Giglios. Von meinem Apartment aus sind es zu Fuß rund 2 Minuten bis zur Arbeit und <1 Minute bis zum Strand. Mit anderen Worten, alles liegt recht nahe beieinander. Direkt vor der Haustür ist zudem das Campese Diving Center (CDC) positioniert. Während meines Aufenthalts hatte ich hier die Möglichkeit zum open-water diver (OWD) ausgebildet zu werden. Dadurch war es mir möglich marine Organismen für die Lehrkurse des Instituts zu sammeln oder wieder freizulassen aber auch in meiner eigenen Freizeit schwebend die faszinierende Unterwasserwelt der Insel zu erkunden. Durch die zumeist kristallklare Sicht unter Wasser ist Giglio ein beliebter Standort für Tauchtouristen aus der ganzen Welt. Aber auch für Wissenschaftler ist hier viel zu holen. In der Vergangenheit wurden zum Beispiel ausgiebige Ökosystemuntersuchungen in der Bucht von Lazaretto gemacht, nachdem hier 2012 das Kreuzfahrtschiff, Costa Concordia, auf einen Felsen aufgelaufen ist.

Bandbrassen und Mönchsfische im gleißenden Sonnenlicht.

Meine Arbeit bestand im Wesentlichen darin, angereiste Schul- oder Universitätsgruppen auf Schnorchel-Touren am Strand den Lebensraum Mittelmeer näher zu bringen und bei theoretischen und praktischen Lehrkursen im Institut zu betreuen. Das Ziel der Kurse war im Wesentlichen den Schülern dabei zu helfen ein nachhaltiges und grundlegendes Verständnis über die Natur zu entwickeln. Außerdem gehörten die allgemeine Instandhaltung des Instituts, die sorgfältige Pflege der lebenden Organismen für die Kurse und andere hilfs-wissenschaftliche Arbeiten zum Alltag mit dazu. Organisationsfähigkeit, Unabhängigkeit und die Fähigkeit spontan Verantwortung für wichtige Aufgaben übernehmen zu können waren wichtige Softskills, die essentiell für die erfolgreiche Teamarbeit waren. Eine meiner Lieblingsaktivitäten war das Nachtschnorcheln mit Schulgruppen in der Bucht, wobei nicht selten besondere Sichtungen von nachtaktiven Räubern gemacht werden konnten. Dazu gehörten Oktopusse, Kalmare, Sepias, Barakudas, Mittelmeermuränen oder Zackenbarsche. Vor allem die Demonstration des Meeresleuchtens bei ausgeschalteten Taschenlampen war ein einzigartiges Spektakel und wirkte wie ein kleines türkisblaues Unterwasserfeuerwerk.

Flabellina affinis – die violette Fadenschnecke. Eine tauchend für den Kurs gesammelte marine Nacktkiemerschnecke.

Das Team bestand aus einigen Assistenten und Kursleitern. Die Assistenten haben zusammen in einer Souterrain-Wohnung auf dem Gelände des CDC gewohnt. Es gab zwei spartansich eingerichtete Schlafzimmer mit mehreren Betten, zwei große Badezimmer und eine große, gut-ausgestattete Küche mit Backofen, Mikrowelle, Gasherd, Kühlschrank, Gefrierfach und Geschirrspüler. Gekocht wurde jeden Tag abwechselnd für alle Teammitglieder, sodass man im Regelfall einmal pro Woche kochen musste. Das Essen im örtlichen Lebensmittelmarkt war zumeist sehr teuer. Als Mitarbeiter des Instituts gab es aber glücklicherweise einen Rabatt auf den Einkaufswert von 10%.

Wenn neben dem vollen Arbeitspensum noch Zeit für Freizeit geblieben ist wurde diese meist wandernd, tauchend oder schnorchelnd verbracht. Nach dem Abendessen, fand meist eine Gruppenwanderung zur lokalen Gelateria (Eisladen) statt, wo es dann hieß: „En cono due gusti, per favore.“ (zwei Kugeln Eis in der Waffel bitte.) oder: „Posso probare un cucchiaino de liquirizia per favore.“ (Könnte ich bitte einen Löffel von dem Lakritzeis probieren.). Danach haben wir oft zum Sonnenuntergang zusammen eine Runde Dart gespielt.

In den drei Monaten wurde die Insel von Anfang Mai bis Ende Juli immer voller und das Wetter immer heißer. Viele Italiener am Festland fahren in den Sommerferien nach Giglio. Trotz der hohen Besucherzahlen wirkte die Insel allerdings nie „zu“ voll, sondern behielt stets ihren angenehmen provinziellen „Flair“.

Für so lange Zeit, auf so engem Raum kann es allerdings trotzdem mal passieren, dass man sich nach ein wenig Freiraum und Privatsphäre sehnt. Um nicht den Inselkoller zu bekommen hat jeder seine eigenen Strategien entwickelt. Ich habe die Zeit nach dem Abendessen zum Beispiel oft dazu genutzt ein wenig zu zeichnen oder Steine über das flache Wasser der Bucht in den Sonnenuntergang zu flitschen. Sobald die Temperaturen abends runtergingen habe ich mir jedoch am liebsten mein Skateboard geschnappt und neue Tricks auf dem groben Parkplatzasphalt geübt bis ich nicht mehr konnte um mich dann rückenschwimmend im Meer wieder abzukühlen und zu entspannen. Ohne einen solchen Ausgleich zur Arbeit am Institut wäre die Zeit auf jeden Fall um einiges anstrengender gewesen.

„Steineflitschen“ zum Sonnenuntergang in der Bucht von Campese.

Auch wenn die Arbeit in den drei Monaten zeitweise sehr herausfordernd sein konnte war die Zeit im großen und ganzen sehr lehrreich, produktiv und aufregend. Im Nachhinein bin ich immer noch stark davon überzeugt, dass man durch das Antreten solcher Praktikas nur profitieren kann und würde es jedem der mich fragen würde wärmstens empfehlen die Möglichkeit wahr zu nehmen.