Motivation
Der Entschluss ein Auslandspraktikum zu absolvieren wurde erst richtig angestoßen durch den Studienplan meines Masters Wirtschaftspsychologie der Uni Bremen. Dort wird für das 4. Semester ausdrücklich angeregt, einen Auslandsaufenthalt durchzuführen, etwas das ich aufgrund meines Alters, geringen finanziellen Polsters und schon vorhandener Auslandserfahrung sonst vielleicht gar nicht in Betracht gezogen hätte. Ein Auslandssemester kam für mich nicht in Frage, da ich meinem Eindruck nach genug in der Uni gesessen habe und mir ein Praktikum, gerade jetzt am Ende meines Masters, wesentlich mehr Fähigkeiten und praktisches Wissen einbringt, als es ein paar Vorlesungen im Ausland könnten. So konnte ich auch die Branche kennenlernen, die mich für meinen Berufseinstieg interessiert: Unternehmens- und IT-Beratung. Auch war es mir wichtig, wenn ich schonmal im Ausland lebe, einen „richtigen“ Arbeits- und Lebensalltag dort zu erleben, was als Student*in sicherlich deutlich anders ist als für einen Arbeitnehmer*in.

Vorbereitung
Der Entschluss war nun schon sehr früh im Master gefasst, deshalb hatte ich recht viel Zeit zur Vorbereitung aller Unterlagen (ca. 4 Monate bevor ich Bewerbungen rausschickte). Das kann ich auch dringend anraten, Bewerbungsunterlagen auf Englisch schreiben sich nicht über Nacht. Da mir das allgemein nicht so leicht von der Hand geht, habe ich einige Wochen dafür gebraucht ein ordentliches CV, Resume und Cover Letter Template zu erstellen. Herr Thomas Obieglo vom Career Center der Uni Bremen war dabei eine große Hilfe.

Da ich kein konkretes Zielland hatte, habe ich anfangs sehr breit recherchiert. Es macht aber Sinn sich früh auf zumindest wenige Länder zu beschränken, sonst geht man in der Flut unterschiedlicher Anforderungen und Formalitäten unter. Aufgrund meines Alters schied Singapur beispielsweise aus. Informationen findet man in asiatischen Ländern meist eher mühsam, Websites der Regierung sind meistens sehr unübersichtlich. Geholfen hat mir u.a. die Website www.justlanded.com, die Infos über sehr viele Länder bereithält. Für europäische Praktika scheint die Website www.easyinternational.com ganz interessant zu sein.

Durch mein Engagement in der Bremer studentischen Unternehmensberatung Active e. V. kam ich in Kontakt mit dem Unternehmen Campana & Schott, in dem ich schließlich meinen Praktikumsplatz bekam. Parallel zu einigen Bewerbungen in Asien, die alle unbeantwortet blieben, bewarb ich mich so für das New Yorker Office von Campana & Schott. Da dies eine deutsche Firma ist, war der Kontakt und Bewerbungsprozess sehr unkompliziert und dauerte auch nicht allzu lange. Einen Monat sollte man aber mindestens einplanen für die Zeit von Kontaktaufnahme bis zur Zusage. Anschließend benötigt man in den USA ein J1-Intern Visum, dessen Antragsprozess insgesamt ca. 2-3 Monate dauert. Das J1 Visum kostet etwas über 1.000€, der Antragsprozess ist etwas kompliziert, aber sehr ausführlich online beschrieben.

Formalitäten im Gastland
Bei der Einreise in die USA gab es für mich nicht viel zu beachten, nachdem ich im Besitz des Visums war. Einige Formalitäten beim Arbeitsantritt waren zu erledigen, beispielsweise einige Formulare zur Versteuerung des Einkommens. Nach dem Praktikum muss auch eine Steuererklärung abgegeben werden. Eine Social Security Number muss zu Beginn beim Amt beantragt werden, das ging ganz unproblematisch. Die USA hat kein Meldewesen, von daher braucht man keinen Wohnsitz anmelden. Wenn das Praktikum bezahlt wird, braucht man in der Regel ein Bankkonto. Die Eröffnung eines Kontos ohne eine Social Security Number klappt bei den großen Banken meist problemlos.

Allgemeine Informationen zum Praktikumsplatz
Das Büro von Campana & Schott ist in einem WeWork Gebäude direkt am Bryant Park in der Midtown Manhattans, eine der besten Lagen, die ich mir vorstellen kann. Sehr zentral und den Park direkt vor der Tür, das war wirklich ein Luxus.

Die Einarbeitung im Unternehmen wurde eng betreut von einem Mentor und klappte sehr gut. Schnell war ich in einige Grundlagen eingearbeitet und konnte bei internen und externen Projektaufgaben eigenverantwortlich mitarbeiten. Da ich in einem deutschen Unternehmen gearbeitet habe, kann ich zur amerikanischen Arbeitskultur wenig sagen. Als Deutscher kommen einem aber einige Dinge seltsam vor. Beispielsweise würde ein*e Amerikaner*in sich quasi niemals krankmelden, sofern er sich noch irgendwie mit Medikamenten betäuben und ins Büro schleppen kann. Das hat u.a. zum Grund, dass Krankheitstage in der Regel von den jährlichen Urlaubstagen abgezogen werden, so auch bei mir. Auch gibt es unter Amerikaner*innen einen extrem großen Respekt vor der Meinung des*der Chefs*Chefin, die niemals offen hinterfragt oder kritisiert wird, egal wie angemessen das wäre.

Dadurch, dass unser Team aus nur 10 Personen bestand, die größtenteils alle aus Deutschland kamen und auch erst seit kurzem in New York waren, war die Atmosphäre sehr entspannt und kollegial. Auch gemeinsame Unternehmungen neben der Arbeit waren selbstverständlich und fanden häufig statt.

Das New York ein unendliches Angebot spannender Erlebnisse bereithält, brauche ich wohl nicht zu erwähnen. Auch nach vielen Monaten gibt es noch zahllose Dinge zu entdecken, langweilig wird es einem hier nicht. Deshalb rate ich dazu, wenn möglich länger als 3 Monate hier zu bleiben, 6 Monate sind denke ich ein idealer Zeitraum. Alles darüber hinaus muss man sich leisten können. New York ist eine der teuersten Städte der Welt und selbst wenn man das weiß, ist man doch immer wieder überrascht wie schnell der Kontostand schrumpft.

Unterkunft
Als Praktikant*in aus einem anderen Land scheiden normale Mietverträge für eine Wohnung in Amerika aus, da man keine Kreditwürdigkeit besitzt und das Gehalt zu gering ist. Daher wohnt man in der Regel in einer WG. Beliebt sind auch 2 große, nach Geschlechtern getrennte, Wohnheime in Manhattan.

Der Wohnungsmarkt in New York ist sehr kurzlebig, die meisten Anzeigen für WG-Zimmer haben eine Vorlaufzeit von weniger als 4 Wochen. Es gibt zahlreiche Websites zur Suche nach WGZimmern, ich habe größtenteils Roomi benutzt. Auch Craigslist ist nicht so zwielichtig wie es oft heißt, allgemein sollte man aber Vorsicht walten lassen, wenn es darum geht Vereinbarungen über das Internet zu schließen. Meine WG fand ich überraschend schnell und einfach über Roomi als ich noch in Deutschland war. Das ist aber nicht die Regel, empfehlenswert ist eine Anreise mit 1-2 Wochen Puffer vor Start des Praktikums, um sich in Ruhe eine WG vor Ort suchen zu können.

Die Wohnungspreise in New York sind erwartbar hoch, ein halbwegs vernünftiges WG-Zimmer findet man nicht unter 900€ im Monat, sofern man nicht Pendelstrecken von weit über einer Stunde in Kauf nehmen will. Ich wohnte für gut 1.000€ in einem 1-Bedroom Apartment im ruhigen Stadtteil Windsor Terrace, Brooklyn, in einer 2er WG. Meine Mitbewohnerin, Ende 40, wohnte im Wohnzimmer, ich im Schlafzimmer. Die Wohnsituation war entsprechend eng und teilweise anstrengend, ich konnte mich damit aber halbwegs arrangieren. Mein Arbeitsweg aus Brooklyn betrug täglich ca. 45 Minuten pro Strecke, was für New Yorker Verhältnisse gar nicht schlecht ist. Je näher an Manhattan man ein Zimmer sucht, desto teurer und kleiner wird es. Da es in Manhatten kaum Grünflachen oder ruhige Orte gibt, würde ich aber grundsätzlich empfehlen in Queens oder Brooklyn zu wohnen. Auch die Preise für alltägliche Dinge wie ein Friseurbesuch sind in Manhattan am höchsten.

Sonstiges
New York bietet jeden Tag Überraschungen, egal wohin man geht und was man unternimmt, fast immer passiert etwas Spannendes, unvorhergesehenes. Auch die Vielfalt der Einwohner*innen macht diese Stadt sehr besonders, vermutlich nirgendwo sonst kann man Gerichte fast jeder Nationalität in meist bester Qualität essen. Auch die Stadtviertel unterscheiden sich stark, besonders in Queens und Brooklyn gibt es eine riesige Vielfalt unterschiedlichster Nachbarschaften. New York ist eine allgemein sehr sichere Stadt, auch durch die Bronx kann man tagsüber gefahrlos spazieren, ohne sich Sorgen machen zu müssen. Wie in jeder Großstadt kommen aber auch Diebstähle etc. vor, ein gesundes Maß an Menschenverstand und Vorsicht sei jedem angeraten. New Yorker gelten in Amerika als unfreundlich, was einem als Deutsche*n aber kaum auffällt. Im Gegenteil, die sonst typisch amerikanische Aufgesetztheit findet man in New York nur selten, das fand ich sehr angenehm. Meiner Erfahrung nach waren die meisten New Yorker*innen hilfsbereit, ehrlich und im persönlichen Kontakt oft sehr nett.

Das Sortiment im Supermarkt unterscheidet sich teilweise recht deutlich von dem in Deutschland, von den Preisen ganz zu schweigen. Gerade in New York bekommt man aber alles was man sucht, wenn man weiß wo. Ein großes Problem für Deutsche ist meist das Brot, ungezuckertes oder gar aus Vollkorn bestehendes Brot lässt sich nur in einer der sehr wenigen Bäckereien auftreiben und ist sehr teuer. Für einen Einkauf beim vergleichsweise günstigen Trader Joe’s kann man von doppelt so hohen Preisen wie in deutschen Discountern ausgehen.

Die Lebenshaltungskosten in New York sind allgemein extrem hoch und können leicht unterschätzt werden. Mit einer günstigen Wohnung (z.B. $900) und einer sehr sparsamen Lebensweise kann man zwar theoretisch mit weniger als 1.600€ monatlich auskommen. Möchte man aber regelmäßig etwas cooles unternehmen, gut essen gehen, Clubben oder einen Ausflug in nahegelegene Städte wie Boston oder Washington D.C. machen, summieren sich die Kosten schnell auf weit über 2.000€ im Monat. Ich selbst habe mir daher auch einen staatlich geförderten Bildungskredit bei der KfWBank genommen, die PROMOS-Förderung allein bringt einen in New York nicht sehr weit.

Was ist tunlichst zu vermeiden?
Auch wenn sich die amerikanische Kultur von der europäischen unterscheidet, sollte sich jeder hier schnell zurechtfinden. An einige Dinge muss man sich gewöhnen, beispielsweise an das hohe Trinkgeld oder an den üblichen Smalltalk, den man aus Deutschland meist nicht gewohnt ist. Grundsätzlich sollte man sich mit politischen Äußerungen zurückhalten, auch Bemerkungen über das teils zweifelhafte Umweltbewusstsein oder den stark ausgeprägten Patriotismus verkneift man sich lieber. Auch zunächst ungewohnt ist das Verbot von Alkohol in öffentlichen Räumen.

Fazit
Es war immer mein Wunsch einmal für längere Zeit im Ausland zu leben und zu arbeiten. Das jetzt erlebt zu haben ist eine unvergleichliche Erfahrung, die mich vieles gelehrt hat. Auch gemerkt habe ich allerdings, dass mir meine alten Freunde in Deutschland auf Dauer sehr fehlen, weshalb ein dauerhaftes Arbeiten im Ausland für mich nicht mehr in Frage kommt.

Das Praktikum an sich war die perfekte Vorbereitung für meinen Berufseinstieg, vor allem auch da ich als gleichwertiger Kollege angesehen wurde und eigenverantwortlich arbeiten konnte. Das habe ich in Deutschland bisher in keinem Praktikum so erlebt. Auch durch die Vielfalt der Aufgaben, sowie dem ständigen Umgang mit Business-Englisch, fühle ich mich wesentlich besser auf den Beruf vorbereitet als durch ein Auslandssemester.

Alles in allem würde ich das Praktikum sofort wieder machen, einmal im Ausland gearbeitet und einen Alltag erlebt zu haben ist für mich eine sehr besondere Erfahrung. New York ist durch ihre vielen Kulturen und ihre bewegte Vergangenheit eine sehr außergewöhnliche Stadt. Gerne wäre ich auch noch mehr herumgereist in den USA, das ist aufgrund der Größe und der Kosten aber nicht so einfach machbar.

Dachterasse des WeWork-Gebäudes