Ich habe mein Praktikum bei der Vertretung der Freien Hansestadt Bremen bei der EU, kurz: der Landesvertretung Bremens in Brüssel von November 2016 bis Februar 2017 absolviert. Ich habe mich initiativ beworben und sehr spontan einen Platz bekommen. In der Regel sollte man sich aber mindestens ein halbes Jahr vor dem gewünschten Praktikumsanfang bewerben. Voraussetzung ist die Immatrikulation an einer Uni sowie die Voraussetzung, dass es sich bei dem Praktikum um ein Pflichtpraktikum handelt. Das bedeutet im Umkehrschluss leider auch, dass das Praktikum unbezahlt ist. Ich kann im Nachhinein sagen, dass es mich zunächst große Überwindung gekostet hat, in ein fremdes Land zu ziehen und quasi dafür zu bezahlen, dass man mehr als 40 Stunden die Woche arbeitet, dass sich das alles aber definitiv gelohnt hat und mich dieses Praktikum professionell wie persönlich bereichert hat.
Wohnen in Brüssel
Das Wohnen und Leben in Brüssel ist gewöhnungsbedürftig. Brüssel ist eine Arbeitsstadt, viele (junge) Menschen kommen für eine befristete Zeit nach Brüssel, weswegen viele Vermieter sehr flexibel sind und sich bereits auf die starke Fluktuation eingestellt haben und es kein Problem ist, für ein paar Monate ein Zimmer in einer WG zu finden. Es ist eher selten mit Locals zusammenzuwohnen und man teilt sich meist stattdessen die WG mit anderen internationalen Studierenden. Außerdem muss man sich auf hohe Mieten (ca. 500 €) und eine schlechtere Wohnqualität im Vergleich zu Deutschland einstellen.
Man muss sich, wenn man die (über-)korrekte Lebensweise der Deutschen gewohnt ist, auf einige Kompromisse in Brüssel einlassen. Vieles ist hier viel flexibler und ungeplanter. Das beste Beispiel ist die Mülltrennung, die leider nicht wirklich funktioniert. Gewöhnungsbedürftig sind außerdem die Öffnungszeiten der Einkaufsläden. Viele Supermärkte schließen bereits um 19/20 Uhr, öffnen auch eher zu variierenden Zeiten und auch Modeläden usw. in der Innenstadt sind schon um 18/19Uhr geschlossen. Kleinere Supermärkte haben teilweise auch sonntags oder an Feiertagen auf. Aber auch nicht zu genauen Zeiten, sondern dann, wann es den Inhabern passt.
Das Praktikum
Die Praktikumsdauer von vier Monaten ist eine gute Zeit, um sich in der Stadt einzuleben und die Arbeitsweise der Landesvertretung kennenzulernen. Die ersten Wochen waren eine Überflutung an Informationen. Auch für mich, obwohl ich mein Erasmus-Auslandssemester in Brüssel verbracht habe und einige Ecken der Stadt bereits kannte. Aber es ist ein großer Unterschied, ob man hierher kommt um zu studieren oder um zu arbeiten. Man fängt an, den Arbeitsprozess auf EU-Ebene ansatzweise zu verstehen und inwiefern die EU etwas mit Bremen zu tun hat. Für mich persönlich ist es eine große Bereicherung, politische Entscheidungen zu verstehen und besser einordnen zu können.
Wichtig zu wissen ist, dass man, wenn man nach Brüssel mit der Erwartung kommt sein Französisch zu verbessern, enttäuscht wird. In der Landesvertretung ist die Arbeitssprache Deutsch und auf den meisten Veranstaltungen wird Englisch gesprochen.
Im Praktikum selbst bekommt man ein bis zwei Betreuer zugeteilt, die, jeweils ein Ressort aus Bremen widerspiegeln. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass du mit den anderen Bereichen überhaupt nicht in Berührung kommst. Ganz im Gegenteil! Man muss sich irgendwann mit jedem Politikfeld auseinander gesetzt haben. Und das ist für mich eine sehr erstrebenswerte Aufgabe, denn so ist der Wissenszuwachs immens. Man besucht viele verschiedene Veranstaltungen, schreibt Protokolle, Vermerke und Vorlagen und tauscht sich mit Kollegen oder anderen PraktikantInnen aus. Es gibt eine enge Verbindung zwischen den Kollegen in Bremen und Brüssel, was das Arbeiten in Brüssel etwas „Heimatliches“ gibt. Man ist trotz der Distanz über wichtige Geschehnisse in Bremen informiert und trägt außerdem zur Information der BremerInnen über EU-Geschehnisse bei.
Meine konkreten Aufgaben waren beispielsweise Recherchearbeiten, die Teilnahme an Ausschusssitzungen im Europäischen Parlament sowie die Teilnahme an der Plenartagung des Ausschuss der Regionen, die Anfertigung von Vorlagen für den Europaausschuss in Bremen sowie das Erstellen von Artikel für den EU-Newsletter.
Im Büro herrscht eine angenehme Arbeitsatmosphäre. Man wird nicht alle fünf Minuten überprüft, was im Umkehrschluss aber auch bedeutet, dass man selbstständig arbeiten muss. Du wirst nicht zum Kaffeekochen verdonnert, ganz im Gegenteil, die Kollegen behandeln einen auf Augenhöhe und man wird vom ersten Tag an in das Team integriert und bekommt anspruchsvolle und interessante Aufgaben.
Brüssel ist ein MUSS für Menschen mit politischem Interesse. Man ist an der Quelle der europäischen Entscheidungen und kann so viele tolle Dinge erleben, wenn man auch etwas Eigeninitiative zeigt.
Fazit
Brüssel ist toll! Es ist unglaublich vielfältig. Man trifft Menschen aus jedem Teil der Erde. Egal ob kunstbegeistert, bierbegeistert, musikbegeistert oder einfach an allem interessiert: du fühlst dich wohl hier. Ja, es ist wahr, dass Brüssel viele alte, heruntergekommene Viertel hat, die Gehwege kaputt sind und dank der undurchsichtigen Mülltrennung Müll rumliegt; aber die Stadt hat trotzdem einen unglaublichen Charme. Es gibt so viele kleine Parks, Cafés, Märkte und so viele beeindruckende Gebäude, die man nicht erwartet. Das ist eine weitere Besonderheit der Stadt: Im einen Moment denkst du, du bist im schlimmsten Viertel der Stadt und du wirst gleich überfallen (Übertreibung!) und wenn du um die Ecke biegst, stehst du vor einen riesigen EU-Gebäude. Es ist einfach toll!
Das Praktikum hat mich enorm bereichert. Inhaltlich habe ich sehr viel gelernt, aber auch die Verbindung zwischen der EU und Bremen kennengelernt. Ich empfehle jedem, der ein arbeits- und inhaltsreiches Praktikum machen möchte, dies in der Landesvertretung von Bremen in Brüssel zu machen!
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