Organisation
Im letzten Jahr meines Bachelors kam mir die Idee, nach meinem Studium erst einmal ein Praktikum zu machen. Der Bachelor in Biologie hatte mir sehr viel Spaß gemacht, doch bevor ich meinen Master machen würde, wollte ich (noch) mehr praktische Erfahrungen sammeln und eine andere wissenschaftliche Einrichtung kennen lernen. Ins (europäische) Ausland zu gehen stand für mich auch von Anfang an fest, da ich nicht nur arbeitsrelevante Erfahrungen machen wollte, sondern auch ein neues Land und dessen Menschen und Kultur kennen lernen wollte. Ich fing also an, mich online nach meeresbiologischen Instituten und Forschungsgruppen umzusehen und Bewerbungen zu schreiben. Ich hatte eine Webseite gefunden (www.marenet.de), die viele Institute quer durch Europa auflistet und so informierte ich mich nach und nach über viele der dort aufgezählten Einrichtungen. Bei Forschungsgruppen, deren Forschungsrichtung mich interessierte, schrieb ich eine Initiativbewerbung an die/den jeweilige/n Leiter/in. Gut einen Monat lang habe ich damit meine Zeit verbracht und täglich gesucht, mich informiert oder Bewerbungen geschrieben. Am Ende waren es fast 30 Initiativbewerbungen, die ich verschickt habe. Nach einer Weile bekam ich eine Antwort von der Leiterin einer der Forschungsgruppen am Oceanlab in Aberdeen, Schottland. Bei einem Skype-Telefonat erzählte sie mir vom aktuellen Forschungsschwerpunkt und wo es dabei für mich Möglichkeiten gäbe, mitzuarbeiten. Ich war begeistert und die Entscheidung, nach Schottland zu gehen, war schnell getroffen. Leider handelte es sich um ein unbezahltes Praktikum und so bewarb ich mich auf eine Förderung durch das ERASMUS+ – Programm.
Unterkunft
Da Großbritannien nicht das günstigste Land ist, in dem man leben kann, war das Erasmus Stipendium eine große finanzielle Hilfe für mich. Allein Wohnungen/WG-Zimmer sind wesentlich teurer als in Deutschland und kosten umgerechnet 450-500€ und mehr im Monat. Hinzu kommen Ausgaben für Essen/Trinken und Freizeitaktivitäten, wofür man ca. 70-100€ pro Woche rechnen muss. Mein WG-Zimmer habe ich noch von Deutschland aus auf einer entsprechenden Internetseite gefunden (www.gumtree.com, Alternative: www.uk.easyroommate.com). Was die Suche nicht gerade einfacher gemacht hat, ist die Tatsache, dass viele der WGs ihre Zimmer für mindestens sechs Monate vermieten. Doch ich hatte sehr großes Glück, denn bereits nach gut einer Woche wenig erfolgreicher Suche fand ich ein bezahlbares Zimmer in einer 2er-WG in sehr zentraler Lage. Da das Oceanlab ca. 20km nördlich von Aberdeen liegt, war die zentrale Lage der Wohnung für mich sehr praktisch, um schnell am Busbahnhof zu sein. Mit meinem neuen Mitbewohner verstand ich mich trotz sehr unterschiedlicher Lebensstile ganz gut. Immer wieder gab es zwar Meinungsverschiedenheit, was das Zusammenleben und die Sauberkeit in der Wohnung angeht, aber letztendlich haben wir immer einen gemeinsamen Nenner finden können.
Das Praktikum und meine Aufgaben
Meine Praktikumsstelle, das Oceanlab, gehört zur Universität von Aberdeen und umfasst zwei Gebäude, in denen sich Büros, Trocken- und Nasslabore sowie eine große Werkstatt befinden. Mehrere Forschungsgruppen aus verschiedenen naturwissenschaftlichen Bereichen haben zwar dort ihren Hauptsitz, benutzen aber auch in vielen Fällen die Labore der biologischen und chemischen Fachbereiche auf dem Universitätscampus. So war es auch bei der Forschungsgruppe der Fall, bei der ich mein Praktikum absolviert habe. Die Leiterin der Forschungsgruppe, die technische Assistentin sowie eine Doktorandin und eine Postdoc waren am Oceanlab tätig, während zwei weitere Doktoranden hauptsächlich die Labore auf dem Campus benutzten, da sich dort die spezifische Einrichtung der Labore besser für ihre Experimente und Analysen eignete.
Während meines Praktikums habe ich überwiegend einem der Doktoranden auf dem Campus geholfen, der für seine Arbeit die Wechselwirkungen von synthetischem Öl auf verschiedene Arten von Sediment untersucht. Dieses Forschungsgebiet wurde nach der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko in 2010 besonders wichtig, da bis zu diesem Zeitpunkt noch wenig über die tatsächlichen Auswirkungen der verschiedenen Ölkomponenten auf marine Sedimente bekannt war.
In den drei Monaten meines Praktikums habe ich zwei der vielen Experimente, die für die Doktorarbeit durchgeführt und ausgewertet werden mussten, vom Anfang bis zum Ende begleitet und habe einige der Arbeitsschritte eigenverantwortlich im Labor durchgeführt. Für das eigentliche Experiment wurde zunächst Sediment aus ausgewählten Standorten gesammelt und dieses in Kammern mit einem synthetisch hergestellten Öl versetzt. Nach einer Woche wurden Sedimentproben aus sieben verschiedenen Tiefen genommen und diese dann im Labor auf den Gehalt und die Zusammensetzung der Ölkomponenten untersucht. Diese Untersuchungen, welche mehrere Teilschritte im Labor umfassten, wurden mir nach einer Einweisung anvertraut und ich habe sie fast vollständig übernommen. Da es sich um chemische Analysen handelte, war diese Art der Laborarbeit für mich als Biologe mit wenig praktischer Erfahrung in der Chemie zunächst Neuland. Anfangs war ich noch sehr unsicher, aber nach einer Weile wurde ich routinierter und konnte die Arbeit im Labor schnell und effizient erledigen.
Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, so eigenverantwortlich arbeiten zu können, denn so habe ich am meisten lernen können und habe mich als wichtiger Teil der Gruppe gefühlt. Die restlichen Chemiker, die im selben Labor arbeiteten, waren alle sehr nett und ich habe mich schnell mit allen gut verstanden. Es herrschte immer eine sehr lockere Atmosphäre und ein gutes Arbeitsklima und ich habe mich sehr willkommen gefühlt! Natürlich war es manchmal nicht sehr abwechslungsreich, tagelang die gleiche Arbeit auszuführen, aber es war mir schon vorher klar, dass das der Alltag eines Wissenschaftlers ist. Außerdem hat mir genau das geholfen, routinierter zu werden, was eines meiner Ziele war, das ich mit diesem Praktikum erreichen wollte.
Anfangs gab es ein paar Schwierigkeiten mit dem doch recht speziellen Englischvokabular, das man täglich im Labor braucht, aber auch das war nach kurzer Zeit überstanden. Immer mal wieder gab es Tage, an denen es nichts im Labor zu tun gab, da wir zum Beispiel darauf warten mussten, dass ein Experiment zu Ende ist. Diese Tage habe ich dann in der Bücherei verbracht und wissenschaftliche Artikel zu diesem Forschungsthema gelesen, um die Thematik besser verstehen zu können. Am Anfang hatte ich auch dabei einige Schwierigkeiten mit dem Vokabular, doch nach und nach fiel mir das Lesen leichter, auch weil ich ein immer besseres Verständnis für das Thema entwickelte.
Für ein paar Wochen meines Praktikums habe ich außerdem einer Postdoc am Oceanlab geholfen. Sie arbeitet in der Mikrobiologie und während meines Praktikums hat sie einen Probensatz bearbeitet, der sich mit den Auswirkungen von synthetischem Öl auf im Sediment lebende Bakterien beschäftigte. Um herauszufinden, wie sich die Zusammensetzung der Bakterien vor und nach dem Kontakt mit Öl verändert, musste zunächst Bakterien-DNA aus den Sedimentproben extrahiert werden. Anschließend wurde die DNA amplifiziert und aufgetrennt, um zu überprüfen, ob die Extraktion erfolgreich war. War dies der Fall, wurden die Proben in ein anderes Labor geschickt, um die einzelnen Bakterienarten zu bestimmen. Bei all diesen Schritten (bis zum Verschicken der Proben) konnte ich der Postdoc über die Schulter schauen und auch hier und da einzelne Aufgaben übernehmen. Auch dies hat mir sehr viel Spaß gemacht, da ich so Einblicke in einen zweiten Laboralltag bekam und meine Fähigkeiten im Umgang mit mikrobiellen Analysen verbessern konnte.
Das Leben und die Freizeit neben der Arbeit
Aberdeen ist eine recht kleine Stadt, aber trotzdem gibt es doch einige Möglichkeiten, sich die Zeit zu vertreiben. Die Stadt liegt direkt am Meer und eine Strandpromenade lädt zu ausgedehnten Spaziergängen ein. In der Innenstadt gibt es einige Museen, Einkaufsläden und Sehenswürdigkeiten. Es gibt außerdem ein sehr gut ausgebautes und weitreichendes Bussystem, womit man selbst ohne Auto viel der Umgebung erkunden kann. An den Wochenenden habe ich oft genau das gemacht und bin mit dem Bus in die umliegenden Dörfer gefahren oder habe mich an einem Wanderweg absetzen lassen. Immer wieder war ich erstaunt, an welch verlassenen Orten es doch noch eine Bushaltestelle gibt! Die schottische Landschaft ist genauso traumhaft, wie ich es mir vorgestellt hatte und ich habe meine Ausflüge in die Natur immer sehr genossen. Auch, weil es eine gute Abwechslung zur Arbeit im Labor war, da leider nicht jeder Laborraum ein Fenster hatte.
Über ein klassisches Beispiel von „man kennt sich durch Zufall über zwei Ecken“ hatte ich die Emailadresse einer Studentin aus Luxemburg bekommen, die zu der Zeit meines Praktikums gerade nach Aberdeen gezogen war, um Meeresbiologie zu studieren. Wir haben uns von Anfang an wunderbar verstanden und über sie habe ich eine sehr internationale Gruppe an Studenten kennen gelernt, mit denen ich viel Zeit verbracht habe. Mal haben wir uns für einen Kaffee getroffen, mal für ein Konzert oder einen Kinobesuch. Auch ein paar meiner Arbeitskollegen waren immer mal wieder dabei.
Aberdeen ist außerdem eine klassische, schottische Stadt, weil es quer durch die Innenstadt verteilt viele typisch britische Pubs gibt, in denen sich ein angenehm gemischtes Publikum trifft. An fast jedem Abend in der Woche gibt es mindesten einen Pub, in dem live Musik gespielt wird. Oft handelt es sich dabei um traditionelle, schottische Musik mit Dudelsäcken, Flöten, Geigen und Trommeln, wofür eine bunte Mischung aus jungen und alten Musikern zusammen kommt. Diese Art der Musik gefällt mir sehr und so war ein Besuch in einem Pub mit live Musik ein sehr regelmäßiges Ereignis.
Eine weitere Möglichkeit, neue Leute kennen zu lernen sind die so genannten „Societies“ der Universität, die von Studenten für Studenten angeboten werden. Dabei handelt es sich nicht um Studentenverbindungen/Burschenschaften, sondern um Studentengruppen, die sich auf Grund eines gemeinsamen Interesses vernetzen und gemeinsame Aktionen machen. Es gibt für fast jedes Hobby, das ein Student haben kann, eine Society, beispielsweise gibt es Gruppen zum Stricken, Tanzen, Boxen, Theater/Impro spielen, Wandern, Mountainbike fahren, Spanisch sprechen/lernen, usw. Auch sämtliche Sportgruppen, wie sie in Deutschland meist über den Hochschulsport organisiert werden, werden in Schottland als Society angeboten. Organisiert werden diese Gruppen über die Webseite der AUSA (Aberdeen University Student Association) und jeder, der als Student an der Uni eingeschrieben ist, kann bei jeder Society mitmachen. Meist bezahlt man einen geringen Jahresbeitrag und teilt sich die Fahrtkosten, wenn man zum Beispiel mit der Wandergruppe einen Wochenendausflug macht.
Fazit
Mein Ziel des Auslandspraktikums war es, meine praktischen Fähigkeiten im Labor zu vertiefen und zu erweitern und neue Bereiche der meeresbiologischen Forschung kennen zu lernen. Darüber hinaus wollte ich neue Erfahrungen im Ausland sammeln, denn es ist immer eine größere Herausforderung in einem neuen Land zu leben als dort einfach „nur“ Urlaub zu machen. Beides habe ich mit Hilfe meines Praktikums zu meiner vollen Zufriedenheit erreicht! Natürlich gab es weniger gute oder auch einige wenige frustrierende Momente, aber die vielen guten Erfahrungen, die ich sammeln konnte und die neuen Freundschaften, die ich schließen konnte, überwiegen diese um Längen! Ich habe mich in Schottland sehr wohl gefühlt und meine Zeit dort bis zum Schluss genossen. Aller Anfang ist zwar schwer, aber nachdem man den ersten Sprung in sehr kaltes Wasser überstanden hat, birgt ein Auslandspraktikum unzählige Möglichkeiten, sich persönlich weiter zu entwickeln und wunderbare Erfahrungen zu sammeln. Ich kann ein Auslandspraktikum deswegen jedem wärmstens empfehlen und werde versuchen, selber noch ein weiteres zu machen!
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