1. Warum hatten Sie sich zum Roots-Praktikum angemeldet und was waren Ihre Erwartungen an das Programm? Welche Vorteile haben Sie für sich in diesem Programm gesehen?
Bevor ich am Roots-Programm teilgenommen habe, hatte ich mich für den Sprachkurs Wirtschaftstürkisch angemeldet. Meine Motivation dabei war, meine Muttersprache später in der Arbeitswelt verwenden zu können. Daher wollte ich meine Muttersprache professionalisieren und die Fachbegriffe meiner Branche auf Türkisch kennen lernen.

Im Unterricht wurde uns das Roots-Programm von Nurten Kurnaz präsentiert und eine Teilnahme am Programm empfohlen. Als das Roots-Programm vorgestellt wurde, hatte es mir während der Vorstellung schon ein Mehrwertgefühl verliehen. Vor dem Roots-Programm hatte ich mir nie Gedanken über die Vorteile meiner zweiten Muttersprache in der Arbeitswelt gemacht. Ich wollte sie zwar lernen, aber war der Meinung, dass Türkisch nicht viel Bedeutung in der deutschen Arbeitswelt trägt. Meine Erwartungen an das Programm waren zumeinen Erlangung einer weiteren Qualifizierung, aber auch Sammlung von interkulturelle Erfahrungen. Ich wollte neben meinem Studium auch mal praktische Erfahrung sammeln, welches nicht nur mein Fachwissen erweitert, sondern mich persönlich auch weiterbildet. Zunächst sah ich ein Praktikum im Ausland als ein Abenteuer, welches eine Abwechslung für mich wäre, aber mit dem auch große Sorgen verbunden waren. Ich hatte mich über die Teilnahme am Roots-Programm sehr gefreut und war aufgeregt. Ein Auslandspraktikum wollte ich gerne machen, aber es mangelte bis zu der Zeit an Selbstvertrauen und Selbstorganisation. Zunächst sah ich es als Herausforderung, jedoch wollte ich solch eine Chance nicht verpassen. Die Türkei war für mich keine neues Ort, welches ich zum erstmal besuchen sollte. Denn ich verbrachte jährlich meine Sommerferien in dem Land. Trotzdem sah ich ein Auslandspraktikum in der Türkei als eine große Anforderung an meine Person und plötzlich schien mir die bekannte Türkei als fremd. Die Betreuung seitens Nurten Kurnaz, welche uns auf dem Weg zum Auslandpraktikum begleiten sollte, gehörte zu meinen Erwartungen.

Die Vorteile, welches dieses Programm mir bietet, sind vielseitig. Zum einen sah ich es rein beruflich, als weitere Qualifizierung, ein Praktikum im Ausland zu machen und dabei meine Sprache zu verbessern. Zum anderen wollte ich mal meine Ängste überwinden, in einer mir fremden Arbeitswelt hineinschnuppern und dabei die Unterschiede zu Deutschland sehen. Des Weiteren konnte ich die türkische Arbeitswelt beobachten und mir überlegen, ob ich in der Zukunft dort arbeiten könnte. Das Heimatland meiner Eltern wäre in der Zukunft vielleicht eine Alternative Arbeitswelt für mich.

Die Vorbereitungen auf mein Auslandsaufenthalt mit einem Sprachkurs, interkulturelles Training und diverse Gespräche mit der Betreuerin verliehen mir ein sicheres Gefühl und stärkten mein Selbstbewusstsein. Diese positiven Erwartungen und Vorteile, welche ich in diesem Programm sah, überwiegten meine Ängste und daher entschloss ich mich für eine Teilnahme am Roots-Programm.

2. Beschreiben Sie kurz das Unternehmen/ die Organisation in dem Sie ihrPraktikum absolviert haben. Benennen Sie grob Ihre Tätigkeiten.

Hinweis: Im weiteren Verlauf wird Crowe Horwath Olgu Bağimsiz Denetim ve YMM A.Ş als Crowe bezeichnet.

Ich habe mein Praktikum in der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Crowe Horwath Olgu Bağimsiz Denetim in Izmir absolviert. Crowe ist Mitglied bei Crowe Horwath International, welches ein weltweites Netzwerk von selbstständigen und unabhängigen Prüfungs- und Beratungsunternehmen mit 200 Mitgliedsgesellschaften in über 130 verschiedenen Ländern umfasst. Zudem zählt Crowe Horwath International zu den zehn weltweit größten Netzwerken von selbständigen Prüfungs- und Beratungsunternehmen. In der Türkei hat Crowe Horwath International bisher vier Mitgliedschaften mit Prüfungs- und Beratungsunternehmen, welche Standorte in verschiedenen Regionen der Türkei hat. Crowe ist eingetragen als eine Kapitalgesellschaft (Anonim Şirket (A.Ş.))und hat mehrere Eigenkapitalgeber die zum größten Teil aus Wirtschaftsprüfern besteht. Die unabhängige Wirtschaftsprüfung, Steuerprüfungen, Steuer Consulting, Unternehmensberatung und das Risikomanagment gehören zu den Dienstleistungen von Crowe. Mein Praktikumsunternehmen ist in mehreren Räumlichkeiten im Zentrum von Ízmir angesiedelt. Das Büro von Şevki Bilibay (Chairman of the Board of Directors/Wirtschaftsprüfer), in dem sich die Steuerabteilung und Risk Managment Abteilung befindet, und Crowe, Wirtschaftsprüfungsabteilung, befinden sich nebeneinander in zwei Büros. Die Wirtschaftsprüfer von Crowe haben alle ein eigenes Büro, da sie alle auch eigenständig arbeiten. In Crowe haben die Wirtschaftsprüfer Anteile und arbeiten in der Abteilung der unabhängigen Wirtschaftsprüfung in einem Büro zusammen. Die anderen Dienstleistungen werden in den eigenen Büros der Wirtschaftsprüfer verwirklicht. Meine hauptsächliche Arbeit habe ich im Büro von CROWE in der Prüfungsabteilung verbracht. Des Weiteren war ich auch für eine kurze Zeit in der Steuerabteilung und habe auch das Büro von Murat Caglayan (Vorstandssekretär) besucht. In der Wirtschaftsprüfung sind sechs Mitarbeiter angestellt, wobei drei von ihnen als ‚Auditor Assistent‘ ihren Beruf ausüben.

Während meiner Praktikumszeit hatte ich sehr viele Aufgaben zu erledigen, welche ich hier zusammenfassen werde. In der ersten Woche habe ich Materialien und Bücher über die Wirtschaftsprüfung auf Englisch und Türkisch bekommen. Dadurch konnte ich mich in die Materie einarbeiten und habe Vokabellisten erstellt. In der Wirtschaftsprüfung werden die Jahresabschlüsse und Zahlen von Unternehmen überprüft, ein Bericht erstellt, welche unabhängig ist und die Richtigkeit des Jahresabschlusses bestätigt. Die Hauptberichtszeit war schon nach Juli vorbei. Jedoch sind von einigen Unternehmen Halbjahresberichte erwünscht. Bei der Erstellung dieser Berichte konnte ich mithelfen. Ich habe die Abschreibungstabellen erstellt, Versicherungswerte in die Listen eingetragen, die Bilanz mit dem Anhang verglichen, vorgefertigte Schablonen erstellt mit den Zahlen der letzten Jahre zur Vergleichbarkeit, Eigenkapitalveränderungen und Netto-Cashflow-Tabellen auf Übereinstimmung mit dem Anhang überprüft und vieles mehr. Des Weiteren wurden mir an einigen Stellen die Rechnungen und Vorgänge in der Bilanz erklärt. Zudem musste ich als Nachweis der Verbindlichkeiten, welche in der Bilanz aufgeführt worden sind, Bestätigungsbriefe an die Gläubiger schicken und diese telefonisch erreichen. Des Weiteren habe ich sehr oft Post verschickt und die Quittungen der Käufe in die Ordner eingetragen. Es gab sehr viele Archivierungsarbeiten, denn neue Ordner wurden bestellt. Diese Aufgaben übernahm ich größtenteils und habe eine Datei mit den Unternehmen und dazu gehörigen Ordnernummern erstellt. Ich besuchte, mit Herrn Bilibay und einer Mitarbeiterin aus der Steuerabteilung, das Finanzamt in Izmir um die Steuererklärungen eines Unternehmens einzureichen. Um bestimmte Tätigkeiten zu erledigen, wie z.B. Kontoauszüge erstellen zulassen, Geld wechseln und Geld abheben, musste ich auch oft zur Deniz Bank in Izmir. Manche Dokumente hatten es eilig und mussten verschickt werden, daher war ich im Büro von Murat Caglayan, damit er diese unterschreiben konnte. Meine Aufgaben waren zahlreich und sehr abwechslungsreich. Zum einen hatte ich immer neue Beschäftigungen, welche typisch für die Wirtschaftsprüfung war und mich schulisch fortbildete. Zum anderen bekam ich auch Tätigkeiten, die mich interkulturell entwickelten, mir im Alltag auch helfen würden und mein privates Leben in der Türkei erleichtern könnten. Zum Beispiel wusste ich wie man in einer Bank klar kommt, hatte oft Kontakt mit Ortsansässigen und habe viele Orte in Izmir gesehen.

3. Welche Erwartungen hatten Sie an Ihr Praktikum in der Türkei? Haben sich diese Erwartungen erfüllt?
Für mich waren einige Hauptziele mit dem Praktikum verbunden. Vor der Teilnahme am Roots-Programm wollte ich ein Praktikum nach dem Sommersemester absolvieren, jedoch kam ich nicht dazu einen Praktikumsplatz in Deutschland zu finden. Die meisten Unternehmen in Deutschland erwarten eine vorherige Erfahrung und daher erschwerte es meine Suche. Jedoch wollte ich meine Branche auch in der Praxis sehen und brauchte Abwechslung vom trockenen Studium. Das Roots-Programm war eine gute Chance praktische Erfahrung zu sammeln, um später auch in Deutschland leichter Praktika zu finden und dies in die Bewerbung aufzunehmen. Daher waren in erster Linie meine Erwartungen an das Praktikum, in Betracht auf Erlangung von Fachwissen, nicht so hoch. Denn ich war der Meinung, dass in der Türkei die Gesetze und Rechnungslegung anders sind als in Deutschland sind und dies mich fachlich nicht weiterbilden könnte. Ich wollte nur erste praktische Erfahrung machen, die Arbeitsatmosphäre sehen und meine türkische Sprache verbessern.

Als weiteres Hauptziel wollte ich mich interkulturell weiterbilden. Ich wollte die Unterschiede zwischen der Türkei und Deutschland sehen. Acht Wochen dort zu leben, zu arbeiten und sich in die Gesellschaft zu integrieren stellte für mich eine Herausforderung dar. Ich musste jeden Tag arbeiten, was mir an sich schon fremd vorkam, und dies sollte ich in der Türkei in meiner Muttersprache machen. Ich sah es als Experiment und wollte, dass diese Zeit mir zeigt, ob ich in der Lage bin zukünftig mich auf solch ein Alltag einzustellen.

Familienangehörige aus der Türkei und auch türkische Kontakte aus Deutschland waren der Meinung, dass beim Praktikum in der Türkei nicht viel dazu lernen könne und ich auch nichts Großes erwarten soll. Sie waren der Meinung, dass Praktikanten nur einfache Aufgaben übernehmen, welche keinen großen Bezug zu meinem Studiengang stellen und mich weiterqualifizieren. Dies senkte meine Motivation immer wieder. Daher änderten sich meine Erwartungen an das Praktikum mit der Zeit auch. Jedoch wurde ich durch unsere Betreuerin jedes Mal motiviert und darauf hingewiesen, dass ich in der Zeit mich auf jeden Fall interkulturell, sprachlich fortbilden werde und nichts verlieren kann.

Daher waren in erster Linie meine Erwartungen an das Praktikum nicht mich fachspezifisch weiterzubilden, sondern interkulturelle und sprachliche Kompetenzen zu erwerben. Meine Erwartungen sind mehr als erfüllt. Mein Praktikum hat mich vielseitig weitergebildet. Ich habe gesehen wie man in der Türkei lebt. Ich habe die kulturellen Unterschiede, Gemeinsamkeiten beobachten können und auch die Arbeitswelt dort gesehen. Des Weiteren habe ich meine Sprache im Alltag aber auch branchenspezifisch verbessert. Ich habe viele neue Begriffe kennen gelernt und kann mich im Alltag auch viel besser ausdrücken. Ich habe nicht erwartet fachspezifisch viel Neues zu lernen, jedoch lag ich hier falsch. Denn ich habe mir nicht nur ein Einblick in die Branche der Wirtschaftsprüfung verschafft, sondern weitaus mehr. Ich durfte immer mitarbeiten und bekam meistens nur Aufgaben, welche mit dem Beruf in Zusammenhang standen. Vieles, was ich aus der Theorie während meines Studiums gelernt habe, konnte ich dort in der Praxis üben. Da mein Unternehmen nach internationalen Rechnungslegung Standards prüft und ich diese in Rechnungswesen gelernt habe, konnte ich mein angelerntes Wissen in der Praxis wiederholen. Meine Erwartungen an das Praktikum und an mich persönlich sind erfüllt worden und ich habe viel mehr dazu gelernt, als erwartet.

4. Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede haben Sie als Türkeistämmige aus Deutschland ihrer Heimat- und Gastkultur entdecken können? Gab es Verhaltensweisen, die Ihnen fremd waren?
Bisher war ich immer nur im Urlaub und für Familienbesuche in der Türkei. In Deutschland wachsen wir in einer anderen Umgebung mit einer anderen Kultur als die Menschen aus der Türkei auf und daher kommt uns dort einiges fremd vor. Dies ist größtenteils nicht kulturell bedingt, sondern meistens abhängig von der Umgebung. Mir waren einige Unterschiede immer bewusst, jedoch habe ich nie über diese nachgedacht und versucht diese zu reflektieren. Ich werde meine Beobachtungen versuchen mit Beispielen aus dem Alltag und Vergleiche zu Deutschland zu erzählen. Was alles zur Kultur gehört kann man schlecht trennen. Im Vergleich zu Deutschland gibt es schon auffallende Unterschiede, jedoch sind diese nicht immer mit der Kultur verbunden, sondern auch mit dem Entwicklungsstand des Landes.

Dieses Mal habe ich mich von Anfang an anders gefühlt. Ich habe mein Aufenthalt lange Zeit vorbereitet, war alleine und hatte als Auftrag dort zu arbeiten. Daher habe ich von Anfang an viel mehr aufgepasst und war nicht mehr eine Urlauberin, sondern fühlte mich wie eine Person aus der Gesellschaft, die alles erforschen wollte. Während meines Aufenthaltes in der Türkei bekam ich die Möglichkeit die Gesellschaft, das Alltagsleben, die Arbeitswelt und die Kultur zu beobachten. Ich habe versucht mir aufgefallene Ereignisse, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu notieren und werde diese im weiteren Verlauf reflektieren.

Mein Praktikum habe ich in Izmir absolviert. Izmir ist für mich keine fremde Stadt gewesen, da viele aus meiner Familie auch in Izmir wohnen. Izmir gehört zu den modernsten, entwickeltesten und schönsten Städten aus der Türkei.

Die Menschen aus Izmir sind immer sehr schick gekleidet und haben ein westliches Kleidungstil. Es gibt Menschen, die sehr offen angezogen sind, bis hin zu Menschen mit Verschleierung. Größtenteils ähnelt der Kleidungstil unseren Stil und jeder bekleidet sich je nach Geschmack. Sie sind sehr gepflegt und je nach Vorhaben passend angezogen. Im Berufsalltag herrscht wie in Deutschland ein elegantes „Business-Look“.

Nach meinen Beobachtungen habe ich keine Unterschiede in der Erziehung der Kinder im Hinblick auf meine Erziehung gesehen. Im Vergleich zur deutschen Kultur ähnelt meine Erziehungskultur der türkischen. Bis zu einem bestimmten Alter wurde ich von meiner Mutter zur Schule gebracht, mir wurde beim Essen geholfen und es wird immer noch nachgefragt, wann man zuhause ist. Solange man zuhause lebt, wird man von den Eltern „betreut“. Diese habe ich in der Türkei bei meinen Cousinen auch ähnlich gesehen. Ein Ausziehen der unverheirateten Kinder in der Türkei kommt selten vor, wenn die Familie in derselben Stadt lebt. Ich kenne es weder aus meiner Familie, noch habe ich Menschen kennen gelernt, die alleine leben. Meistens lebt man bis zur Ehe mit der Familie. Dies ist für mich keine ungewöhnliche Situation, da ich es auch aus meiner eigenen Kultur kenne. Des Weiteren wird, wie auch in unserer Familie, sehr viel Wert auf gemeinsames Essen gelegt. Die Familie wartet manchmal bis zu zwei Stunden, damit man gemeinsam essen kann.

Generell kann ich sagen, dass die Atmosphäre in der Türkei anders ist als in Deutschland. Dieses spiegelt sich in mehreren Bereichen des Lebens wieder. Im Folgenden werde ich einige meiner Erkenntnisse darstellen.

Die Arbeitsweise und Arbeitszeiten sind im Vergleich zu Deutschland in Crowe ähnlich gewesen. Es gibt lange Arbeitszeiten und oftmals Überstunden. Der Unterschied hier zu Deutschland ist, dass es eher unbezahlte Überstunden sind. Dies ist nicht nur bei Crowe so, sondern auch in anderen Unternehmen und vielen Firmen in der Türkei. Ich habe mitbekommen, dass es in vielen Unternehmen sehr schlechte Arbeitsbedingungen gibt. Die Angestellten von Crowe arbeiten professionell und detailliert. Jedoch haben sie ein polychrones Zeitverständnis. Sie versuchen mehrere Tätigkeiten gleichzeitig zu erledigen und die Zeit spielt eine untergeordnete Rolle. Ich habe ein monochrones Zeitverständnis, was sie auch manchmal gelobt haben. Ich wollte meine Aufgaben hintereinander abarbeiten und nicht verschieben. In der ersten Woche hatte ich auch Probleme mit dem Beginn der Arbeitszeiten. Es wurde mir gesagt, dass sie gegen 9 Uhr anfangen. Ich versuchte immer um Punkt 9 Uhr auf der Arbeit zu sein. Manchmal waren die Arbeiter nach 9 Uhr da und manchmal kurz vor 9 Uhr. Ich habe gemerkt, dass für die Menschen aus der Türkei die Minuten nicht relevant sind und Pünktlichkeit nicht eine große Rolle spielt. Bei Vereinbarungen nennen sie zum Beispiel nie eine exakte Uhrzeit, sondern sagen z.B. gegen 19 Uhr und haben somit einen zeitlichen Spielraum. Zudem sind sie sehr fleißig und im Vergleich zu uns einem Wettbewerb ausgesetzt. Die Arbeiter haben einen Drang nach fortlaufender Weiterbildung. Auf meine Nachfrage hin, warum sie immer nach Seminaren und Kursen suchen um Zertifikate zukriegen, lautete ihre Antwort, dass am Markt ein Angebotsüberschuss an Arbeitern vorhanden sei und sie sich immer weiterqualifizieren müssen, damit sie ihre Arbeit behalten und diese nicht verlieren. Damit hatte ich auch eine Antwort für die schlechten Arbeitsbedingungen in manchen Unternehmen bekommen.

Die Angestellten sind sehr aktiv und führen kein monotones Leben trotz der langen Arbeitszeiten. Sie gestalten ihre Freizeit auch nach einem langen Arbeitstag in der Woche und warten nicht aufs Wochenende. Nach der Arbeit war ich auch sehr oft unterwegs. In Deutschland hätte ich nach solch einem Arbeitstag keine Energie um etwas zu unternehmen. Ich denke mal, dass das sonnige Wetter einen großen Einfluss auf die Energie der Menschen in der Türkei hat. Die Menschen in Izmir sind sehr gastfreundlich und wollten mit mir immer etwas unternehmen. Von meiner Familie kenne ich die Gastfreundlichkeit, jedoch ist es in Izmir schon weit über unsere Gastfreundschaft.

Izmir gehört zu den heißesten Orten im Sommer und daher besitzen viele ein Sommerhaus am Strand um am Wochenende dort hinzufahren. Meine Arbeitskolleginnen haben mich direkt nach der ersten Woche eingeladen am Wochenende mit Ihnen gemeinsam hinzufahren. In meiner Kultur ist es ähnlich, jedoch vertrauen die Menschen dort fremden Menschen viel schneller, als wir es tun. Im Vergleich zu unserer Kultur sind die Menschen in der Türkei sehr beziehungsorientiert. Auf der Arbeit wollten sie mich erstmal persönlich kennen lernen und Vertrauen aufbauen. Man geht meistens in der Mittagspause zusammen essen und verbringt die Zeit gemeinsam mit den Arbeitskolleginnen. Die Gespräche zwischen uns verliefen sehr unterhaltsam und es wurden auch private Fragen gestellt. Nach solchen Dialogen wusste ich immer nicht, wie ich diese Personen ansprechen soll und ob ich sie siezen sollte. Nach einer kurzen Zeit war ich mit den meisten sehr gut befreundet und habe sie mit dem Vornamen angesprochen. In Deutschland bleibt man eher sachlich und versucht sich auf die Arbeit zu kontaktieren.

Zu der Hierarchie im Unternehmen kann ich keine Vergleiche machen, da ich hier kein 8-Wöchiges Praktikum absolviert habe. In Crowe herrscht meiner Meinung nach kein striktes Hierarchiesystem. Die Arbeiter waren gleichgestellt und der Chef behandelt alle sehr gut. Die Arbeitsatmosphäre war sehr angenehm. Ich konnte mich schnell einleben und habe mich sehr wohlgefühlt. Es gab immer wieder unterhaltsame Gespräche mit den Chefs. Allgemein kann man sagen, dass man sehr viel von den Älteren (Chefs) lernen kann. Sie haben sich um mich gekümmert und mir immer wieder über ihre eigenen Erfahrungen berichtet. Genauso hat es sie auch interessiert, wie es in Deutschland abläuft. Bestimmte Traditionen gibt es auch in der türkischen Arbeitskultur und im Alltagsleben. Türkischer Tee und Türkischer Kaffee gehören zu den wichtigen Traditionen. Wenn einer der Chefs kam, wurde gefragt, ob man etwas davon trinken möchte. Nach der Mittagspause hat man jedes Mal gemeinsam auch etwas getrunken. Ich finde, dass es eine zusammenbringende Wirkung hat, da alle meistens gemeinsam trinken und dies zur türkischen Kultur gehört. Ich habe gesehen, dass sie einige Angewohnheiten immer weiter führen. Genauso wie Kaffeesatz lesen, was sehr häufig in der Türkei gemacht wird.

Im Vergleich zu unseren Einkäufen machen die Türken keine Großeinkäufe und haben keine regelmäßigen festen Einkaufstage. Sie sind nicht langzeitorientiert und planen nicht viel im Voraus, sondern bevorzugen frische Zutaten. Im Vergleich zu uns vermeiden sie aber Fertigprodukte und konsumieren Bio-Produkte. Es werden im Sommer viele Vorbereitungen, wie Soßen, getrocknetes Gemüse, Früchte und vieles mehr, für den Winter als Vorrat gemacht. Damit sie im Winter keine importierten oder künstlich hergestellten Zutaten kaufen müssen.

Bargeld wird in der Türkei viel weniger verwendet und die Menschen bezahlen meistens mit einer Kreditkarte. Dies führt wiederum dazu, dass viele Haushalte verschuldet sind. Zudem kann man Zahlungsziele vereinbaren. Zum Beispiel wird im kleinen Supermarkt nebenan eine Liste geführtmit den Einkäufen, am Ende des Monates wird abgerechnet und bezahlt. Da man ein treuer Kunde ist, herrscht auch ein gewisses Vertrauen und der Verkäufer wartet mit dem Geld. Des Weiteren kann man in Einzelhandelsläden, insbesondere bei Kleidung, viel verhandeln. Ich habe gemerkt, dass es als Urlauberin mehr war. Wenn man dort lebt, dann geht man in solche Läden viel weniger rein. In der Türkei dominieren Einzelhändler und kleine Läden. In Deutschland sind es eher Kettengeschäfte mit vielen Filialen.

Die Religion spielt eine zentrale Rolle in der Türkei. Izmir gehört nicht zu den extrem religiösen Städten der Türkei, aber anhand der zahlreichen Moscheen und dem Gebetsruf hat man es im Alltag immer mitbekommen. Es hat paar Wochen gedauert, bis ich mich an den Gebetsruf gewöhnen konnte.

Sehr bemerkenswert war das andere Frauenbild in der Türkei, welches mir nicht gefallen hat. Die Wahrnehmung der Frau in der Türkei ist anders als in Deutschland. In Deutschland merkt man keine großen Unterschiede zwischen den Geschlechtern und zum Teil herrscht eine Gleichberechtigung. In der Türkei werden Frauen nicht gleichberechtigt und dies merkt man auch im Alltag. Zum Beispiel durfte ich alleine keine Unternehmungen machen und hatte weniger Freiheit als in Deutschland. Als Begründung meinten meine Familienmitglieder, dass ich als Mädchen aufpassen solle und es zu gefährlich sei. Meine Arbeitskolleginnen meinten, dass es in Izmir nicht so schlimm sei, aber es durchaus stimmt, dass man in anderen Städten vorsichtig sein sollte. Frauen werden als schwach angesehen und müssen durch Männer beschützt werden. Dies habe ich selbst anhand einer Situation gemerkt. Ich stand in einem vollen Bus neben mehreren Männern. Dann wollte ein älterer Mann mit mir seinen Platz wechseln. Daraufhin habe ich meinen Platz gewechselt und war in dem Moment froh darüber. Denn es gab oft im Bus Probleme, wenn Männer Frauen zu nahe kamen. Dies hatte bei mir auch ein anderes Bild über die Männer in der Türkei gemacht. Eigentlich fand ich es schade, dass ich so denken musste, aber nach einigen Geschehnissen entwickelte sich ein negatives Männerbild. In Deutschland war es für mich bisher nie ein Problem neben Männern im Bus zustehen, aber in der Türkei habe ich gemerkt, dass das Frauenbild anders ist und ich aufpassen muss.

5. Schildern Sie ein irritierendes Ereignis. Haben Sie dafüreine Erklärung? Denken Sie an das Interkulturelle Training für mögliche Erklärungsansätze.
Es gab während meines Aufenthaltes in der Türkei mehrere irritierende Ereignisse. Diese waren meistens außerhalb der Arbeit, auf dem Weg zur Arbeit oder in Läden.

Die Busfahrten morgens liefen meistens sehr spannend ab, doch am Anfang war es sehr irritierend. Sehr oft gab es Chaos und ich beobachtete die Menschen. Am Anfang hatte mich die Situation beängstigt, aber nach paar Wochen gewöhnt man sich daran. Die Busse sind immer unregelmäßig gefahren und manchmal musste man über 20 min für einen Bus warten. Ich musste immer 40 min mit dem Bus fahren. Nach paar Haltestellen war der Bus voll und die Menschen versuchten sich in den Bus einzuquetschen. Das Problem war, dass die Menschen morgens, aufgrund der langen Wartezeiten, sehr aggressiv waren, was nach einer Zeit für mich auch verständlich wurde. Aus diesem Grunde kam essehr leicht zu Diskussionen. Entweder berührte ein Mann ausversehen eine Frau, Jüngere standen nicht auf damit Ältere sitzen oder die Busse waren zu voll, sodass viele nicht einsteigen konnten. Auf einmal wurde geschrien, sich beschwert und als respektlos bezeichnet. Die Menschen schupsten sich gegenseitig um einsteigen zu können und es herrschte fast jeden Morgen Chaos im Bus. Ich hab mich jedes Mal gewundert, wie schnell es zu Auseinandersetzungen kommen konnte und alle sich mit einmischen. Denn innerhalb von Sekunden stieg die Stimmung im Bus und so schnell wie sie stieg, senkte sie sich. Einmal konnte eine Person nicht mitfahren, weil der Bus zu voll war und hat gegen den Bus geschlagen. Danach hat der Busfahrer auf dem ganzen Weg sich aufgeregt und den Mann beleidigt. Alle im Bus haben es gehört und niemand hat etwas gesagt, obwohl alle wussten, dass der Busfahrer die Lage übertreibt. Eigentlich hatte der Mann Recht, da er schon über eine halbe Stunde warten musste, zu spät zur Arbeit kommen könnte und nicht mitfahren konnte. Mir waren solche Momente immer sehr unangenehm, da ich nicht wusste wie ich mich zu verhalten habe. Am liebsten wollte ich den Busfahrer ansprechen und sagen, dass er vernünftig reden soll. In Deutschland wären es für mich inakzeptable Beleidigungen, welche bestraft werden sollten und ich mich auch einmischen würde. Aber niemand sagte etwas und ich traute mich auch nicht. Wenn mehrere sich beschweren, machen viele mit. Es war für mich neu, dass alle zusammen im Bus sich beschwerten, beleidigten. Jedoch bleiben sie ruhig, wenn die anderen im Bus auch nichts sagen. Dies habe ich so verstanden, dass die Gruppenzugehörigkeit in der Türkei sehr wichtig ist.

6. Wie gestalte sich Ihr Kontakt zu Ortsansässigen?
Bisher kannte ich nicht viele neue Menschen aus der Türkei außer meine Familienangehörige. Diese zwei Monate haben mir die Möglichkeit gegeben auch Kontakte mit Ortsansässigen zu knüpfen. Auf der Arbeit habe ich viele neue Menschen kennen gelernt. Die Menschen dort sind sehr gastfreundlich und wir haben nach der Arbeit gemeinsam viel unternommen. Wir waren gemeinsam an verschiedenen Orten zum Shoppen, Essen und am Deich spazieren. Da zwei neue Arbeiter mit mir angefangen haben, haben wir als Gruppe viele Aktivitäten zusammen gemacht. Zum einen wollten sie mir Izmir und verschiedene Sehenswürdigkeiten zeigen, aber hauptsächlich wollten sie innerhalb der neuen Gruppe Vertrauen aufbauen. Schwierigkeiten hatte ich am Anfang mit dieser Situation, da die Menschen dort sehr persönlich wurden und ich nicht wusste wie ich mich verhalten soll. Die Ortsansässigen haben mich auch immer wieder über die deutsche Kultur und Deutschland ausgefragt. Mit meinen Arbeitskolleginnen habe ich sehr oft über die kulturellen Unterschiede geredet. Des Weiteren habe ich im Bus eine junge Dame aus Deutschland kennen gelernt, welche seit sieben Jahren in der Türkei für ein deutsches Unternehmen arbeitet. Da mir aufgefallen ist, dass sie auf Deutsch telefoniert und ich sie schon mehrmals auf dem Weg zur Arbeit gesehen habe, habe ich sie angesprochen. Sie war sehr freundlich und hat mir vieles über die Lebensbedingungen im Vergleich zu Deutschland, ihren eigenen Erfahrungen und Schwierigkeiten erzählt. Sie war sehr zufrieden dort und hat mir auch ihre Nummer gegeben. Ich hatte auch immer wieder kurze und nette Gespräche mit Ortsansässigen z.B. im Bus über aktuelle Ereignisse. Die Menschen in Izmir sind sehr gesprächig und unterhaltsam. Ich habe mich jedes Mal gefreut, wenn ich in die Gespräche auch mit einbezogen wurde. Ich habe gemerkt, dass ich mich in Izmir keinesfalls alleine fühlen würde. Denn auf der Arbeit, aber auch Nachbarn, Freunde sind sehr offen und bieten ihre Hilfe an. Jedoch bewunderte ich immer wieder aufs Neue wie schnell sie Vertrauen aufbauen. Nun fühle ich mich in der Lage in der Zukunft schneller Kontakte zu knüpfen mit den Menschen aus der Türkei, weil ich während meines Auslandsaufenthaltes viele Gespräche mit Ortsansässigen geführt habe.

7. Schildern Sie bitte ein spannendes oder schönes Ereignis, das sich durch den Kulturaustausch ergab.
Insgesamt hatte ich sehr viele schöne Ereignisse, die ich durch den Kulturaustausch gemacht habe. Hier werde ich eins davon schildern. Ein schönes Ereignis spielte sich in der dortigen Bäckerei ab. Gelegentlich bin ich morgens dort an der Bäckerei vorbei gelaufen und habe mir etwas zu essen gekauft. Es war ein kleines Laden, welches aber immer viele Kunden hatte. Es arbeiten dort mehrere Personen, die ich schon paar Mal gesehen hatte. Mein Essen habe ich immer mit einer Karte bezahlt. Eines Morgens war die Kartenmaschine nicht da und der Arbeiter meinte, dass ich es beim nächsten Mal bezahlen soll. Dies war für mich zunächst ein irritierendes Ereignis und ich wusste nicht, was ich davon halten soll. Es war ein Freitag und ich wollte die Zahlung nicht bis Montag verschieben. Daraufhin bot ich den Arbeiter an es bar zu bezahlen. Er verneinte es und meinte, dass ich es auch später bezahlen kann und es ihn Leid tut, dass die Maschine gerade nicht vorhanden sei. Bisher ist mir so etwas nicht passiert und ich wusste in dem Moment auch nicht wie ich reagieren soll. Ich habe mich nicht wohl gefühlt und habe direkt bar bezahlt. Für mich war es ein sehr ungewöhnliches Angebot, jedoch war es für meine Arbeitskolleginnen etwas ganz normales. Anhand dieses Ereignisses habe ich nochmal gesehen, dass die Menschen sehr treu sind und schnell Vertrauen aufbauen. Die Einzelhändler in der Umgebung kennen ungefähr die Menschen, welche dort einkaufen und es gehört zu ihren Aufgaben ihre Dienstleistung vollständig durchzuführen. Da ihnen in dem Moment die Maschine gefehlt hat und ich wie immer mit Karte bezahlen wollte, wollten sie mich nicht in eine schwierige Situation stecken. Im Nachhinein fand ich die Situation sehr schön, denn ich habe gemerkt dass sie mich schon kennen und nicht als eine Fremde sehen.

8. Wie hat der Auslandsaufenthalt Ihren Blick auf Ihre eigene Kultur verändert? Tragen Sie Ihre interkulturellen Erfahrungen nach Ihrer Rückkehr mit in ihren Alltag? Beeinflussen sie Ihr Verhalten, Ihre Einstellung und Werte?
Nach der Rückkehr habe ich die Gesellschaft mehr beobachtet. Ich versuche die Unterschiede, welche ich mir notiert habe, im Alltag wiederzufinden. An einigen Stellen habe ich gemerkt, dass es doch nicht so unterschiedlich ist, wie ich es mir in der Türkei gedacht habe. Es gibt hier auch manche Unternehmen, die lange Arbeitszeiten haben, die Busse sind manchmal sehr voll und viele Menschen sind hilfsbereit. Zum Beispiel gab es viele freiwillige Helfer, damit die Flüchtlinge sich in Deutschland schnell orientieren. Als ich dort war, fand ich die Hilfe von den Mitarbeitern sehr schön und dachte, dass es ein Unterschied zu Deutschland sein kann. Eigentlich ist es kein großer Unterschied, denn hier wird auch Hilfe für Fremde angeboten. Gastfreundlichkeit gehört zu den Eigenschaften der Gesellschaft aus der Türkei. Dieses fand ich so toll, aber als ich in Deutschland war, habe ich gemerkt, dass meine Familie und Umgebung genauso gastfreundlich ist. Mein Blick auf meine Kultur hat sich nicht großartig verändert. Ich habe nach dem interkulturellen Training festgestellt, dass ich mich der türkischen und deutschen Kultur zugehörig fühle. Diese Meinung vertrete ich immer noch. Die interkulturellen Erfahrungen haben mich positiv beeinflusst. Ich fühle mich viel toleranter und bin offen für verschiedene Kulturen. Meine Einstellung im Hinblick auf die Türkei hat sich geändert. Bisher hatte mich die politische Lage dort immer beängstigt. Dieser Meinung bin ich nicht mehr.An einigen Stellen sieht man zwar, dass die Meinungsfreiheit nicht wie in Deutschland ist und die Menschen ein schwieriges Leben führen. Wenn man aber über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, könnte man dort ein schönes Leben mit hoher Lebensqualität führen. Nun fühle ich mich viel selbstbewusster und kann über meine Erfahrungen in unserer Umgebung berichten. Viele sprechen mich auf mein Auslandsaufenthalt an und fragen nach meinen Erlebnissen, was mir auch ein Mehrwertgefühl verleiht.

9. Inwiefern hat der Auslandsaufenthalt Ihre interkulturelle Kompetenz gefördert?
Interkulturelle Kompetenzen erlangt man durch einen Austausch mit verschiedenen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen. Mein Auslandsaufenthalt hat mich auf jeden Fall interkulturell gefördert. Ich habe gelernt, dass man eine Situation bzw. einen Menschen erst versteht, wenn man einige Sachen auch aus ihrer Perspektive versucht zu sehen. Manches, was mir total fremd vorkam, wie z. B. dass ich später bezahlen sollte in der Bäckerei, war eigentlich eine ganz normale Situation in der Türkei. Die Erfahrung hat mein Selbstbewusstsein gestärkt und mein Interesse an unterschiedlichen Kulturen erweckt. Wie wir bereits im interkulturellen Training gelernt haben, dass es bestimmte Normen und Regeln in Kulturen gibt, habe ich dieses in der Türkei gesehen. Man kann sich entweder anpassen oder versuchen die eigenen Regeln durchzusetzen. Zum Beispiel wollte ich mich bei der Info-Hotline von der Busgesellschaft über die unregelmäßigen Buszeiten beschweren. Meine Arbeitskolleginnen meinten, dass die auf solche Beschwerden eher weniger reagieren, weil ich es als Einzelperson mache. Dann habe ich es gelassen und habe versucht mich an diese Busfahrzeiten zu gewöhnen. Viele Menschen handeln nach ihren eigenen Werten, Normen und Erfahrungen. Deshalb sollte man auch die Kultur der Menschen kennen und nicht voreilig Urteile bilden. Als ich mein Bericht für das Interkulturelle Training verfasst habe, war ich auch Meinung, dass man offener und toleranter gegenüber anderen Kulturen sein sollte. Aber ich finde, dass man interkulturelle Kompetenzen erst erlangt, wenn man die Unterschiede der Kulturen in der Realität erlebt und diese toleriert.

10. Inwiefern hat das Praktikum Ihre (Fach-)sprachlichen Kenntnisse gefördert?
Während der Praktikumszeit habe ich mich sprachlich weiter gebildet. Ich habe mein türkisches Vokabular erweitert und kann jetzt viele Fachbegriffe aus der Wirtschaft auch auf Türkisch. In der ersten Woche habe ich Vokabellisten erstellt und diese immer wieder geübt. Während der Arbeit musste ich die Begriffe auch anwenden, daher habe ich sie mir leicht eingeprägt. Des Weiteren spreche ich die türkische Sprache seit meinem Praktikum viel selbstbewusster und fließend. Vorher habe ich die deutsche Sprache mit der türkischen vermischt und hatte Schwierigkeiten nur auf einer Sprache mich zu unterhalten. Es war für mich ungewohnt auf Türkisch zu begrüßen oder zu verabschieden. Einfache Wörter wie „Ja“ oder „Nein“ habe ich immer auf Deutsch gesagt. Mir war es unangenehm auf Türkisch zu bestellen oder im Bus vor fremden Menschen zu sprechen. Später habe ich ohne Probleme Telefonate mit den Kunden geführt und fühle mich relativ sicher. Jetzt bin ich in der Lage mich nur auf einer Sprache zu unterhalten und dabei verständliche Sätze zu bilden. Ich habe versucht Wörter zu umschreiben und die Namen herauszufinden. Meine Türkische Sprache hat sich auf jeden Fall verbessert und dies wurde auch von Ortsansässigen bestätigt. Denn zu Beginn des Praktikums wurde ich paar Mal gefragt, ob ich vielleicht aus dem Ausland käme, weil sie es anhand der Aussprache gemerkt haben. Nach dem ersten Monat hat mich aber niemand mehr darauf angesprochen.

11. Wenn Sie jetzt zurückblicken: Welche Vorteile hat Ihnen die Teilnahme am Roots-Programm für Ihren persönlichen und berufspraktischen Werdegang bieten können?
Das Roots-Programm wirbt mit dem Motto „explore jour intercultural potential“. Meiner Meinung nach ist dies sehr passend ausgewählt. Ich hatte zwei Monate Zeit in einem anderen Land zu leben und dort zu arbeiten. Für mich war es etwas ganz neues, denn ich war ohne meine Familie dort. Ich habe meine Grenzen kennen gelernt und versucht alleine klar zu kommen. Dies hat mich persönlich reifer gemacht und mir gezeigt, dass ich in der Lage bin auch in der Türkei zu leben. Ich musste mein Tag selbst gestalten, selber kochen und mein Budget dementsprechend planen. Abgesehen von meiner persönlichen Entwicklung habe ich auch sehr gute Einblicke in den Beruf des Wirtschaftsprüfers gemacht. Ich habe beobachtet wie die Wirtschaftsprüfung in der Praxis arbeitet und konnte für mich festlegen, ob ich mich solchen Anforderungen gewachsen fühle. Des Weiteren kann ich die türkische Arbeitswelt mit der deutschen Arbeitswelt vergleichen. Ich habe mir einen Weg in den türkischen Arbeitsmarkt verschafft und auch ein Arbeitsangebot von Crowe bekommen. Nach meinem Studium könnte ich dort anfangen zu arbeiten, was mich sehr gefreut hat. Da ich meinen Master machen möchte, musste ich das Arbeitsangebot zunächst ablehnen. Jedoch kann ich mir in der Zukunft vorstellen dort zu arbeiten. Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich verschiedeneArbeitsmethoden kennen gelernt habe, mein Wissen erweitert habe und Berufserfahrung gesammelt habe. Dadurch glaube ich, dass ich effizienter arbeiten werde und eine Schlüsselqualifikation erworben habe.

12. Sonstige Bemerkungen, wie z.B. zur Betreuung durch das International Office, zum Sprachkurs oder Interkulturellen Training
Im Rahmen des Roots-Programms habe ich eine sehr schöne Erfahrung gemacht, neue Menschen kennen gelernt, meine Berufschancen erhöht, meine zweite Muttersprache verbessert und meine interkulturellen Kompetenzen erweitert. Hierfür möchte ich mich herzlichst beim InternationalOffice für solch ein Programm und insbesondere bei Nurten Kurnaz für die ganze Unterstützung bedanken. Die Betreuung durch Nurten Kurnaz war sehr gut und jedes Mal persönlich. Ich wurde von Anfang an, also mit dem Beginn der Praktikumssuche, kurz vor dem Praktikum, in der Türkei und nach dem Praktikum sehr lobenswert betreut. Wir hatten diverse Einzelgespräche, die motivierend, informativ und hilfreich waren. Der Sprachkurs vor dem Auslandsaufenthalt hat uns als Einstieg beim Bewerbungsschreiben, Texte verfassen und Sprechen viel geholfen. Besonders hat mir das Interkulturelle Training während meines Auslandaufenthaltes gefallen. Es war eine sehr gute Vorbereitung und viele Trainingsinhalte haben mir in der Türkei geholfen. Im Hinterkopf hatte ich immer die Worte des Trainers, Übungen und Erkenntnisse, welche als Erklärungsansätze für einige Verhaltensweisen und Situationen in der Türkei dienten.

Insgesamt kann ich sagen, dass ich sehr zufrieden bin an dem Roots-Programm teilgenommen zu haben. Es war eine tolle Zeit, welches eine schöne Erinnerung in meinem Leben hinterlassen hat. Ich kann das Roots- Programm und ein Auslandsaufenthalt jedem weiter empfehlen.

Informationen zum Roots-Programm: uni-bremen.de/roots