Im Folgenden möchte ich meine Erfahrungen während meines dreimonatigen Praktikums in einem gemeinnützigen Kunstverein in Meran mit Euch teilen.
Auch wenn die Arbeitssprache während meines Praktikums überwiegend Deutsch war, liegen kulturell Welten zwischen der bilingualen Stadt in Südtirol und Bremen. Vorweg sei gesagt: Mein Praktikum ist insgesamt reibungslos und zufriedenstellend abgelaufen.
Auf meine Praktikumsstelle in Meran, dem Kunstverein Kunst Meran Merano Arte, bin ich durch Zufall während einer Künstlerrecherche gestoßen. Der Kunstverein zeigt auf 500 Quadratmetern Ausstellungsfläche wechselnde Ausstellungen zu internationalen und lokalen künstlerischen Positionen der Bildenden Kunst, Fotografie, Architektur, Literatur und Neue Medien. Er ist gut in der italienischen und österreichischen Galerienlandschaft vernetzt und in dieser Hinsicht eine attraktive Praktikumseinrichtung. Nachdem ich mir die Webseite des Kunstvereins genauer angeschaut hatte, stand schnell fest, dass ich dort ein Praktikum absolvieren möchte. Zu diesem Zeitpunkt nahte bereits das Ende meines Bachelorstudiums Kunst-Medien-Ästhetische Bildung und ich wollte vor Beginn meines Masterstudium noch einmal „weiter weg“ Praxisluft schnuppern. Der Alpen-Charme der Stadt Meran bei gleichzeitigem mediterranen Klima hat meine Entscheidung nur bestärkt.
Ich habe daraufhin per Mail angefragt, ob Praktikumsstellen verfügbar sind bzw. ob es sich der Verein vorstellen könnten, mich im nächsten Jahr für zwei bis drei Monate als Praktikantin zu beschäftigen. Die erste Rückmeldung war positiv und einige Monate später habe ich mich dann für einen Zeitraum von drei Monaten für ein freiwilliges Praktikum beworben. Ich bekam sehr schnell eine Zusage, ohne überhaupt ein Bewerbungsgespräch angeboten bekommen zu haben. Meine Ansprechpartnerin dort hat mir auch direkt angeboten, dass ich in der Zeit des Praktikums in der Atelierwohnung des Kunstvereins wohnen könnte. Organisieren musste ich daher kaum etwas vor dem Praktikum. Versicherungen musste ich, abgesehen von einer Auslandskrankenzusatzversicherung, keine zusätzlich abschließen, weil ich über diverse Familienversicherungen bereits versichert war.
Die Lebenshaltungskosten in Südtirol sind höher als in Bremen und als der italienische Durchschnitt. Da ich schon vor dem Praktikum mitbekommen hatte, dass das ERASMUS-Programm auch Praktika fördert, habe ich mich um ein ERASMUS-Stipendium bemüht. Ebenso wie die Bewerbung um die Praktikumsstelle lief die Bewerbung um das Stipendium problemlos ab. Dadurch, dass ich die Wohnung des Kunstvereins nutzen konnte, hatte ich im Endeffekt mit dem ERASMUS-Stipendium, abgesehen von den Fahrtkosten, kaum Mehrkosten.
Meine Wohnung lag sehr zentral, direkt in der Meraner Altstadt im dritten Stock eines denkmalgeschützten Laubenhauses, in dem auch die Galerie des Kunstvereins zu finden ist. Die Wohnung hatte eine ca. zehn Meter lange Fensterfront mit einem wunderschönen Blick auf die Altstadt, das Schloss Tirol und die umliegenden Berge. Zum Büro hatte ich eine Gehzeit von zwei Minuten. Die Wohnung war sehr gut ausgestattet, hatte einen Internetanschluss und war viel größer als meine Wohnung in Bremen. Ich dufte sogar meinen Besuch in der Wohnung unterbringen (es gab ein großes Bett und eine zusätzliche Matratze). Der einzige Nachteil war, dass es keine Waschmaschine gab. Mit dem Gang zum Waschsalon konnte ich mich aber gut abfinden, weil der Weg dorthin durch den wunderschönen Thermenpark führte.
Im Kunstverein habe ich an drei Ausstellungsprojekten mitgearbeitet. Größtenteils habe ich mich um die Pressearbeit im deutsch- und englischsprachigen Raum gekümmert. Im letzten Monat des Praktikums haben ich in Korrespondenz mit dem künstlerischen Leiter die Redaktion für ein kleines Begleitbuch zu einer Ausstellung verantwortet, die nach meiner Abreise eröffnet wurde. Dafür habe ich die englisch- und deutschsprachigen Texte lektoriert, drei kurze Künstlerbiografien geschrieben und die Vorworte überarbeitet. Die eigenständige Arbeit an diesem Projekt hat mir am meisten Spaß gemacht. Die Veröffentlichung in dieser dreisprachigen Publikation, auch wenn es nur kurze Beiträge sind, wird auf jeden Fall ein Pluspunkt bei weiteren Bewerbungen sein.
Ein zweites Highlight war eine Fahrt nach Salzburg (Partnerstadt von Meran), die vom Kunstverein veranstaltet wurde. Der Kunstverein hat dort in Zusammenarbeit mit dem Mozarteum Salzburg eine Ausstellung eröffnet, die einige Wochen später nach Meran übersiedelte. In Salzburg hat mich meine Chefin, anders als erwartet, nicht für den Ausstellungsaufbau eingesetzt, sondern mich mit meiner italienischen Kollegin aus Mailand zu einer Sightseeing-Tour losgeschickt, die bei mir einen sehr guten Eindruck von der Mozartstadt hinterlassen hat.
Generell war der Umgang unter den KollegInnen im Kunstverein sehr gut. Ich habe mich mit allen KollegInnen sehr gut verstanden und gelernt, mit sehr unterschiedlichen Charakteren zusammenzuarbeiten. Aus Deutschland bin ich es bereits gewohnt, dass im Kulturbereich ein sehr lockerer Umgang an den Tag gelegt wird, aber in Meran war es nochmals entspannter und freundschaftlicher. Alle waren mir gegenüber sehr interessiert und weitherzig eingestellt (meine Chefin hat mir bspw. öfter Feigen aus ihrem Garten mitgebracht). Im Büro habe ich mit zwei deutschen Kolleginnen und einer italienischen Kollegin zusammengearbeitet. Wir hatten aber auch eine Mitarbeiterin in einem Pressebüro in Mailand, zwei MitarbeiterInnen in der Galerie selbst und eine Kuratorin, die aber erst nach meiner Abreise dort richtig angefangen hat zu arbeiten. Mit der italienischen Kollegin im Büro habe ich größtenteils deutsch gesprochen, weil es schneller ging als mit meinem holprigen Italienisch. In den fünf Monaten vor dem Praktikum hatte ich drei Italienisch-Kurse belegt, um auch sprachlich von dem Aufenthalt in dieser bilingualen Region profitieren zu können. Zu meinem Erstaunen konnte und durfte ich kurze Pressetexte für die Website aus dem Italienischen ins Deutsche übersetzen. In der Zeit meines Praktikums habe ich zwei ItalienerInnen kennengelernt, mit denen ich ausschließlich auf Italienisch kommunizieren konnte (weil sie kein Deutsch sprachen) und ich konnte mein Lese- und Hörverstehen enorm verbessern. Die ItalienerInnen in Meran wechseln allerdings in den meisten Fällen ins Deutsche, wenn sie merken, dass man Deutsche ist. Daher hatte ich Schwierigkeiten, mich beim Sprechen zu verbessern. Mein Aufenthalt in Meran hat inzwischen den Wunsch geschürt, meine Sprachkenntnisse in meinem Masterstudium zu vertiefen und ein Auslandssemester in Italien zu verbringen.
Mittags habe ich meistens mit meinen Kolleginnen zusammen im Caffé Kunsthaus (auch im Gebäude des Kunstvereins) gegessen. Wie bereits erwähnt, sind die Lebenshaltungskosten in Südtirol hoch, weswegen einige Arbeitgeber das Mittagessen subventionieren (so habe ich es jedenfalls erklärt bekommen). Zu meinem großen Vorteil habe auch ich daher Essensbons bekommen und bin damit bis zu einem gewissen Wert mittags verpflegt worden. Vor allem beim Essen und Trinken habe ich gemerkt, dass ich in Italien bin – es geht einfach viel mehr um‘s Genießen: Ein Espresso nach dem Mittagessen darf auf gar keinen Fall fehlen, bei Geburtstagen von KollegInnen wird auch einmal eine Pause am Vormittag eingelegt und zusammen ein Veneziano getrunken usw. Insgesamt war die Mittagspause auf eine ganze Stunde angesetzt (vor allem wegen der Hitze), weswegen dann bis abends gearbeitet wurde.
Meran ist eine kleine und ruhige, touristisch ausgerichtete Kurstadt, in der es mir dennoch nie langweilig geworden ist. Ich war von Anfang Juli bis Ende September dort und habe das mediterrane Klima nach vier Jahren Bremer Regenwetter durch und durch bei Wanderungen in der Umgebung und auf Waalwegen durch Apfelplantagen und Weinhänge genießen können. Darüber hinaus bot die Nähe zu Bozen und Trient an, auch dort die Gässchen, Eisdielen, Galerien und Museen zu erkunden. Im Juli und August gab es immer den „Langen Dienstag“ mit Live-Musik in der Meraner Altstadt und ansonsten bieten mehrere Bars in der Stadt Ausgehmöglichkeiten. Bei den Ausstellungseröffnungen des Kunstvereins, die freitags abends stattfanden und vom (kostenlosen!) Buffet her opulenter ausfielen als ich es aus Deutschland gewohnt bin, ergab sich die Möglichkeit, einige Kultur- und Kunstschaffende der Region kennenzulernen.
Ich hätte gerne noch viel mehr unternommen, allerdings musste ich neben dem Praktikum aber noch meine Bachelorarbeit zu Ende schreiben, weil ich krankheitsbedingt im Frühjahr einige Wochen pausieren musste. So war es also eigentlich nicht geplant und ich empfehle jedem, Haus- oder Abschlussarbeiten vorher abzuschließen.
Es war sehr interessant, das kulturelle Leben einer bilingualen Stadt und alle damit verbundenen Reibungen und Konflikte in kultureller und politischer Sicht kennenzulernen, die man als Außenstehende und Touristin niemals mitbekommen würde. Es gibt in Südtirol leider immer noch viele Traditionalisten, die die Zweisprachigkeit nicht als Vorteil auffassen, und auch viele Vorurteile gegenüber der jeweils anderen Volksgruppe.
Während meiner Zeit in Meran habe ich viele Künstler, Kuratoren und Kulturschaffende, auch über die Landesgrenzen hinaus, kennengelernt und werde in Zukunft sicherlich von diesen Kontakten profitieren können. Das Praktikum war persönlich und für meine berufliche Zukunft sehr bereichernd und ich bin froh, mich trotz organisatorischem Mehraufwand dafür entschieden zu haben.
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