1. Mein Weg zu A&B
Eigentlich war mir schon vor meiner Ausreise in die Türkei klar gewesen, dass ich nach Möglichkeit an das Ende meines Auslandsemesters in Istanbul gerne noch mein ausstehendes Grundpraktikum anschließen möchte. Mein Optimismus in der Millionenstadt eine passende Stelle finden zu können war groß, auch angesichts der Möglichkeit den türkischen (Berufs-)Alltag aus einer ganz besonderen Perspektive erfahren zu können. Glücklicherweise sollte ich bei der Kommunikationsagentur „A&B Communications“ fündig werden, dem ältesten Unternehmen seiner Art, situiert in einem der glanzvollsten Stadtteile Istanbuls. Hier sollte ich die Chance bekommen bereits erlangtes Wissen in einem neuen professionellen Rahmen auszuprobieren, meine Sprachkenntnisse zu verbessern und eine Reihe interessanter Menschen in meinem neuen Umfeld kennenzulernen.
Über viele Ecken bis zum Erasmus+ Praktikum
Die Wochen bis zu meiner Stelle bei A&B hat mich wie wahrscheinlich nicht anders zu erwarten einiges an Ausdauer gekostet. Dabei war es weniger das finale Vorstellungsgespräch selbst, sondern der Kontaktaufbau über eine ganze Ecke von Menschen. Schon früh vor dem Ende meines offiziellen Aufenthalts an der Bahcesehir University habe ich mich selbst auf die Suche nach einer passenden Praktikumsstelle gemacht. Das hieß vor allem Webseiten studieren und aufschlussreiche, aber prägnante Bewerbungsemails schreiben. Dabei habe ich meine Suche von Anfang an groß angelegt: von der Medienproduktion über Marktforschung und sozial engagierten NGOs bis hin zu einer Forschungsstelle an verschiedenen Universitäten kam für mich einiges in Frage. Schließlich sollte es aus meiner Sicht vor allem darum gehen, etwas neues auszuprobieren und meine persönlichen Fähigkeiten weiter auszuloten. Während mir das Schreiben von vielen verschiedenen Bewerbungen schon im Vorfeld als Anregung und Reflexion meiner Interessen gedient hat, so blieben die meisten Emails unbeantwortet. Im Austausch mit anderen Suchenden wurde mir meine Situation immer klarer: Das Angebot in Istanbul ist zwar groß, aber es gibt überdurchschnittliche viel junge Menschen, insbesondere aus dem Ausland, die eine ganz ähnliche Erfahrung suchen wie ich.
Mit Blick auf den Zugang zu meinen bisherigen Praktika wurde mir dann sofort klar was zu tun ist. Bereits in der Vergangenheit haben mir insbesondere Menschen aus meinem näheren Umfeld wichtige Tipps und Stellen weitervermittelt. Es galt also auch in Istanbul mein bisher überschaubares Netzwerk anzufragen. Das bestand zu diesem Zeitpunkt insbesondere aus Kontakten aus meiner Universität, also Studierenden und Dozenten. So haben sich zeitgleich eine Professorin von mir sowie eine türkische Kommilitonin ohne weiteres nach passenden Stellen für mich umgeschaut. Das Engagement von letzterer sollte sich als besonders ertragreich herausstellen: die Mutter meiner Kommilitonin ist selbst Professorin für Public Relations an einer anderen großen Universität in Istanbul und hatte gleichzeitig eine gute Verbindung zu einer weiteren Dozentin an der Bahcesehir University. Nach der erfolgreichen Weitervermittlung sollte ich kurz vor dem Ende meines Semesters fast wöchentlich im Büro jeder Dozentin erscheinen und mir in einem Mix aus Türkisch und Englisch meine möglichen Optionen erklären lassen. Selbst nachdem der Besuch in einer kleineren Werbeagentur im geschäftigen Stadtteil Sisli nicht ganz meinen Vorstellungen entsprach, hat sie weiterhin nach einer Stelle für mich gesucht. Die Idee in einer Agentur zu arbeiten erschien mir dabei grundsätzlich spannend und interessant, schließlich hatte ich bereits vorher in einer Werbeagentur gearbeitet. Der Vorschlag mich bei einem Unternehmen mit dem Schwerpunkt Kommunikation und PR zu bewerben erschien mir daraufhin als eine gute Mischung aus Neuem und Vertrautem. Einen Motivationsbrief und einen Telefonanruf später konnte ich mich auf den Weg zum Bewerbungsgespräch bei der Agentur A&B Communications im angesagten aber auch teuren Stadtteil Nisantasi machen.
Ein Sozialwissenschaftler allein unter PR-Wölfen?
Obwohl mir von allen Seiten Mut zugesprochen worden war, bin ich am Ende nicht ohne Lampenfieber zu meinem anstehenden Interview gegangen. Meine Recherche hatte mir gezeigt, dass ich es mit einer nicht unwichtigen Firma zu tun hatte: neben der Gründung im Jahre 1974 als der ersten PR-Agentur der Türkei kann A&B vor allem internationale Marken wie Ikea, Nike, Nivea und Greenpeace zu seinen Klienten zählen. Dazu kommen namhafte türkischen Unternehmen wie die Kleidungsfirma Mavi oder die Garanti Bank. Angesichts dessen war ich sehr gespannt, wie ich mich als angehender Kommunikations-, Medien- und Kulturwissenschaftler in diesem Feld positionieren sollte. Während ich in meinem Studium sogar Praxisseminare im Bereich Marketing belegt hatte, so war meine Zeit in Istanbul vor allem von der Lektüre anthropologischer Texte gekennzeichnet. Mithilfe dieser habe ich selbst meinen Schwerpunkt auf angewandte Formen der Anthropologie und anderer Sozial- und Geisteswissenschaften gelegt, die sich in einer für mich neuen Art und Weise mit Organisationen und eigentlich fachfremden Themen wie Marktforschung auseinandersetzen. Meine Zeit bei A&B wollte ich als Chance nutzen, ein solches Setting genauer kennenzulernen.
Glücklicherweise wurde ich von meinen zukünftigen Teammitgliedern Cem, Ezgi sowie meinem Mentoren Seckin schon während des ersten Aufeinandertreffens mit offenen Armen und einer Menge Interesse an meiner Arbeit empfangen. In dem knapp einstündigen Gespräch konnte ich erfolgreich meine Motivation darstellen, als Sozialwissenschaftler eine für mich in der direkten Erfahrung noch eher unbekannte Welt besser kennenzulernen und die Potentiale von interdisziplinären Ansätzen wie beispielsweise der „Business Anthropology“ auszuloten. Auf der anderen Seite wurde ich auf meine bestehenden Fähigkeiten hin befragt, wobei insbesondere meine Kenntnisse von Kreativ-Software wie Adobe Photoshop, Premiere und After Effects auf große Zustimmung gestoßen ist. So kam ich am Ende mit viel Zuversicht aus dem Gebäude, das genau gegenüber der Straße mit den teuersten Modegeschäften ganz Istanbuls gelegen ist und machte mich durch den geschäftigen Istanbul Feierabendverkehr auf den Weg nach Hause. Bereits zwei Tage später hatte ich eine positive Rückmeldung, dass ich direkt im Anschluss an mein offizielles Semester bei A&B anfangen könnte.
2. Meine Arbeit bei A&B
Wenn ich an den Beginn meines Praktikums bei A&B zurückdenke, dann fällt mir insbesondere der erste Tag ein, an welchem ich zunächst für ein circa dreistündiges Probearbeiten geladen wurde. Hier wurde ich direkt an die Materie herangeführt: der Kunde, eine Immobilienfirma die vor allem durch neu gebaute Wohnungen mit einem Schwerpunkt auf Designerausstattung bekannt war, wollte über den aktuellen Stand ihres Unternehmens informiert werden. Dafür war eine Präsentation angefertigt worden, die jedoch grafisch überarbeitet werden sollte. Mit viel Geduld wurde mir daraufhin in wenigen Schritten das Image der Firma vorgestellt und mit dem Hinweis, ich solle doch einfach mal anfangen, an meinem Teil des Schreibtischs vor einen großen iMac gesetzt. Dabei ging mir immer wieder dieselbe Frage durch den Kopf: was mache ich hier eigentlich? Ich bin doch gar kein Grafikdesigner! Die müssen ein falsches Bild von mir haben! Zugegeben, ich habe schon diverse Flyer und sogar Webseiten entworfen, allerdings noch nie für einen richtigen Kunden, sondern höchstens für selbst veranstaltete Events, Familie oder Freunde. Jetzt kenne ich doch nicht einmal das Gewerbe, geschweige denn den Markt in Istanbul. Und zu allem Überfluss dann ist auch noch Photoshop auf Türkisch, sodass ich mehrere Minuten brauche, um überhaupt eine mir bekannte Funktion zu finden.
Eine Stunde verging, in der ich mehr oder weniger Schweißtreibend nach einer sinnvollen Gestaltungsidee suchte. Schließlich zeigte ich eine mehr als dürftige Version vor und wäre am liebsten im Boden versunken. Mein neues Team hingegen klopfte mir anerkennend auf die Schulter und teilte mir mit, das Grundkonzept sei eine gute Sache und es könnte ohne Probleme von einem der erfahreneren Designer grafisch aufpoliert werden. Außerdem sei dies eine tolle Möglichkeit für mich gewesen, erste eigene Schritte zu machen. Glücklicherweise stieß auch mein Wunsch auf Zustimmung, Photoshop und weitere Programme auch auf Englisch zur Verfügung gestellt zu bekommen.
An diesem Abend bin ich erschöpft nach Hause gekommen und habe meinem türkischen Mitbewohner von meinen Erfahrungen erzählt. Mit einem großen Grinsen erklärte er mir, dass das der türkische Weg sei: am ersten Tag wird man 110% gefordert. Das sei weniger dafür gedacht einen hohen Maßstab zu setzen, als vielmehr die Fähigkeiten der neuen Mitarbeiter zu testen. Ich war erleichtert über seine Einschätzung, aber auch die positive Reaktion meiner Vorgesetzten. So könnte ich mit Sicherheit weiterarbeiten.
Von Kachel-TV zu Youtube-Stars
Mein durchschnittlicher Arbeitstag bei A&B war auch nach meinen ersten Erfahrungen geprägt von vielen Stunden an meinem mir bereit gestellten iMac. Nachdem mir in der Anfangszeit einzelne KollegInnen genauer vorgestellt wurden, war ich alsbald mit meinem ersten eigenen längerfristigen Projekt vertraut. Eine Kollegin betreute die Bademöbelfirma Vitra, für die sie als besondere Form des Content-Marketings eine eigene Informationssendung namens Karo TV, auf Deutsch Kachel TV, produzierte. Zu meiner anfänglichen Enttäuschung war diese inhaltlich schon abgedreht, allerdings fehlte es an einem passenden Packaging in Form von Bauchbinden, Trennanimationen und vor allem einer Introsequenz. Meine Kollegin offenbarte mir daraufhin, dass sie in diesem Fall auf meine Erfahrungen mit Adobe After Effects zurückgreifen wolle, indem ich einen kurzen Einspieler für die Sendung animiere. Ich war instinktiv dankbar dafür, in einer Agentur gelandet zu sein die mich ohne Umschweife mit Arbeit betraut anstatt mich Kaffee kochen zu lassen. Allerdings war mir auch klar, dass auch dieser Job mich fordern würde. So verbrachte ich teilweise meinen vollständigen (zehnstündigen) Arbeitstag damit, mithilfe von unzähligen YouTube-Tutorials, praktischen Tipps meines Mentoren Seckins sowie einer gesunden TrialAnd-Error Meintalität eine eigene 2D Animation auf die Beine zu stellen. Glücklicherweise konnte ich mir diese Zeit nehmen und auch auf das Feedback meiner KollegInnen vertrauen.
So erarbeitete ich mir Stück für Stücke eine 30 Sekunden Sequenz, die mit vielen bunten umherfliegenden Kacheln beginnt und einem unter Spannung stehenden Fernseher endet. Der Erfolg hier für mich ganz klar im Erlernen eines für mich interessanten kreativen Prozesses in dem ich meine eigenen Ideen gefragt wurden, aber auch in der späteren Zufriedenheit meiner Kollegin. Die spätere Sendung ist mit Sicherheit über einige Flachbildschirme von Istanbuls Köfte- und Dönerrestaurants geflimmert.
Genau diese Art von freier Projektarbeit war es, die meinen Alltag bei A&B bestimmt hat. Dabei hatte ich immer die Möglichkeit, etwas Neues zu lernen. So ging es später darum, ein 3D Logo für A&B zu entwerfen, was mich zum ersten Mal seit meiner Einführung in die Medieninformatik mit aufwändigen Modellierungsprogrammen in Kontakt gebracht hat.
Zwischen diesen kleinen Kämpfen mit sperriger Software und der Suche nach neuen Ideen, konnte ich mich jederzeit auf meine KollegInnen verlassen. Gegen jede meiner Erwartungen war der Umgang in der Agentur unglaublich zuvorkommend und damit erstaunlich weit entfernt vom „harten“ Leben dass man auf den Straßen von Istanbul des öfteren zur Schau gestellt bekommen kann. Insbesondere jüngere Angestellte in ähnlichen Positionen wie ich haben mich zum Mittagessen begleitet, sich für meinen Werdegang interessiert oder einfach nur ein paar lustige Anekdoten ausgetauscht. Spannend wurde es auch, wenn ich gemeinsam mit dem festangestellten Mediengestalter ein Problem gemeinsam in die Hand nehmen durfte, beispielsweise die Gestaltung eines Firmeninternen Newsletters für A&B.
Neben diesen kleinen Momenten und Beobachtungen des Arbeitsalltags stach eine Erfahrung gegen Ende meines Praktikums besonders heraus. Nachdem ich mich mehrfach mit Designaufträgen auseinandersetzen durfte, kam mein Mentor Seckin mit einer gänzlich anderen Idee auf mich zu. Aufbauend auf der Tatsache dass ich bereits Erfahrung im Bereich der Online-Videoproduktion gesammelt hatte schlug er vor, den bereits bestehenden YouTube-Kanal eines Kundens zu überarbeiten. Dabei handelte es sich um eine Möbelfirma die Designerstücke vertreibt und sich wie in meinem ersten Projekt auch, auf Content Marketing stützt. Der YouTube-Kanal sollte sich dabei wie das hauseigene Magazin „Box in a Box Idea“ auf unterhaltende Weise über lokale Künstler informieren. Meine Aufgabe sollte es nun sein, ein Konzept für den Kanal zu entwickeln, es in regelmäßigen Abständen meinen KollegInnen vorzustellen und schließlich, kurz vor dem Ende meines Praktikums, auch dem Kunden zu präsentieren.
Dieses Projekt war insofern wichtig für mich, weil es über die bisher sehr designorientierten Jobs hinausging. Dort hatte ich endlich die Möglichkeit selbst Nachforschungen zum Themenkomplex YouTube anzustellen: welche Kanäle und Formate sind in verschiedenen Ländern beliebt und erfolgreich? Wie sieht der türkische Markt aus? Welche Erfahrungen bringe ich aus meiner Zeit bei dem Startup Endemol beyond mit, bei welchem ich aktiv an der Umsetzung verschiedener Onlineformate mitgeholfen habe? Diese Auseinandersetzung hat mir nicht nur viele neue Erkenntnisse über das Medium verschafft, sondern insbesondere darüber wie ich meine Ergebnisse präsentieren muss. Während ich diese für mich in der Regel in längeren oder kürzeren Texten festhielt, ging es speziell in den für mich angesetzten Meetings darum, meine Ideen kurz und verständlich zu formulieren. Gleichzeitig galt es hier das Feedback und die Vorstellungen meiner KollegInnen zu verarbeiten, die Stellenweise sehr unterschiedliche Erfahrungen mit „neuen“ Medien hatten.
Am Ende konnte ich aber genau wegen der scharfen Beobachtung und Reflexion dieser Unterschiede ein angemessenes Konzept erstellen. Dies zielte zunächst weniger darauf ab ein konkretes Format zu etablieren, sondern die von mir herausgearbeiteten Potenziale und besonders mögliche Probleme herauszuarbeiten. In meiner letzten Woche bei A&B hatte ich dann schließlich die Möglichkeit meine Ideen in einem Meeting direkt bei unserem Kunden vorzustellen. Für mich war das eine tolle Erfahrung, schließlich ist es immer noch etwas anderes seine Vorstellungen einem vertrautem Kreis mitzuteilen als vor einer Reihe fremder Menschen mit vielleicht völlig anderen Erwartungen. Glücklicherweise wurde ich auch in diesem Meeting mit viel Enthusiasmus erwartet und mein Konzept genauer diskutiert.
Dann musste ich wenig später meine Arbeitsstelle verlassen und damit das Projekt abgeben. Ein Blick auf den YouTube-Kanal des Unternehmens offenbart mir, dass sich dort nichts geändert hat seitdem ich gegangen bin. Dass mag viele Gründe haben, aber auch daran liegen, dass meine damalige Zusammenfassung die Chancen und Ansprüche an dieses Format angemessen transportiert hat und die Angemessenheit von Online-Video für diesen Fall noch einmal überdacht wurden.
3. Meine Zeit nach A&B
Im Rückblick bedeutet mein Praktikum bei A&B für mich vor allem eine Zeit des persönlichen Wachstums, des Ausprobierens, aber auch des Aushaltens. Mit ersterem verbinde ich den mitunter anstrengenden Weg zu meinem Praktikum, das immer wieder neue Nachdenken über meine Wünsche und Ziele und der Kommunikation eben jener in persönlichen Emails und Gesprächen. Dazu gehört auch das Gefühl des Erfolgs, am Ende zwischen der anspruchsvollen Arbeit in der Universität, dem Schreiben von Förderanträgen und dem nervenaufreibenden Alltag der Metropole mit 20 Millionen Einwohnern eine Stelle gefunden zu haben. Diese Phase hat mir zwar unweigerlich meine eigene Stress-Grenze aufgezeigt, aber auch immer wieder neue Lösungen für meine Probleme zu Tage gefördert, die mir auch in Zukunft bei der Jobsuche helfen werden.
Eine Zeit des Ausprobierens war es dann insofern, weil ich mit jedem Projekt erneut ins kalte Wasser geschickt wurde und oft völlig neue Fähigkeiten erlernen musste. Hier bin ich insbesondere dankbar für die Freiheiten und das Verständnis die mir meine KollegInnen immer wieder entgegengebracht haben. Diese Momente des Sich-verlierens in einer neuen Aufgabe, die Möglichkeit auch mal eine Abzweigung zu nehmen und eventuell in einer (inspirierenden) Sackgasse zu landen schätze ich an dem Rahmen den mir die Universität bietet. Es war schön zu sehen, dass ich diesen Modus auch bei meinem Praktikum erreichen konnte. Schön war es auch zu sehen, wie meine Teammitglieder auf meine Fortschritte reagiert haben und mich zu jeder Zeit mit Ratschlägen unterstützt haben.
Schlussendlich war die Arbeit bei A&B aber auch eine Zeit, die mir Ausdauer und einen Umgang mit meinem wiederkehrenden Gefühl des Fremdseins abgefordert hat. Obwohl ich bereits ein halbes Jahr in Istanbul verbracht hatte und mir die Stadt mit der Zeit vertrauter wurde, war es dennoch ein großer Schritt in der Türkei zu arbeiten. Schnell wurde mir klar dass zehn Stunden am Tag zum regulären Pensum gehörten und ich mich damit eher zum Istanbuler Durchschnittsarbeiter gehörte. In Kombination mit den vielen neuen Eindrücken kam ich oft sehr müde und geschafft nach Hause, obwohl ich ja die meiste Zeit an meinem schicken Applerechner verbracht hatte. Darüber hinaus hat mich nicht jede der oben geschilderten Aufgaben von Anfang an in helle Begeisterung versetzt. Schließlich waren sie doch weit von der mir bekannten sozialwissenschaftlichen Lektüre oder der praktischen Arbeit an Dokumentarfilmen entfernt, die in der Vergangenheit eher zu leidenschaftlichem Arbeiten geführt haben. Der Reiz vor eine neue, unkonventionelle Aufgabe gestellt zu werden siegte am Ende jedoch immer, sodass ich jetzt auch die längeren, etwas einsamen Stunden am Computer zu schätzen wusste.
Sobald mich aber eine Unlust auf die Arbeit packte, machte ich mich zumeist einfach auf den Weg in die winzige Küche auf unserer Etage, um mir dort einen türkischen Schwarztee einzuschenken. Mit dem kleinen Glas auf einer Untertasse, Löffel und einem Stück Zucker in der Hand balancierte ich dann zurück zu meinem Arbeitsplatz. Zusammen mit einem Simit, dem türkischen Sesamkringel welchen ich mir häufig an einem der unzähligen Straßenstände geholt habe, konnte ich meist besser über meine eigene Situation nachdenken. Es fühlte dann oft surreal an so weit weg von dem zu sein was ich Zuhause nenne und gleichzeitig so sehr eingebunden zu sein in einer mir immer wieder fremd erscheinenden Welt.
Diese Gefühle hätte ich gerne mit meinen KollegInnen besprochen, allerdings habe ich mich häufig nicht getraut, mit dem Gedanken im Hinterkopf mich lieber „durchzubeißen“ und weiterzuarbeiten. Im Rückblick bereue ich diesen Schritt etwas, da ich sicherlich interessante und vor allem auch hilfreiche Einblicke aus dem Leben meiner Teammitglieder hätte bekommen können, beispielsweise darüber wie sie mit kleineren oder größeren (Sinn-)Krisen umgehen. Der vorgezogene Wunsch, ständig stark und ausdauernd zu sein hat mich so am Ende eventuell mehr Kraft gekostet.
Allerdings habe ich mir im gleichen Zug immer wieder Zeit genommen und mit meinen Freunden im In- und Ausland über meine Erfahrungen zu sprechen. So konnte ich über die Vor- und Nachteile meines Praktikums debattieren und hilfreiche Anregungen bekommen.
Viele Freunde und Bekannte haben meine Arbeit mit großem Interesse verfolgt und mich immer wieder davon überzeugt, das Praktikum als einen Einblick und Chance wahrzunehmen. Hier war es insbesondere spannend mit Kommilitoninnen aus den eigenen Reihen zu sprechen. Für viele war der Zusammenhang zu meinem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaften sofort ersichtlich, während ihnen der Bezug zur Anthropologie oft unklar blieb. Dabei war es für mich eine großartige Möglichkeit die zunächst „fremde“ Welt von A&B und der Kommunikationsarbeit im weiteren Sinne kennenzulernen. Dieses Wissen bietet mir unersetzliche Anknüpfungspunkte für meine weitere Auseinandersetzung mit anderen Arbeitsplätzen. So ist mir zum Beispiel klar geworden, dass ich nicht einen ganzen Arbeitstag am Computer verbringen kann, so gerne ich auch mit Programmen wie Photoshop arbeite. Gleichzeitig reizt mich der Umgang in der Agentur, die Art Probleme kreativ und als Team anzugehen. Meine eigenen Ideen und Vorstellungen zu kommunizieren und dabei Kompromisse für dieses Team einzugehen ist wahrscheinlich die schönste und wichtigste Erkenntnis, die ich aus meiner Zeit bei A&B mitnehme.
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