Als Diplom-Student der Elektrotechnik an der Universität Bremen ist es Teil der Studienleistung, ein Industriepraktikum zu absolvieren. Bevor die Sache für mich konkret wurde, hatte ich schon öfter Studienkollegen davon schwärmen gehört, dieses Praktikum im Ausland zu absolvieren, um so das Nötige mit dem Praktischen zu verbinden.
Da traf es sich gut, dass mein „Heim-Institut“ an der Universität Bremen, das Institut für elektrische Antriebe, Leistungselektronik und Bauelemente (IALB) vor einigen Jahren begann, in regelmäßigen Abständen Praktikanten nach Amerika zu bringen.
Aus der Träumerei wurde spätestens mit der Nachfrage durch Prof. Kaminski vom IALB eine konkrete Möglichkeit. Dem ersten Kontakt mit ABB New Berlin, Wisconsin, folgten einige Formalitäten und ein Besuch in der US-amerikanischen Botschaft in Berlin. Mitte April 2015 stand ich dann plötzlich am General-Mitchell-Airport Milwaukee und wartete auf meinen Betreuer und inzwischen guten Freund.
In New Berlin betreibt die ABB ein Entwicklungszentrum sowie eine Produktionsstätte für Frequenzumrichter bis zu einigen Megawatt Umrichterleistung. Im Entwicklungsteam wurde ich sehr herzlich und freundlich empfangen und war ab sofort für ein halbes Jahr Teil des Teams. Auf der einen Seite arbeitete ich an der Berechnungen und Auslegungen von Schaltungen und Bauteilen, auf der anderen Seite hatte ich einen sehr praktischen Teil, begonnen beim Messen von Leckströmen im Bereich von Pikoampere (ein billionstel Ampere!) bis zum Testen von Leistungshalbleiterbauelementen im Bereich einiger Kiloampere. Auch Reparaturen, Anschluss und Inbetriebnahme großer Motoren (im Bereich einiger Megawatt) und die Verdrahtung von Schaltschränken gehörten zu meinen Aufgaben. Die Bandbreite und Vielseitigkeit der Aufgaben war also sehr groß und entsprechend lehrreich.
Von Wisconsin selbst wusste ich vorher nicht allzu viel: es liegt am Lake Michigan, Chicago ist in der Nähe und es muss irgendwo die Milwaukee Mile geben, von der Mark Knopfler in Speedway at Nazareth singt. Aber das war es dann auch schon.
Meine ersten Wochen verbrachte ich in einem Hotel in Brookfield, ganz in der Nähe der Arbeit. Dies diente als Basis zur Wohnungssuche. Es ist gar nicht so leicht, eine Wohnung in den USA zu finden, wenn man keine Kreditwürdigkeit besitzt. Weiterhin bestanden die meisten und besten Angebote aus Langzeitmietverträgen, was in meinem Fall bedeutet hätte, dass ich mindestens zwölf Monate mieten muss.
Nach einigen Wochen des Suchens fand ich aber doch eine schöne Wohnung. Um die nichtvorhandene Kreditwürdigkeit auszugleichen bat ich meinen Manager um ein paar Worte zu meiner Situation auf meiner Gehaltsabrechnung und das bewirkte Wunder.
Die neue Wohnung war in West Allis, in den westlichen Vororten Milwaukees. In dieser Stadt liegt auch tatsächlich die Milwaukee Mile, die älteste aktive Rennstrecke der Welt.
Während der Wohnungssuche mussten noch einige Formalien erledigt werden. Dazu ein Drogentest (dieser ist sehr typisch, wenn man in Amerika eingestellt wird) und es musste eine Social Security Number (SSN) beantragt werden, da ich ja in einem Arbeitsverhältnis stand und somit auch Steuern zahlen musste.
Parallel zu den eher administrativen Aufgaben nahm ich an verschiedenen kulturellen Aktivitäten teil. Eine meiner ersten typisch amerikanischen Aktivitäten war der Besuch im Miller Park um ein Baseball-Spiel der Brewers zu sehen. Von meinem Kollegen bekam ich nach dem Spiel und meinem ersten wirklichen Kontakt zu Wisconsins Braukunst einen signierten Baseball geschenkt.
Mit einigen Bekannten besuchte ich mehrere Brauereien, darunter die Lake Front Brewery und die Miller Brewing Company. Zu meinem Lieblingsbier wurde dennoch Spotted Cow von der New Glarus Brewing Company, welches auch eines der bekanntesten Biere Wisconsins ist.
Generell gibt es in Wisconsin im Sommer viele Großereignisse, dazu gehört mit größter Bekanntheit das Summer Fest, auf dem viele nationale und internationale Stars auftreten und welches mit einer Laufzeit von mehr als einer Woche auch das längste ist. Dem Summer Fest folgen dann mehrere kleinere Feste, angefangen beim Polish Fest bis zum German Fest. Dort wird mit landestypischen (oder das, was Amerikaner für landestypisch halten) Kostümen und viel Bier den Einwanderern und gegebenenfalls den eigenen Wurzeln aus Europa gedacht. Die Festival-Saison endet mit dem Oktober Fest, welches erstaunlich realistisch ist, wenn man es mit dem Original vergleicht.
Daneben bietet Wisconsin aber auch gerade im Norden sowie im Westen sehr schöne Natur. Große Wälder und Gletscherendgebiete sind besonders im Westen zu finden, nur einige Autostunden von Milwaukee entfernt.
Häufig bot sich auch die Gelegenheit an Paraden und Flugshows teilzunehmen. Das Foto zeigt einen Teil der Parade am Memorial Day (Gedenken an die gefallenen Soldaten).
Nach vielen Aktivitäten und vielen Arbeitsstunden hielt ich drei Tage vor Abflug und damit Ende des Praktikums eine Abschlusspräsentation vor meinen Teamkollegen. Es war für mich nach einer sehr lehrreichen und interessanten Zeit in Amerika erstaunlich schwierig, Good Bye zu sagen.
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