Zeichen setzen?!

Heute beginnt die WM 2022 in Katar. Zweifelsohne die umstrittenste WM in der Fußballgeschichte. Der Versuch mit der Ausrichtung der WM in Katar das kleine Land für den Rest der Welt sichtbarer zu machen, ging nach hinten los. Statt positiver Rückmeldungen der Fans beherrschen negative Schlagzeilen und Infos die Medien. Es ist die Rede von der „WM der Schande“. Doch wieso eigentlich?

Katar betreibt nicht erst seit gestern Sportswashing. Ein Wortspiel aus Whitewashing und Sport. Es beschreibt die Absicht das Ansehen durch diverse Sportveranstaltungen und die damit einhergehenden positiven Rückmeldungen in den Medien zu verbessern. Der Sport wird dazu genutzt das Image aufzupolieren. Es bedeutet aber leider nicht, dass sie auch hinter den Werten stehen. Sportswashing betrieb Katar bereits mit anderen Sportarten, wie zum Beispiel Tennis, Golf und Handball. Der größte Erfolg kam dann 2010 mit der Vergabe der WM an Katar. Das größte weltweite Sportereignis. Doch statt mehr Ansehen, Ruhm und Macht folgen seit Jahren Kritik. Dass die Vergabe gekauft war und Korruption eine große Rolle spielt, ist teilweise bewiesen. Zwei der damaligen Mitentscheider mussten daraufhin das Komitee verlassen. Zu dem bestanden 2010 andere Vergabekriterien als heute. Einhaltung von Menschenrechten stand nicht mit auf der Liste. In einem Interview sagt Sepp Blatter zudem, dass die Bewerbung nur angenommen wurde, weil kaum jemand dachte, dass Katar eine Chance hätte. Auch er ist 2016 als Präsident der FIFA schließlich zurückgetreten. Eine sehr gute Doku zu dem Verlauf der Vergabe und dem Stand jetzt findet ihr beim ZDF – Geheimsache Katar.

Eine derartige Publicity zu bekommen, damit hatte Katar nicht gerechnet. Kaum eine Dokumentation oder ein Artikel spricht positiv über das, was dort seit Jahren geschieht. Extra für die WM wurden neue Stadien gebaut, die Infrastruktur wurde verbessert in Form eines Bahnnetzes und auch neue Hotels wurden gebaut. All das wurde hauptsächlich von Gastarbeiter:innen erbaut. Unter schlechten Arbeitsbedingungen, wie beispielsweise 50 Grad im Sommer in der prallen Sonne oder 6-Bett Zimmern auf 8 qm, errichteten sie alles für die WM. Löhne wurden teils nicht ausgezahlt, Demonstrationen dazu unterdrückt oder Menschen festgenommen. Frauen waren sexuellen Übergriffen ausgesetzt und wurden daraufhin ausgewiesen. Die Liste der unmenschlichen Behandlungen ist lang. Offiziell sind laut FIFA und Katar nur 3 Menschen in Verbindung mit den Arbeiten gestorben. The Guardian sprach, unter Berufung eines Berichts von Amnesty International von 2021, von ca. 6.500 toten Arbeitsmigrant:innen. Leider ist es nicht möglich eine genaue Zahl zu ermitteln aufgrund der ungenauen Statistiken Katars.

Die erbauten Stadien sind zu dem eine große Ressourcen Verschwendung. Kaum eines der Stadien wird danach noch dauerhaft Verwendung finden. Die meiste Zeit ist es dort zu heiß zum Spielen, weshalb die WM auch in den Winter verlegt werden musste. Auch das führte zu Protesten in einzelnen Ländern, da alle Spiel- und Trainingspläne verschoben werden mussten. Des Weiteren sind die Sitze mit Belüftungen ausgestattet, um die Temperaturen erträglicher zu machen. Da die Stadien aber nicht geschlossen sind, versteht sich von selbst, wieso dies eine Ressourcenverschwendung ist. Gleichzeitig steckt Europa in der Energiekrise. Von den Materialien und der Energie, die für den Bau benötigt wurden mal ganz abgesehen.

Doch damit nicht genug. Katar äußerte sich mehrfach in der Vergangenheit frauenfeindlich und homophob. In dem oben empfohlenen Video wurden Frauen als verpackte Süßigkeit beschrieben und homosexuelle Menschen ein Hirnschaden nachgesagt. „Excuse me, wir haben 2022“ springt da in meinem Kopf ganz laut auf. Auch wenn die Gleichberechtigung in Europa noch nicht erreicht ist, in Katar ist man noch Lichtjahre davon entfernt. Als Person die sich selbst als Frau liest, kann ich allein deswegen die WM in Katar nicht unterstützen. Das hat nicht nur etwas mit der Kultur zu tun, hier wird es politisch. Und es geht schon lang nicht mehr nur um den Sport. Der Sport und in dem Falle der Fußball wird instrumentalisiert und zum Spielfeld der Politik. Gesellschaftliche und strukturelle Missstände werden sichtbar. Sie stehen im Rampenlicht. Die Frage ist, was bleibt davon? Verhallen die empörten Rufe nach der WM oder können sie etwas nachhaltig verändern, beispielsweise die Vergabe Kriterien? Viele Wünschen sich auch ein Zeichen der Spieler. Das ist verständlich, doch gleichzeitig dem ganzen nicht gerecht. Sie arbeiten ihr Leben lang auf dieses Ziel hin, mindestens ein Mal in der WM mitspielen. Einerseits ist bei den Spielern eben der Wunsch da, dies auf der Karrierelaufbahn zu erreichen und zum anderen sind da Vertragskonditionen. Die Entscheidung und den Wunsch nach Handlung auf einzelne Spieler zu verlagern, statt von Verbänden oder gar der FIFA selbst ist ein strukturelles Problem, was in der Politik ebenso häufig vorkommt. Zeichen setzten dagegen einzelne Städte, die kein Public Viewing diesmal veranstalten, Fans die mit Bannern ihre Haltung zeigen und Kneipen, die die Spiele nicht zeigen. Unter dem Hashtag #keinkatarinmeinerkneipe findest du diverse Kneipen, die stattdessen eine Alternative zum gemeinsamen Fußball gucken anbieten. Im Tequila kann man alte WM spiele sehen und wünschen. Im Haifi werden alte Werder Bremen spiele gezeigt. Wer also einfach gemeinsam Zeitverbringen will, kann das dennoch tun, auch mit Fußball! Und mit dem Boykott der Städte und Kneipen trifft es den Geschmack der Bremer: innen. Bei einer Umfrage von Buten und Binnen geben von 4.068 Befragten ganze 61% an gar keine Vorfreude zu empfinden. Mehr als die Hälfte finden zudem, dass es eine schlechte Entscheidung war, dass Deutschland an der WM teilnimmt.

 

Und auch die Ergebnisse unserer Befragung spiegeln das wieder. In der vergangenen Woche haben wir euch via Instagram gefragt, ob ihr die WM schauen werdet und was die Gründe für oder dagegen sind. Das Gleiche habe ich mit meinem privaten Account gemacht, um zu sehen, ob sich meine Bubble extrem von den Leser:innen unterscheidet. Die Ergebnisse haben mich nicht überrascht, sondern spiegelt die Gespräche der letzten Wochen wieder. 80% der Eule Leser:innen haben angegeben, die WM nicht zu schauen. 17% wissen es noch nicht und 3% werden es schauen. Bei meiner privaten Umfrage haben ebenso 80% mit nein gestimmt, 16% mit vielleicht und 4% mit ja. Viel interessanter waren jedoch die Angaben, wieso sie es nicht schauen werden. Gründe waren:

  • Korruption
  • Frauenrechte
  • Klimamissachtung und Nachhaltigkeit
  • LGBTQ+ Rechte
  • Generelle Gleichberechtigung
  • Arbeitsbedingungen und Rechte
  • Sexismus
  • Kafala-System und Umgang mit Gastarbeiter:innen

Gründe dafür waren:

  • Liebe zum Fußball
  • Unterstützung der Mannschaft
  • Das Problem begann früher. Es ist zu spät.
  • Erst durch die Vergabe, wurde das alles sichtbar.

Am Ende ist es allen selbst überlassen, ob sie es schauen möchten. Jede:r hat seine/ ihre Herangehensweise. Für mich bleibt es am Ende dennoch beim Boykott. Auf jedes Argument, es doch zu schauen, fällt mir mindestens ein Gegenargument ein. Ich schaue seit Jahren keine Länderspiele mehr, denn die Missstände gibt es nicht erst seit gestern und nicht nur in Katar. Seit 2010 und der Vergabe hat sich auch in Deutschland viel verändert. Es ist Zeit auch den Fußball in das Jahr 2022 zu holen und nicht nur 25 Männer im Komitee über derartiges bestimmen zu lassen, wie damals. Mein Punkt ist, ein Land, dass mit Menschen derartig umgeht, diskriminierend und menschenverachtend ist, stellt sich nun als Opfer der westlichen Welt dar. Wir würden Vorurteile gegen arabische Länder gewinnen lassen. Täter-Opfer-Umkehr at it’s finest. Und auch wenn erst durch die Vergabe diese Missstände ins Rampenlicht kamen, möchten wir mit unseren Einschaltquoten dies unterstützen? Meiner Meinung nach ist es Zeit Zeichen zu setzen. Missstände und Ungerechtes Behandeln gibt es leider auf der ganzen Welt, das können wir durch einen Boykott nicht verhindern. Doch während wir im warmen und trockenen sitzen, man als Individuum aus der Ferne wenige Möglichkeiten hat die Problematiken sichtbar zu machen, ist es da nicht das mindeste zu zeigen bis hier hin und nicht weiter? Das ist zu viel? Durch den Boykott gibt es weniger Einschaltquoten, das wiederrum ist für Sponsoren & Co. wichtig. Dreht sich die PR für alle Beteiligten zum Negativen, so werden sie in Zukunft hoffentlich zweimal überlegen, ob sie bestimmte Sachen unterstützen. Am Ende verlasse ich mich auf mein Bauchgefühl und meinen moralischen Kompass. Und der sagt mir: Es ist genug.

 

Video Tipps zum Thema Boykott:

 

Weitere Quellen:

https://www.dw.com/de/faktencheck-wie-viele-menschen-sind-f%C3%BCr-die-wm-in-katar-gestorben/a-63751029

https://www.zeit.de/sport/2022-11/fussball-wm-katar-2022-kritik-faq?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F

1 Kommentar
  1. Christina
    Christina sagte:

    Hallo liebe Monique,
    vielen Dank für deinen Beitrag und dass du die Auswertungen deiner Umfrage geteilt hast! Weiter so! 👏👏👏

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