Einleitung
Einen Erfahrungsbericht zu schreiben liegt nicht nur im Interesse des DAAD, sondern es stellt auch eine Möglichkeit dar meine gesammelten Erfahrungen zu verarbeiten und zu dokumentieren. Hiermit möchte ich meine zahlreichen Erlebnisse, im wunderschönen Ruanda verschriftlichen.

Ich bin nun 22 Jahre alt und konnte meinen Geburtstag, abseits der Norm, im „Land der tausend Hügel“ wie Ruanda genannt wird, zelebrieren. Ich kam im Rahmen meines Public-Health-Studiums im fünften Semester hierher. Durch meinen Studiengang habe ich die Möglichkeit ein Praktikum in frei wählbaren gesundheitsbezogenen Betrieben oder Organisationen zu absolvieren. Durch eine gute Freundin bin ich auf die nichtstaatliche Organisation „Growing Health Germany e.V.“ und dadurch auf ihre lokale Schwesterorganisation „Kuzamura Ubuzima“ aufmerksam geworden, die in der Stadt Huye der südlichen Provinz Ruandas operiert. Ziel dieser Organisation sind zum einem die Versorgung von Patient*innen in Krankenhäusern mit Mahlzeiten, da die Krankenversicherung Verpflegung nicht einschließt und zusätzlich Präventionsprojekte mit verschiedenen Dörfern der Umgebung durchführt. Dabei werden Kurse zu rückenschonendem Arbeiten gegeben, sowie Workshops zu Ernährung, Impfungen, sexueller Aufklärung und Hygiene als auch Permagardening, einer nachhaltigen Methode der Landwirtschaft. Meine Aufgaben umfassen Öffentlichkeitsarbeit, statistische Auswertungen, Gesundheitsaufklärung sowie Ernährung.

Bewerbungsvorbereitungen
Zugegeben war das Interesse an meinem Gastland während Vorbereitung der Bewerbung noch nicht großartig vorhanden. Dies hing weder mit einem Desinteresse für das Land, noch einer Zweitwahl-Situation zusammen. Vielmehr ging der kleine afrikanische Binnenstaat der Größe Albaniens neben den großen Nachbarn wie der Demokratischen Republik Kongo,Tansania und Kenia schlichtweg unter. Dies hielt mich jedoch nicht davon ab, meinen eigenen Horizont zu erweitern und das Land im Vorfeld nochmal besser kennenzulernen und mich im Vorfeld verstärkt mit dem Land und seiner Geschichte sowie Kultur auseinanderzusetzen.

Die Bewerbung auf das Praktikum gestaltete sich zu meiner positiven Überraschung als simpel und unkompliziert. Ich erhielt die E-Mail-Adresse des deutschen Vereins durch eine befreundete Kommilitonin und reichte meine Bewerbungsunterlagenmitsamt Qualifikationen, Motivationsschreiben und Lebenslauf ein und war trotz des zweiten Jahres der Pandemie überglücklich, eine vorläufige Zusage zu bekommen. Auch die Organisation der Unterkunft stellte kein Problem dar, da ich im gleichen Zuge den Kontakt der „RVCP“ bekam. Die „Rwandan Village Community Promoters“ sind eine NGO, die in ähnlichen Belangen wie meine Gastorganisation operieren und ihr „Head of Finances“ Briand begrüßte mich als mein Host mit einzigartiger Gastfreundlichkeit. Auch hier waren die Buchung und die Hausregeln ganz einfach. Die Miete wird entweder als Einmalzahlung für den gesamten Zeitraum oder monatlich an Briand abgetreten, der auch darüber hinweg sieht, wenn die Zahlung mal für ein bis zwei Wochen aussteht.

Die Beantragung des Visums hingegen gestaltete sich eher als schwierig, da man aus einer Bandbreite von Aufenthaltsgenehmigungen wählen kann. Gottseidank greift man sich unter Studierenden unter die Arme und schlussendlich war es klar, dass ich das U2-Visum benötige. Allerdings ist für die Beantragung ein polizeiliches Führungszeugnis notwendig.Durch ein ständiges Hin und Her mit den deutschen Behörden gilt daher mein Tipp: Man kann sich nie früh genug um seine Dokumente kümmern. Gottseidank ist Ruanda in derartigen Angelegenheiten nachsichtiger und akzeptiert auch eine einfache Fotokopie des Führungszeugnisses.Die Flüge hingegen sind unkompliziert buchbar und mit Kigali als international vertretenen Flughafen, gibt es mitunter Direktflüge aus Frankfurt oder Hamburg sowie Flüge mit Umstieg in Amsterdam, London, Paris und weiteren Metropolen Europas. In diesem Zuge empfehle ich jedem noch-mal ein zweites Gepäckstück mitzunehmen, selbst wenn man es kaum bis gar nicht befüllen kann.Die schiere Menge an Souvenirs und Mitbringsel führten bei mir zu prall gefüllten Koffern am Tag der Abreise.

Hinsichtlich der Testungen, die sowohl für die Ein- als auch Abreise von Nöten sind, ist es unabdingbar sich zeitig beim Auswärtigen Amt nach den aktuellen pandemischen Bestimmungen zu erkundigen. Diese Regelungen werden mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Zukunft gelockert oder gänzlich abgeschafft.

Die Ankunft und die ersten Tage
Bei meiner Ankunft wusste ich noch nicht genau, was mich erwartet, da meine theoretische Vorstellung des Landes natürlich von der Realität abwich. Angekommen in der Hauptstadt Kigali, ging eigentlich alles recht schnell. Der Stempel des Visums wurde prompt in meinen Reisepass gesetzt und ich begab mich weiter zur PCR-Testung am Flughafen. Sobald auch das erledigt war, holte ich mein Gepäck und ging in Richtung Ausgang. Daraufhin sollte mich ein Freund meines Hosts abholen. Da mir jedoch nicht bewusst war, dass es am Flughafen einen gesonderten Ausgang für quarantänepflichtige und einen für geimpfte Einreisende gibt, nahm ich den falschen und stieg schlussendlich in das Auto einer Frau, die sich mehr Geld als für die Fahrt eigentlich vorgesehen war in die eigene Tasche steckte. Somit habe ich direkt auf Anhieb gelernt vorsichtiger zu sein, da sonst die Gutgläubigkeit schnell ausgenutzt wird. Allgemein entwickelte sich bereits binnen der ersten Wochen das Gefühl dafür, wann eine Person versucht, aufgrund des Erscheinungsbildes die Preise hochzutreiben.

Angekommen im Hostel, traf mich der Freund meines Hosts und ich schilderte ihm die Situation. Nachdem sich nun die Lage für uns beide beruhigt hatte,entschlossen wir uns essen zu gehen und ich hatte meine ersten reellen Kontakte mit Ruanda. Divin, wie sich der Freund nannte, half mir dann auch schnell meine SIM-Karte zu bekommen und brachte mich am Folgetag zum Kigali-Busbahnhof. Man sollte definitiv auf die zahlreichen Sinneseindrücke aufgrund des regen Treibens unabhängiger Verkäufer*innen von Snacks, Getränken oder kleineren Kleidungsaccessoires vorbereitet sein. Zudem bieten viele Angestellte der Busunternehmen direkt ihre Hilfe beim Ticket kauf an. Insofern man bereits über ein Ticket verfügt, begleiten diese einen zum Bus. Die Busfahrten sind zwar etwas anstrengender, bieten jedoch Möglichkeiten in das Eintauchen einer hügeligen und sattgrünen Szenerie, da man durch zahlreiche idyllische Berglandschaften fährt und den Ausblick jedes Mal aufs Neue genießen kann. In Ruanda liegt das Tempolimit aus Sicherheitsgründen bei 80 km/h, wodurch Fahrten auch trotz vergleichsweise kurzer Streckenlänge sehr lang werden können. Angekommen wurde ich durch jene Kommilitonin und einer neu gefundenen Weggefährtin, später auch gute Freundin, in Empfang genommen. Daraufhin fuhren wir gemeinsam mit dem Taxi zum RVCP-House. An den ersten Tagen zeigten sie mir die Stadt, darunter den lokalen Markt, Cafés, unser Büro und weitere Anhaltspunkte der Stadt, um mir ein gewisses Maß an Orientierung zu verschaffen. Meine Unterkunft war recht groß und herrlich antiquiert eingerichtet und führte zu Momenten der Sentimentalität in den letzten Tagen vor der Heimreise.

Dos und Don’ts – ein kultureller Überblick
Kulturell war ich durch meine Kommilitonin vorbereitet worden. Ich packte als Alltagsklamotten vor allem lange Hosen ein, da kurze Hosen außerhalb anscheinend eher von Sporttreibenden, Jugendlichen und ärmeren Leuten getragen werden. Auch wird penibel auf die Sauberkeit der Schuhe geachtet, da diese als krankheitsbringend eingestuft werden, insofern sie schmutzig sind. Zuhause hingegen war man völlig frei in seiner Kleidungswahl. Viele der Verhaltensweisen lernt man allerdings erst im Laufe des Aufenthalts. Ein riesiges Tabuthema stellt der Genozid im Jahr 1994 dar, der bis heute aufgearbeitet wird. Daher ist es nicht unverständlich, die Frage nach der ethnischen Zugehörigkeit der Menschen unter Strafe zustellen. Abseits dessen sind die Konsequenzen etwaiger Zuwiderhandlungen nicht problematisch, sondern lediglich mit merkwürdigen oder interessierten Blicken verbunden.

Ein Paradebeispiel stellt hier der Transport von Einkäufen dar, der meist doppelt in braune Papiertüten gepackt wird. Lebensmittel in der Hand zu transportieren kann durchaus irritierend wirken. Ebenso muss man sich zum aktuellen Zeitpunkt im Klaren sein, dass man als europäisch aussehende Person, abseits touristischen Hotspots wie Musanze oder Kigali, häufig die Blicke der Menschen auf sich zieht. Diese sind jedoch interessierter Natur, insbesondere von kleinen Kindern, die u. a. erstmalig eine weiße Person sehen und daraufhin ganz aufgeregt „Umuzungu!“ rufen. Das Wort „Muzungu“ bedeutet ursprünglich entweder „Wanderer” oder „Herumirrender”, beschreibt jedoch zeitgenössisch eine westliche, wohlhabend wirkende Person. Dabei ist das Wort meist nicht beleidigend gemeint, sondern als respektvoll zu werten. Anders als in anderen Ländern bedeutet das jedoch nicht, dass man ein potenzielles Ziel für Straftaten, sondern einen eher spendablen Kunden darstellt.

Die gesamte Bevölkerung wirkt entschlossen, nach den jüngsten historischen Ereignissen das Land Hand in Hand als eine große Gemeinde aufzubauen. So sind viele Projekte darauf ausgelegt die vulnerablere Bevölkerung zu unterstützen. Die Menschen, sind nach anfänglicher Zurückhaltung überaus hilfsbereit und offen. Es kommt vor, dass man hin und wieder auf der Straße angesprochen wird, unbefangen ein paar Sätze ausgetauscht werden und dann weiter des Weges gegangen wird. Als ruandische Eigenart lässt sich sicherlich das Arbeitstempo nennen. Menschen arbeiten hier eher entspannter. Selbst in Krankenhäusern, wenn Personen mit Notfällen in die Klinik kommen. Besonders für die angehenden Ärzt*innen aus Europa, die ich hier kennenlernen durfte, ist dieser Umstand arg gewöhnungsbedürftig. Überdies gibt es das Konzept der „african time“. So wird erwartet, dass man bei Verabredungen etwa eine bis zwei Stunden zu spät erscheint. Pünktlich oder gar zu früh bei jemandem zu Hause zu erscheinen gilt als sehr störend, da sich der oder die Gastgeber*in verpflichtet fühlt den Gast nun zu beschäftigen, während man noch mit den eigentlichen Vorbereitungen beschäftigt ist.

Alltag und Arbeit
Besonders gut hat mir die Fortschrittlichkeit der Ruander in Gesundheitsangelegenheiten gefallen. Hier wird, anders als in vielen europäischen Ländern, vor allem auf die Prävention von Krankheiten als auf eine kurative Behandlungsweise gesetzt. Weiterhin ist mein Studiengang Public Health ein beliebtes und populäres Arbeitsfeld.

Nach einer doch sehr ausgiebigen Einführung in das Land selber besteht weiterhin die Frage, wie sich eine normale Woche mit meiner Organisation und der anhaltenden Pandemie zusammensetzt. Man wacht natürlicherweise irgendwann früh morgens auf und arbeitet vom Homeoffice oder Co-Working-Space aus in den Belangen der Organisation, Universität oder privaten Angelegenheiten. Im Co-Working-Space hat man die Möglichkeit auf Kaffee- und Teespezialitäten oder auch Smoothies. Nach einigen Stunden der Arbeit begibt man sich dann auf den Markt, um die Lebensmittel für das Mittagessen bzw. die folgenden Tage einzukaufen. Auf dem Markt ist immer sehr viel los und die verschiedenen Verkäufer*innen buhlen um die Aufmerksamkeit der Kunden. Man erscheint meist mit einem Plan, was man einkaufen will und holt sich vor allem erschwingliches, dennoch leckeres Obst und Gemüse. Zuhause angekommen bereitet man sein Essen vor und widmet sich erneut bis in den frühen Abend seinen Aufgaben. Vor allem mit den angehenden Ärzten aus Belgien, Frankreich oder Deutschland setzt man sich häufig freundschaftlich zusammen und kocht für und miteinander. Man genießt sein lokales Feierabendbier und lässt den Tag ausklingen. Am Folgetag geht man in das eher kleine Büro der Organisation und bespricht die vergangenen Tage und die Pläne, welche für die folgenden Wochen anstehen sowie die damit einhergehenden Aufgaben. Da das Büro aufgrund der pandemiebedingten Auslastung nicht von mehr als drei Personen gleichzeitig besetzt werden darf, begibt man sich dann wieder ins Homeoffice oder Co-Working-Space. Man treibt auch regelmäßig Sport für die eigene Gesundheit, nutzt das hügelige Gelände der Stadt für eine kurze Jogging-Einheit und erkundet verschiedene Ecken, um sich ein besseres Bild der Stadt zu verschaffen. An Wochenenden arbeitete ich aus Eigeninitiative auch noch die ein oder andere Stunde am Morgen oder Vormittag weiter.

Freizeitgestaltung in Ruanda
Verfügt man jedoch über genügend Freizeit, kann man diese nutzen, um das Land auch touristisch zu erkunden und nach Souvenirs z. B. Stoffen für das Schneidern von Klamotten zu schauen. Ich plante gesellige Abende mit den Locals und anderen Studierenden oder nahm die Einladung meiner Chefin zum gemeinsamen Essen bei ihr zuhause an. Wodurch die niedrigen hierarchischen Strukturen der Organisation betont werden. Auch nutzt man das Wochenende dafür, sein eigenes Zimmer wieder herzurichten oder aufwendigere Essen zu planen. Der Arbeit kann man aufgrund der sehr liberalen Dienstzeiten von überall nachgehen, wo es eine stabile Internetverbindung und Stromversorgung gibt.

Die Hauptstadt Kigali ähnelt zurecht modernisierten asiatischen Staaten und wird daher rechtmäßig als das Singapur Afrikas bezeichnet. Es ist u. a. ein Begegnungsort für Touristen, Künstler, Musiker, Geschichtsinteressierte. Einige meiner Wochenenden spielten sich in Huye und andere dann in einem sehr beliebten Hostel, dem „Mamba“ ab. Das Land verfügt, über viele schöne Orte, wie dem Volcano National Park,dem Nyungwe National Forest oder dem Serengeti anmutenden Akagera National Park. Darüber hinaus gibt es viele Museen, Kunstausstellungen und abseits der Coronabeschränkungen normalerweise viele Musikfestivals. Es lohnt sich für die vielen Wanderwege ein gutes Paar Wanderstiefel und eine Regenjacke mitzunehmen. Die Freizeit lässt sich auch trotz aktueller Beschränkungen nutzen, insbesondere, da es zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund der anhaltenden Pandemie nicht besonders viele Touristen gibt.

Zusammenfassung
Mein Praktikum ermöglichte mir insbesondere, mich fachlich noch einmal weiterzubilden. Besonders das gemeindebasierte Behandlungskonzept, u. a. vertreten durch Mediziner wie Paul Farmer †, stellen einen starken Kontrast zu den hochentwickelten und abgestimmten Großstädten Deutschlands dar. Ebenso konnte ich durch meine Arbeit sehr viel über das Thema Ernährung dazugewinnen. Ich konnte allgemein meine Selbstständigkeit und meinen Horizont erweitern und hoffe damit künftig zu einer verstärkt internationalen Zusammenarbeit in Sachen Gesundheit beitragen zu können. Durch die Förderung des DAAD ist es mir nicht nur möglich den Aufenthalt selber finanziell bewältigen zu können,sondern auch das Land für potentiell Interessierte besser kennenlernen zu dürfen. Ich lege wirklich jeder Person nahe ein Auslandspraktikum oder -semester durchzuführen, insofern die Möglichkeit besteht. Es gibt sonst wenige Situationen, wo ein Aufenthalt für viereinhalb Monate im Herzen Afrikas oder anderen Orten ohne weiteres möglich ist. Daher bedanke ich mich herzlich, dieses Privileg annehmen zu dürfen, bereite mich nun auf meine letzten Wochen meines Praktikums vor und hoffe noch mehr Eindrücke in dieser Zeit sammeln zu können.