Für Studierende des Zwei-Fächer-Bachelors mit Lehramtsoption, sieht die fachspezifische Prüfungsordnung für das Fach „Frankoromanistik/Französisch“ ein mindestens viermonatiges zielsprachenrelevantes und obligatorisches Auslandsstudium vor https://www.unibremen.de/fileadmin/user_upload/sites/zpa/pdf/Pruefungsordnungen/Bachelor/F/Frankoromanistik/BA_Frankoromanistik_2Faecher_2014-07-09.pdf.
Da ich im Laufe meines Studiums – abgesehen von einem sechswöchigen Orientierungspraktikum an einer Bremer Schule – bis dato nur wenig praxisrelevante Erfahrungen hatte sammeln können, suchte ich nach Alternativen zum klassischen Auslandsstudium an einer französischen Universität. Hierbei bietet sich die Fremdsprachenassistenz, vermittelt vom Pädagogischen Austauschdienst (PAD), als eine gute Möglichkeit an. Diese Option kam für mich aufgrund der Mindestdauer von sechs Monaten jedoch nicht infrage, da dies zeitlich mit den sich anschließenden Praxisorientierten Elementen (POE´s) in Bremen kollidiert wäre. So suchte ich nach einer kürzeren Variante und stieß auf die Möglichkeit des selbst zu organisierenden Praktikums im Ausland. In der besagten Prüfungsordnung ist die Formulierung, ein mindestens viermonatiges Praktikum in einem französischsprachigen Land könne nur „in begründeten Ausnahmefällen und mit Zustimmung des Prüfungsausschusses“ erfolgen, irreführend. Auf Nachfrage bei der Studienfachberaterin für die romanistischen Studiengänge stellte sich heraus, dass ein Lehramtsstudium selbst bereits einen solchen begründeten Ausnahmefall darstellt und es hierfür weder einem Antrag, noch der Zustimmung des Prüfungsausschusses bedarf. Eine Anmeldung für das Auslandssemester auf PABO ist ebenfalls nicht vorzunehmen, auch wenn in der Rubrik „Pflichtbereich“ der Unterpunkt „Auslandsstudium“ erscheint.
Vorbereitung 1: Praktikumsplatzsuche
Ausgehend von diesen Erkenntnissen machte ich mich im November 2018 (zehn Monate vor dem Beginn meines Praktikums) im Internet auf die Suche nach einer Praktikumsschule in einem frankophonen Land. Als hilfreich erwies sich hierbei die Seite der Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“ (PASCH) des Auswärtigen Amts https://www.pasch-net.de/de/par/ptk.html. Diese richtet sich an deutsche Lehramts- und DaF-Studierende, die ein Lehramts- oder Unterrichtspraktikum im Ausland absolvieren möchten. Die mehr als 1.800 PASCH-Schulen haben eine mehr oder minder starke Verbindung zu Deutschland bzw. der deutschen Sprache und lassen sich in drei Schultypen unterteilen: Neben deutschen Auslandsschulen gehören dem PASCH-Netzwerk auch SprachdiplomSchulen, die zum Deutschen Sprachdiplom der Kultusministerkonferenz führen, sowie vom GoetheInstitut betreute Schulen an. Die deutschen Auslandsschulen kamen für mich nicht infrage, da ich mir u.a. von meinem Auslandsaufenthalt erhoffte, in das französische Schulsystem eintauchen zu können. Ebenfalls nützlich: Auf der virtuellen Weltkarte https://weltkarte.pasch-net.de/ ist für jede Schule die Homepage, sowie ein Kurzportrait mit Informationen zur Anzahl der SchülerInnen, Lehrenden, Schwerpunkten und Kontaktdaten der Ansprechpersonen verlinkt.
Trotz der zahlreichen Bewerbungen, die ich an PASCH-Schulen in ganz Frankreich und den französischen Überseegebieten schrieb, erhielt ich leider keine positive Rückmeldung seitens der Schulen – in den meisten Fällen blieb eine Reaktion ganz aus.
So setzte ich meine Suche über die von der Organisation Pangaya betriebenen Datenbank mit aktuellen Praktika im Ausland fort https://www.pangaya.de/aktuelle-praktika/. Im Bereich Pädagogik & Soziales wird hier etwa die Möglichkeit einer Unterrichtsassistenz in Frankreich angeboten. Die Kosten für die Vermittlung des Praktikumsplatzes sowie die Betreuung durch Pangaya betragen für Frankreich (Festland) 190€ als Anzahlung und 530€ als Restbetrag im Falle einer erfolgreichen Vermittlung. Da diese Option für mich zu kostspielig war, die Zeit aber gleichzeitig drängte, musste ich auf eigene Faust weitersuchen. Über private Kontakte bot sich mir schließlich die Möglichkeit, meine Bewerbungen an die Schulen der katholischen Ordensgemeinschaft Les Religieuses du Sacré-Cœur de Jésus zu richten, der Schulen auf der ganzen Welt angehören. Allein in Frankreich unterhält der Orden elf Schulen in Amiens, Angers, Bondues, Chatenay-Malabry, La Roche-sur-Yon, Marseille, Montpellier, Nantes, Reims Champagne-Ardennes, Tourcoing und Tours. Da ich meine eigene Schulzeit ebenfalls an einem katholischen Gymnasium verbracht habe, konnte ich mich mit den auf der Homepage der Schulen beschriebenen Zielen wie der Erziehung zum persönlichen und aktiven Glauben an Gott, der Vermittlung christlicher Werte und eines sozialen Bewusstseins, das zum Handeln auffordert, gut identifizieren. Mitte Februar 2019 erhielt ich dann vom Schulleiter des Collège/Lycée der Institution de la Croix in Bondues die Zusage für ein fünfmonatiges Praktikum und bat mich in diesem Zusammenhang um die Zusendung einer Convention de stage (Praktikumsvereinbarung). Da die Universität Bremen – zumindest für das Fach Französisch – nicht über einen entsprechenden Vordruck verfügt, habe ich dieses Dokument, in denen einzelne Paragraphen u.a. Ziele und Inhalte des Praktikums sowie Kosten- und Versicherungsfragen regeln, selbst erstellt.
Vorbereitung 2: Erasmus+-Stipendium
Nachdem ich den Praktikumsplatz sicher hatte, bemühte ich mich um ein Stipendium im Rahmen des EU-Programms Erasmus+, mit dem Auslandspraktika von mindestens zweimonatiger Dauer in den EU-Mitgliedsstaaten, Island, Liechtenstein, Norwegen, der Türkei sowie den französischen und niederländischen Überseegebieten gefördert werden. Alle Informationen rund um das ErasmusStipendium und die dafür einzureichenden Bewerbungsunterlagen finden sich auf folgender Seite: https://www.uni-bremen.de/studium/starten-studieren/studium-international/praktika-imausland/erasmus-praktika-f%C3%BCr-studierende/. So ist der Bewerbung u.a. eine ECTSBescheinigung (bei Pflicht-Praktika) oder eine Anerkennung (bei freiwilligen Praktika) beizufügen.
In meinem Fall erwies sich keines der beiden Dokumente als geeignet, da mein Auslandsaufenthalt gemäß der obenstehenden Prüfungsordnung zwar obligatorisch ist, jedoch keine ECTS-Punkte einbringt, sofern er nicht an einer Universität, sondern an einer Praktikumseinrichtung im Ausland absolviert wird. Da Not erfinderisch macht, ersetzte die Studienfachberaterin für die romanistischen Studiengänge so das Wort „freiwillig“ im Anerkennungs-Dokument kurzerhand durch „verpflichtend“. Nachdem ich alle erforderlichen Unterlagen eingereicht hatte, wurde meiner Bewerbung Mitte März 2019 stattgegeben. Für die Auszahlung der ersten 70% meines Stipendiums galt es, das dem Schreiben des International Office anhängige Learning Agreement und Grant Agreement zu unterzeichnen und zurückzuschicken. Da dies alles recht schnell und reibungslos klappte, gestaltete sich die Organisation des Stipendiums für mich wesentlich einfacher als die vorangegangene Praktikumssuche. So konnte ich mich in den folgenden Monaten ganz auf die Suche nach einer passenden Unterkunft machen, wobei sich wieder einmal herausstellte: Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt!
Unterkunft
Bereits am Anfang meines Planungsprozesses stand für mich fest, dass ich für die Dauer meines Praktikums, sofern irgend möglich, gerne bei einer Gastfamilie wohnen wollte, um gänzlich in den französischen Lebensalltag einzutauchen, schneller Anschluss zu finden und meine Französischkenntnisse zu verbessern. Daher hatte ich mich sehr über das Angebot des Schuldirektors gefreut, über einen entsprechenden Aushang in der Schule, die Suche nach einer französischen Familie zu unterstützen. Nachdem mehrere Monate ergebnislos vergangen waren, suchte ich auf der Seite des Deutsch-Französischen Jugendwerkes (DFJW) unter der Rubrik Kleinanzeigen > Such und find > Wohnungssuche selbst nach Privatpersonen, die gewillt waren, übergangsweise eine deutsche Studentin bei sich aufzunehmen https://www.dfjw.org/ kleinanzeigen.html?category=22. Leider wurde ich hier nicht fündig, sodass ich selbst eine Anzeige mit meinem Anliegen schaltete, auf die ich jedoch keine Rückmeldungen erhielt. Im Zuge weiterer Internetrecherchen wurde ich dann auf den Freundeskreis Städtepartnerschaften Wülfrath e.V. aufmerksam, der eine Partnerschaft mit meinem zukünftigen Praktikumsort Bondues unterhält. Nach einem sehr freundlichen Mailverkehr mit dem Vorsitzenden des Freundeskreises, dessen Kontaktdaten auf folgender Internetseite vermerkt sind https://www.wuelfrath.net/stadtportrait/ partnerstaedte/partnerstadt-bondues/, bot dieser an, mir bei der Suche nach einer Unterkunft zu helfen und sich auch noch einmal mit dem Schulleiter der Institution de la Croix Blanche in Verbindung zu setzen. Wundersamerweise erhielt ich wenige Tage später einen Vorschlag mit zwei potenziellen Gastfamilien, die beide unweit meiner künftigen Praktikumsschule wohnten. So verbrachte ich die Zeit von Anfang September 2019 bis Ende Januar 2020 im Hause einer sehr netten französischen Familie mit zwei Kindern und hatte dort mein eigenes Zimmer. Da der Schulbus für mich morgens zu spät fuhr, machte ich mich jeden Morgen von meiner Siedlung, der Domaine de la Vigne, zu Fuß auf den Weg zur Schule, wobei eine Gehzeit von ca. 45 Minuten einzuplanen ist.
Allgemeine Informationen zur Praktikumseinrichtung
Die Institution de la Croix Blanche ist eine schulische Einrichtung, die dem katholischen Frauenorden der Sacré-Cœur-Schwestern untersteht. Das christliche Bildungs- und Erziehungsverständnis der Schule steht in der Tradition der Ordensgründerin Madeleine Sophie Barat, von der etwa der Ausspruch stammt: « Courage et confiance! Je ne répèterai jamais assez ces deux mots ». Die Privatschule in der nordfranzösischen Kleinstadt Bondues wird von etwa 2.200 SchülerInnen besucht und umfasst alle Schulstufen von der Maternelle bis zum Lycée. Neben Englisch als erster Fremdsprache, lernen die SchülerInnen wahlweise Deutsch oder Spanisch. So hatte ich während meines Praktikums die Möglichkeit, den Deutschunterricht am Lycée zu unterstützen, indem ich SchülerInnen mit zusätzlichem Förderbedarf individuelle Hilfen in puncto Aussprache und Rechtschreibung gegeben habe. Des Weiteren habe für die Deutschlehrerin, die selbst keine Muttersprachlerin ist, Schulbuchtexte und Hörbeispiele zusammengefasst und übersetzt sowie eingesammelte Hausaufgaben und Klassenarbeiten korrigiert und bewertet. Am Collège durfte ich 4-6 Stunden pro Woche eigenverantwortlich Deutsch unterrichten, wobei meine Lerngruppen durchschnittlich 15 SchülerInnen umfassten und mir bzgl. der Inhalte und Methoden freie Hand gelassen wurde. Für mich war das einerseits ein Sprung ins kalte Wasser, da ich bis dato nie eine eigene Unterrichtsstunde geplant, geschweige denn alleine vor eine Klasse gestanden hatte. Andererseits habe ich diese Herausforderung getreu dem Motto: „Man wächst mit seinen Aufgaben“ gerne angenommen, da ich die Freiräume für kreative Ideen nutzen konnte und mir die Arbeit mit den Lernenden viel Freude bereitet hat.
Sonstiges
Das etwa 11.000 EinwohnerInnen zählende Städtchen Bondues versprüht angesichts weitläufiger Felder, rarer Busverbindungen und freilaufender Hühner einen dörflichen Charme, an den ich mich erst gewöhnen musste. Das „Zentrum“ befindet sich rund um die Kirche Saint-Vaast, in der samstagabends um 18:30 Uhr, sowie sonntagmorgens um 11:00 Uhr Messe gefeiert wird. Neben einem kleinen Supermarkt (Carrefour City) ist hier auch das Rathaus, eine Boulangerie/Pâtisserie sowie eine kleine Restaurantzeile angesiedelt. Sehr empfehlenswert ist dabei das marokkanische Restaurant L’Argan, das mittags und abends Couscous-Gerichte (auch zum Mitnehmen) anbietet. Da die Schulkantine mittwochs geschlossen hat und es in Bondues – abgesehen von einem weit entfernten Subway – keinen Imbiss und kein Schnellrestaurant gibt, war der freundliche Inhaber stets meine erste Anlaufstelle. An den Wochenenden habe ich des Öfteren eine Fahrt ins gut zehn Kilometer entfernte Stadtzentrum von Lille unternommen, das man mit den Buslinien 86 und L91 in einer halben Stunde erreicht. Das Einzelticket, das vorne bei dem/der BusfahrerIn erworben werden kann, kostet 1,85€. Beachtet werden sollte, dass der Bus spät abends nur noch einmal stündlich nach Bondues zurückfährt und den Betrieb wochentags ab 22:30 Uhr ganz einstellt. Sehr beeindruckend in Lille ist die am Grand Place gelegene Buchhandlung Furet du Nord, die sich über ganze sieben Etagen erstreckt und keinen Bücherwunsch offenlässt. Viel Zeit habe ich zudem in der Citadelle, eine bastionische Festung, die von einem schönen Park und einem angegliederten Zoo umgeben ist, verbracht. Für alle Sportlichen besteht hier neben ausgiebigen Joggingrunden auch die Möglichkeit, sich in einem Geräteparcours zu trimmen. Um sich fit zu halten, bietet sich außerdem der Besuch der Kletterhalle What’s Up in Wambrechies, einem Nachbarort Bondues, an.
Nach der Rückkehr
Zurück in der Heimat habe ich eine Kopie der Attestation de stage (Praktikumsbescheinigung), die ich mir von der Schule habe ausstellen lassen, der Studienfachberaterin für die romanistischen Studiengänge vorgelegt. Die von ihr mit Stempel und Unterschrift versehene Praktikumsbescheinigung ist dann zusammen mit einem Formular zur Bescheinigung über den Auslandsaufenthalt beim Zentralen Prüfungsamt (ZPA) einzureichen, damit der Auslandsaufenthalt auf PABO als absolviert vermerkt wird. Für die Auszahlung der verbleibenden 30% des Erasmus+- Stipendiums waren in meinem Fall innerhalb von 30 Tagen nach Ende des Praktikums das Ergebnis des zweiten OLS-Sprachtests, eine Kopie der EU-Survey-Onlineumfrage, ein von der Schule ausgefülltes und unterschriebenes Assessment-Formular sowie ein Traineeship Certificate und der hiesige Praktikumsbericht einzureichen. Sollte dies nicht fristgerecht geschehen, wird nicht nur der Restbetrag einbehalten, sondern vom Studierenden auch die Rückzahlung der bereits erhaltenen finanziellen Zuwendungen aus dem Erasmus+-Programm verlangt.
Fazit
Mein Auslandspraktikum an der Institution de la Croix Blanche in Frankreich war für mich eine bereichernde Erfahrung, die mir interessante Einblicke in die Eigenarten des französischen Schulsystems ermöglicht hat. Schultage dauern hier täglich von 8 bis 17 oder 18 Uhr, wobei die Unterrichtsstunden größtenteils aus Frontalunterricht bestehen. Neben der Notengebung, die mit einer Spannweite von 0 bis 20 Punkten stark von der deutschen Praktik abweicht, ist auch die Klassenfolge in Frankreich anders organisiert, da nicht wie in Deutschland aufsteigend, sondern absteigend gezählt wird. Im Rahmen meiner eigenen Unterrichtsstunden habe ich zudem ganz praktisch die Unterrichtsplanung, -durchführung und -nachbereitung erproben können undwertvolle Erkenntnisse für meinen weiteren Professionalisierungsprozess gewonnen. So steht für mich nun fest, dass ich in meiner späteren Lehrtätigkeit vorzugsweise in der Sekundarstufe I unterrichten möchte, da hier mehr Raum für kreative Ansätze und spielerisches Sprachenlernen besteht. Durch den engen Anschluss an das Kollegium hatte ich das Glück, mich mit einigen LehrerInnen auch privat treffen und ins Gespräch kommen zu können. Dank der finanziellen Unterstützung aus Erasmus+ Mitteln der EU konnte ich nicht nur die Kosten für Unterkunft und Verpflegung decken, sondern auch an gemeinsamen Unternehmungen mit anderen Lehrkräften, wie etwa einem Besuch auf dem Weihnachtsmarkt im belgischen Brügge teilnehmen.
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