Meine Zeit in Südafrika
Für mich stand fest, dass ich im letzten Semester meines Bachelors ein Praktikum in einem südafrikanischen Land machen möchte. Das Interesse an dieser Region besteht bei mir schon lange und wurde durch ein Seminar im Rahmen meines kulturwissenschaftlichen Studiums noch verstärkt, sodass ich mir selbst ein Bild von Land und Leuten machen wollte. Dazu kommt, dass ich mir gut vorstellen kann, nach meinem Master im Entwicklungsarbeit- bzw. Umweltschutzbereich tätig zu sein. Für beides stellen Südafrika und die angrenzenden Länder interessante Forschungsorte dar..

Bewerbung und Vorbereitung
Also bewarb ich mich initiativ bei verschiedenen Nichtregierungsorganisationen in Südafrika, Botswana, Namibia, Mosambik und Tansania. Während ich auf einige Rückmeldungen vergeblich wartete, dauerte es nicht lange, bis sich Patrick Dowling bei mir meldete. Er ist Projektmanager im Bereich der Umweltbildungsarbeit der Wildlife and Environment Society of South Africa (WESSA) in Kapstadt, einer südafrikanischen NGO und bot mir an, dort ein unentgeltliches Praktikum zu absolvieren. Die Kommunikation gestaltete sich sehr einfach und stimmte mich schon auf die entspannte Arbeitsatmosphäre ein, die vor Ort herrschen sollte. Obwohl Patrick einer der ältesten und angesehensten Mitarbeiter ist und während des Praktikums mein Betreuer war, duzten wir uns von Anfang an. Zur Vorbereitung skypten wir einige Male und Patrick erwies sich sehr hilfsbereit und kooperativ, zum Beispiel bezüglich des Zeitraums.

Wohnungssuche
Etwa drei Monate vor Abreise begann ich nach Wohnungen zu suchen. Anfangs hatte ich vor, in eine WG zu ziehen, um auf einfache Weise mit der lokalen Bevölkerung in Kontakt zu kommen, doch das gestaltete sich schwieriger als gedacht und so buchte ich meine Unterkunft schließlich auf airbnb.de. Die Wohnung mit insgesamt vier zu vermietenden Zimmern befand sich in Muizenberg, einem Vorort Kapstadts, der etwa 25 Kilometer vom Zentrum und 5 Kilometer von meiner Arbeit entfernt lag. Dort wohnte ich mit einem Südafrikaner und ansonsten wechselnden Mitbewohnern, oft Urlaubern aus aller Welt zusammen. Für mehrwöchige oder –monatige Aufenthalte ist airbnb eine gute Plattform zur wohnungssuche, wobei man sagen muss, dass die Preise höher sind als sonst im Durchschnitt in Kapstadt. Im Nachhinein würde ich die Seite gumtree.co.za empfehlen, die zwar etwas unübersichtlich ist, aber von vielen Südafrikanern bei der WG-Suche benutzt wird. Nach einem netten Empfang durch meine Mitbewohner, mit denen ich während meines gesamten Aufenthalts viel unternommen und die Gegend erkundet habe, ging nach einigen freien Tagen am 1. März der Arbeitsalltag los.

Transport
Ursprünglich hatte ich geplant, mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren, was mir mein südafrikanischer Mitbewohner wegen der hohen Kriminalität in Kapstadt schnell ausredete. Unsere Wohnung befand sich in einer der letzten Gated Communitys kurz vor den sogenannten Cape Flats im Südosten des Stadtzentrums, in denen sich auch 22 Jahre nach Ende der Apartheid noch riesige Townships mit einem sehr hohen Armuts- und Gewaltniveau befinden. Immer wieder hörte man von Einbrüchen und Raubüberfällen und so sah ich mich gezwungen, mich an die Situation der stark eingeschränkten Bewegungsfreiheit anzupassen und ein Auto zu mieten. Mein Weg zur Arbeit sah folglich so aus, dass ich von einem High Security Bereich in den anderen fuhr.

5 Wochen bei der Wildlife and Environment Society of South Africa
Etwas eingeschüchtert durch diese Startschwierigkeiten war ich umso glücklicher, als ich meinen Arbeitsplatz und meine Kollegen kennenlernte, denn alle waren sehr freundlich und hilfsbereit und es herrschte eine angenehme Arbeitsatmosphäre. Das Büro befand sich in einer Art kleinen Oase, bestehend aus einem Garten mit Bambus und einem kleinen Teich, in dem sogar Schildkröten. Die grüne Umgebung passte gut zu den Inhalten der Arbeit, denn WESSA ist eine südafrikanische Umweltschutzorganisation, die sich das Ziel gesetzt hat, Projekte für eine umweltfreundlichere Welt zu initiieren, die die öffentliche Beteiligung an diesem aprozess fördern. Seit 90 Jahren hat WESSA sch somit dafür engagiert, Südafrikas einzigartiges natürliches Erbe zu erhalten. Dabei ist ein wichtiger Bestandteil der Arbeit der Bereich der Umweltbildung von lokalen Gemeinden und Jugendlichen. So unterstützt WESSA sogenannte eco-schools, die durch besonderes Engagement im Umweltschutz diesen Titel erhalten und somit eine Vorbildfunktion für ihre Schüler einnehmen können. Weiterhin leitet WESSA ein Programm, bei dem sich benachteiligte Jugendliche aus Townships für ein zweijähriges Umweltbildungsprogramm zu bewerben, das sie dazu befähigt, im Anschluss beispielsweise eine Ausbildung zum Ranger oder einen umweltrelevanten Studiengang zu absolvieren. Außerdem werden für zahlende Mitglieder Kurse und Workshops zu unterschiedlichen Schwerpunktthemen wie südafrikanischem Wildtierschutz angeboten. Ebenso setzt sich WESSA im Rahmen von Gerichtsverfahren für die Einhaltung von Naturschutzrichtlinien bei Bebauungsvorhaben ein.
Zu meinen Aufgaben gehörte die Kommunikation mit Teilnehmern des Umweltbildungsprogramms sowie die Mitbetreuung der eco-schools; so musste ich zum Beispiel mithilfe unterschiedlicher Bewertungskriterien Unterlagen der Schulen durchgehen, um festzustellen, inwiefern sich ihr Engagement im vergangenen Jahr verändert hat. Auch die Aktualisierung der Mitgliederdatenbank und das Verfassen eines Newsletters fielen in meinen Aufgabenbereich und im Rahmen eines von einer Partnerorganisation veranstalteten Festivals durfte ich ein Wochenende in der Natur verbringen, um mit verschiedenen Umweltaktivisten Bäume zu pflanzen und dadurch auch mehr über umweltrelevante Probleme Südafrikas zu lernen.

Der Wechsel
Obwohl ich mich wie gesagt sehr wohl bei WESSA fühlte, stellte ich wie schon bei einem vorhergehenden Praktikum beim WWF Deutschland fest, dass mich die Inhalte der Arbeit zwar interessieren, mir aber dennoch eine praktische Komponente fehlte. Dazu kam das Gefühl, das ich selbst mehr von der einzigartigen Natur und der vielfältigen Tierwelt dieses Landes, für die ich mich mit meiner Arbeit bei WESSA einsetzte, kennenlernen wollte. Also beschloss ich, mir für die zweite Hälfte meines Aufenthalts einen anderen Arbeitsplatz zu suchen und begann erneut zu recherchieren und mich zu bewerben. Die Suche gestaltete sich als relativ schwierig, da kostenpflichtige Volunteer-Programme, die eher einem exklusiven Safari-Urlaub als einer realitätsnahen Beschäftigung im Umwelt- und Wildtierschutz ähneln, in Südafrika ein großes Business darstellen.

Erst nach einigen Tagen und vergeblichen Anfragen stieß ich auf die South African Animal Sanctuary Alliance (SAASA), die aus drei Reservaten weiter östlich in der Western Cape Provinz besteht: So befinden sich in den Wäldern um Plettenberg Bay Auffangstationen für Primaten, Raubkatzen und Vögel. Ich informierte mich genau über den Hintergrund und die Leitphilosophie der Reservate, da ich auf keinen Fall bei einer Institution landen wollte, die wilde Tiere unter dem Deckmantel der Wildlife Conservation als Touristenattraktion missbraucht – Elefantenreiten und Streichelzoos mit Affen und Löwen sind in Südafrika keine Seltenheit. Schnell merkte ich aber, dass es der SAASA tatsächlich um artgerechte Haltung und Aufklärung der Gesellschaft ging und dieser Eindruck wurde auch im Rahmen meiner Tätigkeit dort bestätigt. Ich beschloss, mich zu bewerben und wie auch beim ersten Praktikum war die Kontaktaufnahme sowie die weitere Kommunikation dank der entspannten südafrikanischen Mentalität recht unkompliziert.

4 Wochen im Monkeyland
Nach einem Gespräch mit der Organisationsleiterin Lara, die mir zwischen den drei Reservaten die freie Wahl für meinen Aufenthalt als Freiwillige ließ. Ich entschied mich für das Affenreservat Monkeyland, weil mich Primaten mit ihrem menschenähnlichen Verhalten schon immer fasziniert haben und ich die Gelegenheit nutzen wollte, um mehr über sie zu lernen.

Lara und ihr Mann Tony gründeten Monkeyland im Jahre 1999, um Affen aus unterschiedlichen Formen der Gefangenschaft, die aufgrund ihrer Geschichte nicht mehr zu einem Leben in freier Wildbahn fähig sind, ein möglichst natürliches Zuhause zu geben und mithilfe geführter Touren Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung zu leisten. So befindet sich das Reservat mit etwa 550 Affen in einem zwölf Hektar großen Wald, in dem sich die Tiere frei bewegen können. Sie kommen aus Zoos, Versuchslaboren und sogar aus Privathaltung, denn nicht wenige Menschen halten Affen als Haustiere und geben sie ab, wenn sie aufgrund der falschen Haltung aggressiv werden. Da Monkeyland die erste Institution ihrer Art ist, kommen die Affen aus aller Welt dorthin und ich hatte die Chance, viele verschiedene Arten kennenzulernen; darunter afrikanische, asiatische und viele südamerikanische Affenarten. Für Neuankömmlinge gab es mehrere große Gehege im Wald, sodass sie und die Affen außerhalb zunächst durch die Gitterstäbe beschnuppern konnten.

Es war auf erschreckende Weise eindrucksvoll, wie einige der Tiere aussehen und sich verhalten – so wurden manche von ihren Vorbesitzern mit Fast Food gefüttert und zu dicken, kletterunfähigen Essmaschinen erzogen. Beispiele wie dieses zeigten mir, wie groß der Bedarf nach Aufklärung ist, damit niemand mehr wilde Tiere als Haustier hält. Die ersten Tage begleitete ich die verschiedenen Guides auf ihren Touren, um mir möglichst viel Wissen anzueignen. Zusätzlich studierte ich ein Identifizierungsbuch, das detaillierte Informationen zu allen elf Arten des Waldes beinhaltete.

Nach erfolgreichem Lernprozess durfte auch ich deutsch- beziehungsweise englischsprachige Besucher durch den Wald führen. Mir hat die Arbeit viel Spaß gemacht, weil uns bei den Touren die Freiheit gelassen wurde, eigene Schwerpunkte zu setzen. So betonte ich immer wieder die Intelligenz der Affen, die dazu führt, dass sie von Menschen oft missbraucht werden; sei es im Filmbusiness, als Haustier oder gar als Drogenschmuggler an Grenzen. Es war schön, die Begeisterung der Menschen für die Tiere in ihrer natürlichen Umgebung zu sehen und womöglich sogar ihr Bewusstsein in Bezug auf den Schutz wilder Tiere ein wenig verändert zu haben. Mir gefiel auch, dass ich zweimal einen der Ranger mit einigen der Affen zum Tierarzt begleiten durfte, denn so konnte ich noch mehr über sie lernen.

Während meines Aufenthalts in Plettenberg Bay lebte ich in einem sehr netten und familiären Hostel in der Stadt. Obwohl diese viel kleiner war als Kapstadt, ähnelten sich die beiden auf unterschiedliche Weise – so war auch in Plettenberg Bay der öffentliche Nahverkehr so gut wie nicht vorhanden und ich hatte Glück, dass mich die Sekretärin von Monkeyland mit zur Arbeit nehmen konnte. Auch die extremen gesellschaftlichen Unterschiede waren ebenso deutlich zu sehen wie in Kapstadt: Während der Großteil der weißen Bevölkerung in Häusern lebte, die von Elektrozäunen und Mauern umgeben und 24 Stunden von Security Agenturen überwacht wurden, befanden sich die Siedlungen der Schwarzen in provisorischen und schlecht angebundenen Vierteln weit außerhalb des Zentrums.

Das Land der Gegensätze
Eindrücke wie die eben geschilderten waren ein Bestandteil meines alltäglichen Lebens. So glücklich ich auch bin, zwei Monate in einem Land mit wunderschöner Landschaft und einem, zumindest in einigen Schichten, sehr naturnahen Lebensstil verbracht zu haben, wurde doch jedes schöne Erlebnis von der ständigen Präsenz des andauernden Rassismus und den starken Diskrepanzen innerhalb der Gesellschaft überschattet. Vom Mandela-Mythos der harmonischen Regenbogennation war weniger zu spüren als ich mir im Voraus erhofft hatte.

Natürlich hat sich seit 1994 viel verändert und natürlich handelt es sich bei einem nachhaltigen gesellschaftlichen Wandel um einen langwierigen Prozess, aber fest steht, dass aufgrund der korrupten Regierungspartei, dem ANC, die Chancen auf Bildung für einen Großteil der schwarzen Bevölkerung weiterhin mangelhaft sind, sodass viele entweder arbeitslos oder als schlecht bezahlte Servicekräfte tätig sind. So waren Restaurants für mich eine extreme Demonstration der herrschenden Ungerechtigkeit, denn oft waren alle Angestellten schwarz und die Gäste weiß. Mich haben Situationen wie diese traurig und wütend gemacht und ich wäre insgesamt gerne öfter mit Menschen aus unterschiedlichen sozialen Schichten in Berührung gekommen, was sich aufgrund der nach wie vor starken Segregation als schwierig herausstellte.

Daher bin ich froh darüber, dass ein Kollege und Freund aus der Zeit des ersten Praktikums mich mit in seine Heimat, eines der größten Townships Kapstadts nahm, und ich so einen Eindruck des Lebens dort gewinnen konnte. Mir wird Südafrika als Land der Gegensätze in Erinnerung bleiben und ich möchte gerne wiederkommen, dann vielleicht in eine echte Regenbogennation.