Organisation und Vorbereitung
Im vierten Semester meines Masterstudienganges Wirtschaftspsychologie ist ein internationales Modul vorgesehen, weshalb sich viele meiner Kommilitoninnen und Kommilitonen im Studiengang um ein Auslandssemester oder -praktikum bemühten. Da einer unserer Dozenten mit dem Sozialpsychologen Dr. Gavin Sullivan befreundet ist, der am Centre for Research in Psychology, Behaviour and Achievement an der Coventry University arbeitet, bestand für uns die Möglichkeit, sich dort auf ein Forschungspraktikum zu bewerben.
Als ich davon hörte, war ich begeistert. Ich war mir zu diesem Zeitpunkt schon recht sicher, dass ich nach meinem Studium gerne in der Forschung arbeiten möchte, doch Erfahrungen im Bereich der wissenschaftlichen Forschung hatte ich bisher noch nicht gesammelt. Also beschloss ich, mich auf das Forschungspraktikum zu bewerben.
Nach einer positiven Rückmeldung musste ich mich um die Finanzierung des Praktikums kümmern. Da das Praktikum unbezahlt war, entschied ich mich, um eine Förderung von Erasmus + und dem Bremer Studien-Fonds zu bemühen, was auch gelang.
Danach kümmerte ich mich um Auslandsversicherungen, den Flug und um eine Unterkunft. Da Großbritannien noch Teil der EU ist, brauchte ich kein Arbeitsvisum beantragen. Das erleichterte die Arbeit im Vorfeld sehr.

Unterkunft
Ein paar Wochen bevor mein Auslandspraktikum anfing, suchte ich nach Zimmern in Coventry. Innerhalb einer Woche hatte ich ein WG-Zimmer auf der Internetseite von spareroom (https://www.spareroom.co.uk/) gefunden. Im Vorfeld hatte ich schon gehört, dass insbesondere die Mieten in Großbritannien sehr teuer seien. Wie sich herausstellte, sind Studentenwohnheime sogar noch teurer als WG-Zimmer.
Um sicherzugehen, dass es sich bei meinem WG-Zimmer nicht um Internetbetrug handelte, skypte ich mit der Vermieterin im Vorfeld, denn es ist üblich, dass man sowohl die Kaution als auch die erste Miete im Voraus bezahlt.
Mit der WG und meinen vier Mitbewohnerinnen war ich sehr zufrieden. Wir wohnten in einem Reihenhaus – in Großbritannien ist es nicht unüblich, dass Studierende zusammen in einem Haus wohnen. Die Vermieterin kam einmal die Woche, um das Haus zu putzen, was ich als sehr angenehm empfand. Es diente wohl aber auch dazu, um zu schauen, dass mit dem Haus alles in Ordnung war.
Mit meinen Mitbewohnerinnen verstand ich mich sehr gut. Zwei von ihnen waren Engländerinnen, zwei kamen aus Hongkong. Für mich war es toll, dass ich auch Zuhause Englisch sprechen und nebenbei noch etwas von der britischen sowie der chinesischen Kultur miterleben konnte, wobei eine meiner Mitbewohnerinnen sich ausdrücklich als „Hongkonese“ bezeichnete und nicht als Chinesin.

Das Praktikum
Die Coventry University ist neben der University of Warwick eine der beiden Universitäten in Coventry. Sie ist keine typische Campus Universität, denn die Gebäude befinden sich alle in der Innenstadt verteilt.
Das Centre for Research in Psychology, Behaviour and Achievement, in dem ich das Forschungspraktikum absolvierte, ist eines von elf Forschungszentren der Coventry University. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf atypischer Kindesentwicklung, Gewalt und zwischenmenschlicher Aggression, Gehirn, Glaube und Verhalten im Bereich Kognitionspsychologie sowie Identität und Resilienz in Gemeinschaften und Organisationen (http://www.coventry.ac.uk/research/areas-of-research/psychology-behaviour-achievement/psychology/). Mein Praktikum fand in dem Team statt, das zu Identität und Resilienz in Gemeinschaften und Organisationen forscht. Dieses Team besteht aus sechs Forscherinnen und Forschern.
Da mein Praktikum von Dr. Gavin Sullivan betreut wurde, arbeitete ich an seinen aktuellen Forschungsprojekten mit. Dazu zählte beispielsweise ein Corporate Social Responsibility (CSR) Projekt, bei dem es meine Aufgabe war, eine Marktanalyse sämtlicher britischer Unternehmen durchzuführen, um zu schauen, was bereits im Bereich CSR von Unternehmen umgesetzt wird und wie sie das auf ihrer Homepage darstellen. Andere Aufgaben waren das Korrekturlesen von Papers, die veröffentlicht werden sollten, sowie das Eingeben von Daten in die Statistik- und Analyse-Software SPSS.
Besonders die Arbeit mit SPSS war für mich eine Bereicherung, da ich in meinem bisherigen Studium nur qualitativ gearbeitet habe. Durch die zusätzliche Teilnahme an einem kleinen SPSS-Workshop konnte ich meine Erkenntnisse etwas erweitern.
Mit der Sprache hatte ich keine Probleme. In unserem Office haben Menschen mit verschiedenen Nationalitäten gearbeitet. Auch wenn die meisten Muttersprachlerinnen und -sprachler waren, hatten alle Verständnis dafür, wenn ich manchmal etwas länger überlegen musste, um meine Gedanken in Worte zu fassen.
Das Arbeiten war größtenteils eigenverantwortlich. Da es keine Kernarbeitszeiten gab und die Forscherinnen und Forscher auch viel unterwegs waren, um Daten zu erheben oder von Zuhause aus zu arbeiten, konnte auch ich mir meine Arbeitszeit frei einteilen. Das war sehr angenehm, da ich so flexibel in meiner Freizeitgestaltung war.


Abbildung 1: Teil der Coventry University

Freizeitaktivitäten
Coventry ist eine typische Studentenstadt. Neben vielen Pubs, gibt es auch ein Unibad und diverse Sporthallen für Studierende. Es ist sogar möglich sich Tischtennisplatten oder andere Sporthallen, zum Beispiel zum Fußball spielen, zu mieten. Für die fleißigen Studierenden hat die Universitätsbibliothek sogar 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche geöffnet.
Durch eine meiner Mitbewohnerinnen habe ich auch andere internationale Studierende kennengelernt, mit denen wir häufig etwas unternommen haben. Internationale Kochabende, Pub Nights oder Ausflüge haben aus uns verschiedenen Menschen eine feste Gruppe geformt, die viel Spaß zusammen hatte.
Die Wochenenden habe ich dafür genutzt, viele Ausflüge in die Umgebung von Coventry zu unternehmen. Coventry ist für Ausflüge gut geeignet, da es mittig in England gelegen ist. So konnte ich diverse Ziele ganz einfach mit dem Zug oder dem Fernbus erreichen. London ist beispielsweise nur eine Stunde Zugfahrt von Coventry entfernt und auch Stratford-upon-avon – die Geburtsstadt von Shakespeare – ist innerhalb einer halben Stunde mit dem Fernbus zu erreichen.
Eines meiner Highlights war mein Trip nach Edinburgh und an die schottische Nordküste. Die wunderschöne Natur mit den freilaufenden Schafen und dem rauen Meer sowie Edinburgh als zauberhafte Stadt eingebettet in die schottischen Berge ist definitiv eine Reise wert.

Fazit
Das Forschungspraktikum und vor allem die Auslandserfahrung haben mir sehr gut gefallen. Es war eine tolle Erfahrung zu sehen, wie an einer Universität geforscht wird. Das Miterleben einer anderen (Arbeits-) Kultur und das Sprechen einer anderen Sprache haben mich geprägt und bereichert. Auch das Kennenlernen und Freundschaften schließen mit anderen internationalen Studierenden schätze ich sehr und möchte ich nicht missen.
Für meine persönliche sowie berufliche Zukunft nehme ich viele neue Erfahrungen, Erkenntnisse und Fähigkeiten mit. Die Herausforderungen und schönen Momente, die ich im Ausland erlebt habe, haben mir geholfen, mich und andere besser kennenzulernen.
Rückblickend sind die drei Monate sehr schnell vergangen und ich kann es jedem empfehlen, auch einmal ein Praktikum im Ausland zu machen.