Vorbereitung
Nach meinem abgeschlossenen Bachelorstudium wollte ich Berufserfahrungen im Bereich der Entomologie und Ökologie sammeln und dabei den Sommer am Meer verbringen. Aufgrund von Erfahrungsberichten entschied ich mich für Portugal. Bei der Suche nach einem passenden Praktikumsplatz stieß ich auf das Ökologische Institut CE3C, das sich unter anderem mit der Inselökologie von Arthropoden auf den Azoren beschäftigt. Dieses Thema klang so spannend, dass ich mich initiativ bei dem zuständigen Professor bewarb, ohne genau zu wissen, wo die Azoren liegen und wie sie aussehen. Nach ein wenig Recherche war ich hellauf begeistert, zwei Monate auf diesen traumhaften, vielfältigen Inseln verbringen zu dürfen. Wie sich herausstellte, arbeitete das Institut mit der Universität der Azoren zusammen, die auf den Inseln Terceira und São Miguel vertreten ist. Der Professor freute sich über mein Angebot und teilte mir mit, dass sie gerade tatsächlich an Wespen arbeiten – genau mein Thema. Da ich bereits meine Bachelorarbeit über Wespen geschrieben hatte, konnte ich einiges an Erfahrung und Vorwissen einbringen.
Es folgte meine Erasmus-Bewerbung, die problemlos verlief. Nachdem alle Dokumente ausgefüllt und hochgeladen waren, war die Vorfreude groß. Die Kommunikation mit der Universität der Azoren gestaltete sich jedoch teilweise schwierig, sodass ich mich meist direkt an meinen zuständigen Professor wandte. Die Universität bot mir an, in ihrer Studentenresidenz zu wohnen. Dieses alte Gebäude, mitten im Zentrum der kleinen Stadt, beherbergte die meisten Erasmus- Studenten und Einheimischen. Somit erübrigte sich die nervige Suche nach einer günstigen Unterkunft, und ich blickte begeistert auf meine Zeit auf einer kleinen Insel mitten im Atlantik voraus.
Allgemeine Informationen zur Universität der Azoren
Die Universität der Azoren ist auf zwei Inseln aufgeteilt, São Miguel und Terceira. Ich habe in Angra do Heroísmo auf Terceira studiert und somit nur diesen Teil kennengelernt. Die Universität ist verhältnismäßig klein. Auf Terceira werden ausschließlich „Nursing“, „Agricultural Sciences“ und „Nature and Patrimony“ unterrichtet. Neben den Vorlesungen gibt es viele Labore, die an verschiedensten Themen der Meeresbiologie, Inselökologie und vielem mehr arbeiten. Neben dem Laborgebäude gibt es eine Mensa mit tollem Ausblick auf den Monte Brasil und das Meer. Hier findet man neben dem täglichen warmen Essen auch sehr leckeren und günstigen Kaffee sowie Gebäckteilchen. Die Universität liegt etwas außerhalb des Stadtkerns, ist aber von der Studentenresidenz fußläufig in 20 Minuten zu erreichen. Ich empfehle, im Sommer immer Schwimmsachen dabeizuhaben, da es sich auf dem Rückweg anbietet, einen kleinen Abstecher zu Fanal, der Bucht mit Betonstrand, zu machen und sich etwas abzukühlen.
Unterkunft
Die Studentenresidenz war für meinen zweimonatigen Aufenthalt im Sommer sehr angenehm. Die Nähe zum Stadtzentrum und zum Strand habe ich sehr geschätzt, und es war mit Abstand das günstigste Zimmer, das man finden konnte. Man lebt meistens zu zweit in einem kleinen Raum, umgeben von dicken Steinwänden, teilweise ohne Fenster. Durch die hohe Luftfeuchtigkeit im Winter schimmeln viele Räume, und der Putz fällt ab. Man teilt sich eine Küche mit mehreren Studenten. Innerhalb der Semester kann dies zu Chaos und erhöhter Lautstärke führen. Außerdem werden keine Küchenutensilien bereitgestellt, sodass man sich alles selbst kaufen oder hoffen muss, dass man es mit jemand Nettem teilen kann. Die Residenz verfügt über mehrere Innenhöfe, große Gemeinschaftsräume, die sich gut für Film- oder Spieleabende eignen, und einen gemütlichen Lernraum. Dazu gibt es eine Terrasse mit Blick über die ganze Stadt, perfekt für Sonnenuntergangsbeobachtungen. Die Residenz ist überwacht, das heißt, im Eingangsbereich sitzt immer ein Sicherheitsmann, der notiert, wer ein- und ausgeht. Das mag am Anfang gewöhnungsbedürftig sein, aber man kann sich schnell mit ihnen anfreunden. Die Residenzverantwortliche Fernanda ist wie eine fürsorgliche Mutter, die versucht, mit ihren wenigen englischen Wörtern einen willkommen zu heißen und neuankommende Studenten an erfahrene Studenten zu vermitteln, um das Ankommen zu erleichtern.
Arbeit im Praktikum
Mein Arbeitsbereich umfasste die Identifizierung und Sortierung von Wespenmorphospezies der verschiedensten azoreanischen Inseln. Dabei wurde mir viel Freiraum bei der Durchführung gelassen, sodass ich am Ende alle Tiere katalogisiert hatte, eine Excel-Liste erstellte und einen Bestimmungsschlüssel aller Morphospezien verfasste. Im Labor arbeiteten neben weiteren Erasmus-Studentinnen auch zwei Labortechniker, die für die Betreuung der Praktikantinnen und die Ordnung im Labor zuständig waren. Jeder hatte sein eigenes Mikroskop und seinen eigenen Arbeitsplatz. Es herrschte meist eine gute Stimmung, man unterhielt sich gerne und wir konnten jederzeit Fragen stellen. Neben der Laborarbeit durfte ich auch bei der Feldarbeit unterstützen. Für die verschiedensten Projekte der Universität wurden auf der ganzen Insel sogenannte „Pitfall Traps“ und „Slam Traps“ in einheimischen und exotischen Wäldern verteilt. Je nach Standort gelangten wir über Matschfelder, enge Waldwege oder steile Hänge in die entlegensten Ecken der Insel, die ich sonst nie gesehen hätte. Immer mit Gummistiefeln gerüstet, da es im Waldinneren meist super feucht ist, kletterten wir durchs Unterholz bis an den Rand von Vulkankratern. Die Feldversuche waren der schönste Teil meiner Arbeit, da ich nicht nur unberührte und wunderschöne Ecken der Insel kennenlernte, sondern auch mehr Verständnis für verschiedene Versuchsaufbauten gewann. In der Mittagspause wurde gemeinsam in der Mensa gegessen und danach ein Kaffee in der Sonne getrunken. An besonders warmen Tagen sind wir sogar in der Mittagspause schnell schwimmen gegangen und haben uns kurz erfrischt.
Leben in Angra do Heroísmo
Die Stadt war zweimal die Hauptstadt von Portugal und einst der Anlaufhafen vieler Übersee- Expeditionen. Und das sieht man ihr auch an. Im Stadtzentrum wimmelt es von wunderschönen Gebäuden und einzigartigen Kirchen. Diese werden auch heute noch regelmäßig gestrichen, meist in Weiß mit farbigen Umrandungen und einem orangefarbenen Schieferdach, sodass die Stadt ein sehr schönes Bild abgibt. Es wurde sich bemüht, für die Bewohner viele Gemeinschaftsplätze zu schaffen. Rund um den Monte Brasil, die vulkanische Halbinsel vor der Stadt, findet man einen großen Spielplatz mit vielen verschiedenen Spielgeräten und Sportfeldern sowie eine tolle Aussicht auf die Stadt. Zudem gibt es Sportparcours und Hundetrainingsplätze. Auf dem Berg selber gibt es viele schöne Picknickplätze und Grillmöglichkeiten, neben weiteren Spielplätzen, Tiergehegen und Katzenhäusern. Die Stadt besitzt direkt im Stadtzentrum einen kleinen Strand mit schönen Sonnenschirmen und Rettungsschwimmern im Sommer. Zudem gibt es auch am Rande des Hafenbeckens den sogenannten „Clube Náutico“, ein Tauchclub, Bar und eine Badestelle, von der man gut ins Wasser springen und davor schnorcheln kann. Nicht weit entfernt liegt ein versunkenes Schiffswrack, das man mit Glück entdecken kann. Etwas außerhalb, auf dem Weg zur Universität, liegt die schon erwähnte Badestelle „Fanal“, die sich auch ausgezeichnet zum Schnorcheln und Sonnenuntergangs schauen eignet. Doch man muss aufpassen, da sich einige gefährliche Quallen in den Gewässern tummeln. Daher ist es ratsam, auf die Warnfahnen zu achten oder vorher einmal das Wasser abzusuchen und die Einheimischen zu beobachten.
Die Stadt ist gefühlt das Zentrum der Kultur der Azoren. Neben dem großen, zehntägigen „Sanjoaninas“-Fest, bei dem es tagelang schillernde Paraden, Essensstände und Konzerte gibt, die alle Generationen von überall anlocken, gibt es auch sogenannte „Império“-Festlichkeiten. Dabei bietet jeder Stadtteil der Reihe nach kleine Konzerte, Essen für alle und einen Stierkampf an. Nebenbei gibt es traditionelle Tanzauftritte auf dem Marktplatz oder internationale Veranstaltungen in Cafés und Bars. Da die Insel so klein und die Erasmus-Gemeinschaft groß und sehr offen war, hat man schnell Anschluss gefunden. Es wurde innerhalb einer großen WhatsApp-Gruppe kommuniziert, und jeder hat mitgeteilt, an welchem Strand er gerade ist oder zu welchem Event er geht, sodass man für jede Aktivität Leute gefunden hat. An den Wochenenden wurden Autos in Gruppen ausgeliehen und die Insel erkundet oder die Fähre oder der Flieger auf die anderen Inseln genommen, um diese zu entdecken. Dabei kann ich die Insel Flores sehr empfehlen, die hat mir außerordentlich gut gefallen. Wenn man jedoch am Wochenende mal in der Stadt geblieben ist, konnte man Kajak fahren oder einen Schnorcheltrip zu den vorgelagerten Inseln buchen und noch vieles mehr. Alles in allem muss ich sagen, dass die Stadt trotz ihrer Größe alles bietet und man schnell Anschluss findet.
Fazit
Mein zweimonatiger Aufenthalt auf den Azoren war eine unvergessliche und bereichernde Erfahrung. Durch das Praktikum am Ökologischen Institut CE3C konnte ich nicht nur mein Fachwissen im Bereich der Entomologie und Ökologie vertiefen, sondern auch praktische Erfahrungen in der Feld- und Laborarbeit sammeln. Alles in allem war mein Praktikum auf den Azoren eine wertvolle Zeit, die mir nicht nur berufliche Fortschritte, sondern auch viele schöne Erinnerungen und neue Freundschaften beschert hat. Ich kann jedem, der die Möglichkeit hat, ein Praktikum im Ausland zu machen, nur empfehlen, diese Chance zu nutzen – insbesondere an einem so einzigartigen und faszinierenden Ort wie den Azoren.
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