Hintergrund und Motivation
Für das Kunstprogramm der LungA School in Seyðisfjörður, Island, habe ich mich bereits im Jahr 2020 beworben. Auf Grund der COVID-19-Pandemie konnte ich zu diesem Zeitpunkt nicht teilnehmen. Jedoch ist mir die LungA School seit dem nicht aus dem Kopf gegangen. Zum einen, weil mich der Ansatz der Schule sehr überzeugt hat. Zum anderen, weil mich die isländische Kunstszene fasziniert. So habe ich beispielsweise auch meine Bachelorarbeit im Jahr 2021 an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig thematisch um die Arbeiten der isländischen Künstlerin Ragna Róbertsdóttirs zentriert.
Vorbereitung
Die Bewerbung für meine Teilnahme am zwölfwöchigen LungA School Kunstprogramm im Herbst 2023 lief über die Website der LungA School (Link: https://www.lungaschool.is/art.html). Die Bewerbungen für das Herbstsemester (September bis Dezember 2023) wurden bis in den April 2023 entgegengenommen. Nach Ablauf der Frist nahmen sich die Programmdirektoren einen Monat Zeit, um die Bewerbungen zu lesen und über eine mögliche Gruppenkonstellationen zu diskutieren. In den Bewerbungen war nicht entscheidend, ob bei den Bewerber:innen ein künstlerischer Hintergrund bereits vorliegt oder sie sich in diesem Bereich weiterbilden möchten. Entscheidend war, dass man sich für künstlerische Praxis interessiert und den Wunsch hat, zu lernen, zu forschen und offen für Überraschungen und Herausforderungen zu sein. Dieses offene Interesse musste in der Bewerbung sichtbar werden. Ich reichte eine digitale Mappe mit meinen künstlerischen Arbeiten ein und beschrieb meine Vorstellungen einer künstlerischen Praxis in einem von der Schule veröffentlichtem Fragebogen.
Seyðisfjörður und die LungA School
Die Stadt Seyðisfjörður liegt im Osten Islands, in der Region Austurland, am Ende des gleichnamigen Fjords. Seyðisfjörður ist seit Jahrzehnten ein Zentrum für Künstler:innen und andere Kreative in Island und das ganze Jahr über Schauplatz kultureller Initiativen. Die LungA School ist eine unabhängige, von Künstler:innen geleitete Institution. Im Manifest der Schule wird beschrieben, wie sich die LungA School zum Ziel setzt, mit künstlerischen und landbasierten Praktiken zu experimentieren, um Vorstellungen von Ästhetik, Lernen, und Wahrnehmung zu kultivieren, zu stören, zu verzerren und zu verändern. Die LungA School beschreibt sich über ihre Funktion als Schule hinaus auch als eine Form von Kunstwerk oder einen Ort des kommunalen Lebens. Das Kunstprogramm der Schule besteht aus einer Mischung aus Workshop-Wochen, die von Gastkünstler:innen geleitet werden, und Wochen, die sich auf die Entwicklung individueller und kollektiver Praxis durch Experimentieren, Gespräche und Reflexion konzentrieren. Das Programm ist auch eine fortlaufende Erforschung dessen, was ein Kunstprogramm sein kann, und alle Teilnehmer:innen sind Teil der Gestaltung, Formung, Störung und Aufrechterhaltung dieses Gesprächs — und des Programms selbst. Die Teilnehmer:innen haben Zugang zu verschiedenen Atelierräumen und Einrichtungen, um ihre Untersuchungen und Praktiken zu unterstützen. Als Teilnehmer:innen wohnten und lebten wir für die Dauer des Programms in der Schule. Der Wohnraum war also über die Schule selbst organisiert.
Verlauf
Das Programm der Schule setzte sich aus sechs Workshop-Wochen und sechs freien Arbeitswochen zusammen. In meiner Arbeit an der LungA School übernahm ich Aufgaben in der kollektiven Praxis des Aufbaus der Schule, wie zum Beispiel die Teilnahme an der kollektiven Organisation und Durchführung von drei Ausstellungen. Zwei der Ausstellungen konzentrierten sich auf die visuelle Kunstpraxis und eine dritte auf performative Kunstpraktiken. Außerdem übernahm ich Aufgaben in der allgemeinen Gemeinschaftsorganisation, die das Zusammenleben von insgesamt 18 teilnehmenden und wechselnden Künstler:innen in einer gemeinsam verwalteten Wohnsituation erforderte. Die Einrichtungen der LungA School waren in der ganzen Stadt verteilt, und durch die Organisation von offenen Veranstaltungen und Ausstellungen gelang es uns, uns vielfältig in die Gemeinschaft der Stadt Seyðisfjörður einzubringen.
Fazit
Meine Zeit in Seyðisfjörður und meine Teilnahme an der LungA School habe ich sehr genossen. Ich habe während meines Aufenthalts praktische, künstlerische Erfahrungen gemacht, durch die ich mein fachliches, kunsthistorisches Wissen methodisch weiterentwickeln konnte. In Seyðisfjörður habe ich mir zudem einen Alltag aufgebaut, persönliche Erinnerungen gesammelt und tiefe Freundschaften zu den anderen Teilnehmenden der LungA School aufgebaut. Dadurch habe ich nun ein Netzwerk von andere Kreativen, Künstler:innen und Wissenschaftler:innen, welches sich zwischen Australien, Nordamerika, England, Dänemark, den Niederlanden, Ungarn und Island spannt. Wir haben bereits Ideen für zukünftige Projekte — die wir auch mit der Entfernung untereinander — international umsetzten können. Zum Beispiel arbeite ich gerade mit einer Künstlerin aus London an einem Radioprogramm. Der Aufenthalt hat also vor allem auch eine persönliche Entwicklung vorangetrieben.
Mir hat das Leben in Island sehr gut gefallen und meine Liebe zu diesem Land, seiner Sprache, Kunstszene und Natur weiter gefestigt. Ich kann mir vorstellen, nach der Beendigung meines Masterstudiums an der Universität Bremen, mich in einer Kunstinstitution in Reykjavík für ein Praktikum oder sogar Volontariat zu bewerben.
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