Die Entscheidung ein Semester in Barcelona als Praktikum zu verbringen, geschah eigentlich mehr oder weniger zufällig, allerdings habe ich so viel erlebt und auch Neues dazugelernt, dass ich es immer wieder so machen würde!
Ich hatte das Glück, schon mit meiner zweiten Bewerbungs-E-Mail bei einem molekularbiologischen Labor zu Oxidativem Stress und Zellzyklus auf offene Ohren zu stoßen. Die einzigen Bedingungen für mein Kommen waren ein längerer Aufenthalt als 4 Monate und, dass sie mich nicht bezahlen müssen. Ich entschloss mich von September bis Ende Januar zu bleiben und weil ERASMUS-Förderungen auch für Praktika möglich sind, war ich auch nicht direkt auf Bezahlung angewiesen.
Der ganze Papierkram war durch die schnelle Kommunikation mit meinem Betreuer kein Problem, nur die Wohnungssuche in Barcelona selbst erwies sich als schwierig. Obwohl ich schon ca. 2 Monate vorher mit dem Suchen angefangen hatte, konnte ich erst nach meiner Ankunft (dann aber doch recht schnell) ein Zimmer zur Zwischenmiete ergattern.
Ich habe mir ziemlich direkt nach meiner Ankunft ein Fahrrad secondhand zugelegt. Obwohl das die Metro (die in Barcelona auch eigentlich ziemlich gut ist) nicht ganz ersetzt hat, war ich deutlich mobiler und nie langsamer unterwegs, als meine Metrofahrenden Freunde und habe nie unnötig auf Nachtbusse warten, oder mich nachts zu Fuß unwohl fühlen müssen. Allerdings beschränkte sich mein Aktionsbereich auch nur auf den Stadtbereich und ich musste nie regulär nach außerhalb. Geklaut wurde mein Fahrrad auch nicht, obwohl ich viel davor gewarnt wurde. Ich hatte ein gutes Schloss, habe es immer irgendwo drangeschlossen und nachts mit in mein Zimmer genommen. Der Verkehr in Barcelona ist schon deutlich wilder als in Deutschland, da es aber meistens abgegrenzte Fahrradwege gibt, habe ich mich immer sicher gefühlt und durch die viele Fahrerei hatte ich am Ende auch eine ziemlich gute Orientierung. Empfehlenswerter E-Bay Ersatz sind Milanuncios und Wallapop.
Im Labor war ich einem PhD Studenten zugeteilt, der mich angelernt hat und bei dessen Projekten ich mitgearbeitet habe. Anfangs war ich ziemlich überfordert, dass ganze praktische und theoretische Wissen in mich aufzunehmen, aber mit der Zeit konnte ich ziemlich selbstständig eigene Experimente durchführen. Viele der Methoden, wie zB. Sds-Page, PCR und genetische Transformationen etc., wurden bereits in Praktika an der Uni erklärt und eventuell auch durchgeführt. Ich fand es toll zu sehen, dass ich das, was ich gelernt habe auch wirklich anwenden kann und interessant, für so lange Zeit den Alltag einer Forschungsgruppe mitzuerleben. Im Vergleich zum Studium war das Praktikum schon deutlich zeitaufwändiger. Ich war schon jeden Tag +-8 Stunden im Labor und dadurch, dass bei Experimenten nie ganz klar ist wann diese genau fertig werden war es schwer an Wochentagen wirklich noch etwas zu unternehmen. Das macht es zusätzlich auch ein wenig schwer, wirklich Leute kennenzulernen. Gerade die viele Arbeit und das Gefühl keine Freizeit mehr zu haben war streckenweise stressig, aber durchaus ein wertvoller Einblick in das Leben mit Vollzeitjob. Trotz alledem hat es sich für mich stark gelohnt ein Praktikum aus meinem Semester zu machen, da mich das theoretische der Uni im letzten Semester stark frustriert hat und ich einfach unglaublich viel lernen konnte.
Mein engster Kreis aus Freundinnen in Barcelona bestand tatsächlich aus ERASMUS-Studierenden und Leuten, die ich schon aus Deutschland kannte. Ich war nicht auf vielen organisierten ESN-ERASMUS Events, aber auf einem habe ich tatsächlich Leute kennengelernt, die ich jetzt schon als Freundinnen bezeichnen würde. Außerhalb von der ERASMUS-Bubble erwies es sich als deutlich schwerer, ernsthaft mit Leuten zu „connecten“. Ich gehe in meiner Freizeit gerne und viel Klettern und Bouldern und so hatte ich auch viel Kontakt zu anderen Leuten außerhalb dieser Bubble und auch zu Katalanen. Nach einiger Zeit habe ich dann doch Leute gefunden, mit denen ich regelmäßig bouldern gehe und manchmal draußen klettern, die ich auch Freunde nennen könnte. Außerhalb der ERASMUS-Bubble Anschluss zu finden, geht schon auch, es dauert nur deutlich länger…
Der Fakt, dass ich kein Spanisch spreche hat mir mein Leben manchmal schon ein wenig schwerer gemacht, aber alles in allen kommt man mit Englisch gut durch. Es wäre wahrscheinlich schon einfacher gewesen, mich in der Boulderhalle zu sozialisieren und ich hätte mich in manchen Situationen weniger ausgeschlossen gefühlt, aber alles in allem war es für ein halbes Jahr schon okay. Zusätzlich wird in Barcelona schon auch viel Katalan gesprochen, da viele Katalanen sich nicht vorstellen könnten jemals außerhalb von Katalonien zu leben, also hätten mich Spanisch Kenntnisse auch nicht aus jeder Situation gerettet.
Barcelona ist außerdem unglaublich lebenswert als Stadt. Es gibt viel Musik und Kunstevents und Outdoor sport-mäßig ist alles was das Herz begehrt mit maximal 2h fahren bedient. Zum Klettern ist Katalonien generell ein Paradies. Aus Ermangelung an Partner*innen konnte ich nicht alle Orte auskundschaften, aber gefühlt wäre es mir möglich gewesen jedes Wochenende rauszufahren und niemals denselben Fels unter den Fingern zu haben. Manche davon sind sogar mit Öffis zu erreichen, aber ein Auto machts schon leichter. Ich war im Winter da und da es nicht so viel regnet, ist es wirklich auch Kletter-Prime-Time! Im Sommer ist es glaube ich unvorstellbar warm, also ist das Wintersemester schon ideal.
Alles in allem bin ich unglaublich zufrieden mit meiner Zeit hier. Ich hatte zwar auch mal Stress und schlechte Zeiten, aber das gehört ja auch mit dazu, aber in anderen Aspekten hatte ich auch viel Glück. Ich habe so viel gelernt und Erfahrungen gemacht, die mir das Studieren im Inland (und Ausland) nicht hätten geben können!
Falls das jetzt bei wem Interesse geweckt hat, schreibt dem Labor einfach mal ne Mail, wenn ihr länger als 4 Monate bleibt und keine Bezahlung braucht, stellen die euch sicher auch liebend gerne an 😉. https://www.upf.edu/web/osccg
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