Vorbereitung
Im Rahmen meines Studiums der Politikwissenschaften an der Universität Bremen habe ich im Wintersemester 2023/24 vom 15.08. bis zum 30.11.2023 mein Pflichtpraktikum bei der Nichtregierungsorganisation borderline-europe – Menschenrechte ohne Grenzen e.V. in der Außenstelle Sizilien, Palermo absolviert.
Auf borderline-europe bin ich durch einen E-Mail-Verteiler der FU Berlin aufmerksam geworden („ib-Liste“). Es lohnt sich auf jeden Fall, sich da eintragen zu lassen und ab und zu einen Blick drauf zu werfen. Nach meiner Bewerbung im Mai mit Anschreiben und Lebenslauf habe ich recht schnell eine Zusage für ein Bewerbungsgespräch bekommen. Leider erhielt ich zuerst eine Absage für den Zeitraum, für den ich mich beworben hatte. Mir wurde aber angeboten, in die Warteliste zu rücken. Im Falle eines Absprungs einer Praktikantin/ eines Praktikanten würde ich benachrichtigt werden, um an ihrer/seiner Stelle das Praktikum zu machen. Überraschenderweise passierte dies auch einige Wochen später. So wurde mir das Praktikum für den Zeitraum August bis November angeboten. Gerne nahm ich das Angebot an. Es ging dann alles sehr schnell, da ich die Zusage für das Praktikum, das im August beginnen sollte, erst Ende Juni erhielt. Ein Zimmer habe ich sehr schnell über einen Kontakt von borderline-europe bekommen und andere Vorbereitungen musste ich nicht treffen, da ich zu dem Zeitpunkt noch in meinem Auslandssemester in Rom war.
Unterkunft
Die Mieten in Palermo sind im Vergleich zu Bremen sehr niedrig. Ich hatte sehr viel Glück, denn ich hatte ein großes Zimmer mit Balkon mitten in der Altstadt in einer WG mit max. vier weiteren Menschen. Meine Wohnung befand sich tatsächlich in einer der beiden historischen Straßen in Palermo, und dementsprechend war dort immer viel los, vor allem abends. Das Ausgehviertel rund um den Piazza Sant`Anna war auch direkt neben mir. Mit meinen Mitbewohner*innen hatte ich leider recht wenig Kontakt, aber mir scheint es, dass die WGs in Italien meistens eher zweckorientiert sind.
Generell sind in Palermo die Wege meistens eher kurz und so musste ich zu meinem Arbeitsplatz max. 15 min laufen, was ich nach meiner Erfahrung in Rom extrem angenehm fand. Zu den Wohnungen sei noch gesagt, dass viele Wohnungen weder Heizungen noch Klimaanlagen haben. D.h. dass es im Sommer sehr heiß (im August waren es noch teilweise 35 Grad) sein kann und im Winter aber extrem kalt.
Praktikumsstelle
borderline-europe ist eine deutsche Menschenrechtsorganisation, die sich mit den Folgen der europäischen Migrations-, und insbesondere Grenz- und Abschottungspolitik beschäftigt. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf den Politiken des Grenzschutzes im zentralen Mittelmeer (Arbeit von Frontex, Pullbacks, Erschwerung der zivilen Seenotrettung), der Kooperation der Europäischen Union mit Drittstaaten zur Externalisierung der Außengrenzen (hier vor allem die Zusammenarbeit mit Tunesien, Libyen und neuerdings Albanien) und der Kriminalisierung von Flucht und Fluchthilfe (hier insb. die Anklage von Migrant*innen als vermeintliche Schmuggler*innen in Italien und Griechenland). Die NGO hat ein Büro in Berlin und eins in Palermo. Im letzteren arbeiten zwei Menschen in Teilzeit und meistens 2-3 Praktikant*innen. Ich war als vollwertiges Teammitglied in jegliche Arbeiten der NGO eingebunden: von der Recherche über Entwicklungen der Migrationspolitik in Italien und der EU, über Pflege einer Datenbank über die Ankünfte von Migrant*innen in Italien bis hin zum Schreiben von Newslettern, Übersetzen von Artikeln und Teilnahme an Plenen mit anderen lokalen und internationalen Initiativen. Die Arbeit ermöglichte es mir, tiefe Einblicke in die italienische und europäische Migrationspolitik, das Aufnahmesystem Italiens und die Geschehnisse im zentralen Mittelmeer und der Ankünfte in Italien zu gewinnen. Zusätzlich dazu erwarb ich durch die teilweise journalistische Arbeit sowie die tägliche Mitarbeit an der Datenbank teilweise ganz neue Kenntnisse.
Mir hat besonders gut gefallen, dass wir während des Praktikums keinen festen Arbeitsplatz hatten. Wir arbeiteten entweder in den den kulturellen Einrichtungen „Maldusa“ und „Porco Rosso“, bei meiner Praktikumsbetreuerin zu Hause oder in den sozialen Workspaces „Moltivolti“ und „Epyc“ im Zentrum Palermos. Dadurch hatte ich die Möglichkeit, eine Reihe von verschiedenen Einrichtungen und Menschen kennenzulernen, was ich als bereichernd empfand. Vor allem „Maldusa“ und „Porco Rosso“ waren sehr interessante Orte, da sie dynamische Orte des Austausches sind und, wie „Porco Rosso“, eine Anlaufstelle für geflüchtete Menschen ohne Papiere. Es fanden dort regelmäßig anderweitige Veranstaltungen statt, wie bspw. Veranstaltungen von der Initiative „Captain Support“, bei der es um die Arbeit gegen die Kriminalisierung von vermeintliche Schmuggler*innen geht.
Palermo
Palermo ist eine wunderschöne Stadt und es war eine großartige Erfahrung, für eine längere Zeit hier gelebt zu haben. Die Stadt hat kulturell ein super breites Angebot und ich konnte schnell Anschluss finden, u.a. über die Arbeit und ein Sportzentrum, zu dem ich regelmäßig ging. Die Landschaft um Palermo und insgesamt von Sizilien ist atemberaubend. In den Wochenenden war ich also oft in der Natur, an einem Strand oder bei einem der tollen Märkte. Das Leben in Palermo ist zudem recht preiswert, vor allem wenn man bei den Märkten einkauft. Was sicher ist, ist das einem in Palermo nie langweilig wird. Am großartigsten fand ich die Möglichkeit, innerhalb von max. 30min außerhalb der Stadt am Monte-Pellegrino oder an einem der Strände zu sein. Wie bereits angesprochen, sind die Wege in Palermo meistens kurz. Ich bin viel zu Fuß gegangen oder Fahrrad gefahren und hatte meistens keine Probleme, irgendwo hinzukommen.
Fazit
Abschließend würde ich sagen, dass das Praktikum für mich insofern bereichernd war, als dass ich einen neuen Kontext der europäischen Migrationspolitik kennenlernen konnte und mein Wissen über italienische und europäische Migrationspolitik und die Flucht über Libyen/Tunesien und das zentrale Mittelmeer erheblich erweitern konnte. Es war eine super bereichernde Erfahrung, neue Eindrücke gewinnen zu können und die Kultur, das Essen und die Geschichte von Palermo kennenzulernen. Im Großen und Ganzen kann ich für die Menschen, die Interesse an der Arbeit einer NGO im Bereich der Migrationspolitik und Italienischkenntnisse haben, ein Praktikum bei borderline-europe wärmstens empfehlen.
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