Leben in Gopegi
Im Rahmen meines Studiums prozessorientierte Materialforschung an der Universität Bremen ist durch das Curriculum vorgeschrieben, ein zweimonatiges Forschungsprojekt im Ausland zu absolvieren. Da ich als studentische Hilfskraft am Fraunhofer IFAM in Bremen arbeite und mein Vorgesetzter selbst Spanier ist, ergab sich relativ spontan die Möglichkeit für mich, dieses Forschungsprojekt an der Universität von Mondragón in Nordspanien, im wunderschönen Baskenland, zu machen. Spontan bedeutet in diesem Fall, alles innerhalb von vier Wochen zu organisieren. Die größte Hürde hierbei war die Wohnungssuche, denn es war mitten im Semester in Spanien und in Mondragón herrscht zu dieser Zeit Wohnungsknappheit. Die anderen beiden einschränkenden Faktoren waren, dass ich einen Hund habe und dass die Mindestmietdauer meistens sechs Monate beträgt. Nach langer Suche habe ich ein WG-Zimmer auf einem alten Bauernhof in Gopegi gefunden. Gopegi ist ein kleines Dorf in der Gemeinde Zigoitia, in der Provinz Álava mit knapp 200 Einwohnern.
Nachdem alle Formulare für die Förderung ausgefüllt waren, packte ich meine Sachen und meinen Hund in einen Volkswagen Caddy und fuhr innerhalb von drei Tagen über Frankreich nach Gopegi, wo ich herzlichst empfangen wurde und die kommenden 9 Wochen zusammen mit meinem Hund, zwei weiteren Hunden, zwei Eseln, zwei Schafen und insgesamt fünf Katzen sowie meiner neuen Mitbewohnerin gelebt habe. Gopegi ist circa 15 Minuten entfernt von Vitoria-Gasteiz, der Hauptstadt des autonomen Baskenlandes mit circa 250.000 Einwohnern. Im Gegensatz zu Bremen befindet sich die Stadt auf einer Meereshöhe von 525 Metern und die anliegenden Berge schaffen es über 1000 Meter. Zur Küste beträgt die Reisezeit eine Stunde, wobei jederzeit wachsam gefahren werden muss, da es nicht ungewöhnlich ist auf freilaufende Kühe, Pferde, Ziegen oder Schaafe zu treffen. An der Küste angekommen findet man zahlreiche schöne Buchten mit Sandstrand, umgeben von den grünen Bergen des Baskenlandes. Hier kann beispielsweise auf dem Jakobsweg gewandert, das Guggenheim-Museum in Bilbao besucht oder zahlreiche verschiedene Pintxos und Tapas in der Altstand von San-Sebastian probiert werden. Zusätzlich laden verschiedene Nationalparks zum Wandern ein.
Praktikum an der Universität von Mondragón
Im Rahmen des Forschungsprojektes wurde ich in der Projektgruppe der Technischen Fakultät der Universität und des Startups „Robtrusion“ eingeteilt. Diese Gruppe befasst sich mit der Produktion von Strukturbauteilen für den Schifffahrtsverkehr mittels UV-Pultrusion. Der Prozess beinhaltet ein Lager für Glasfasern und Glasgewebe. Diese werden mittels Roboterarm durch ein Harzbad befördert, welches mit einem photoreaktiven Harzgemisch befüllt ist. Der jeweilige Laminataufbau wird nach der Infusion mit dem Harz durch mehrere Führungen bis hin zu einer Form gezogen, welche dem Kompositbauteil die finale Form gibt. Direkt nach der Form wird das Harzsystem dann mittels Ultravioletter Strahlung vernetzt und es entsteht ein fertiges Bauteil. Besonders innovativ ist dabei die Vernetzungsreaktion außerhalb der Form, was dafür sorgt, dass weniger interne Spannungen in dem Bauteil entstehen und dass die Formgebung durch den Roboter mitbestimmt wird. Dadurch können verschiedene Radien in das kontinuierlich gefertigte Bauteil integriert werden.
Zu meinen Aufgaben gehörte das Vorbereiten der Maschine, die Produktion von pultrudierten Bauteilen und das Reinigen der Maschine. Zur Vorbereitung mussten die Führungen montiert, das Harzbad aufgebaut, die Form eingestellt und die Lampen so wie alle Sensoren montiert werden. Anschließend wurde der Laminataufbau Manuel durch die Form bis zum Roboterarm geführt, damit dieser kontinuierlich befördern konnte.
Nachdem wir verschiedene Laminate hergestellt haben, wurden Prüfkörper für Zugversuche hergestellt. Diese haben dann ein kontrastreiches schwarz-weißes Muster für die Digital-Image-Correlation (DIC) erhalten.
Anschließend befand ich mich weitestgehend im Prüflabor, wo ich die Materialeigenschaften der unterschiedlichen Kompositionen mittels Zugversuchen und DIC untersuch habe. Außerdem wurden die Zugversuche bei verschiedenen Temperaturen in einer Wärmekammer durchgeführt, um den Einfluss von Hitze zu untersuchen und zu schauen, ob sie den Betriebstemperaturen im Schiff standhalten können.
Nachdem alle Versuche durchgeführt wurden, konnten die Ergebnisse im Postprocessing ausgewertet werden. Der größte Aufwand fiel dabei auf die Analyse der DIC-Dateien. Pro Zugversuch wurden ca. 500 Bilder aufgenommen. Bei der Bestimmung der Längenänderung im Verhältnis zur einwirkenden Kraft hat ein selbstgeschriebenes Python-Script geholfen, welches die Daten erhoben und in Excel-dateien bereitgestellt hat.
Fazit
Die Arbeit an der Universität mit den spanischen Kollegen hat hervorragend geklappt, alle waren sehr freundlich und bemüht mir die Eingewöhnung angenehm zu gestalten. Wir haben häufig das lokale Café besucht und dort auch zu Mittag gegessen. Professionell habe ich sehr viel über den Pultrusionprozess, die Materialcharakterisierung und die DIC gelernt. Außerdem habe ich viele neue Kontakte und auch Freunde gewonnen. Ich hatte gehofft mein spanisch weiter zu verbessern, auch wenn Englisch als Sprache vereinbart wurde. Da das Baskenland jedoch für ihre eigene Sprache, „Euskera“, bekannt ist, konnte ich lediglich Wortfetzen in den Gesprächen mit meinen Kollegen aufschnappen.
Dafür hat mir das Leben auf dem Bauernhof in Gopegi umso mehr dabei geholfen, denn meine Mitbewohnerin konnte nicht so gut englisch sprechen und daher war ich dazu gezwungen, sehr schnell „Castellano“ zu lernen. Auch das Leben hat mir hier sehr gut gefallen. Zwar war es wesentlich ruhiger als in Bremen, doch hatte ich die Möglichkeit viel zu erleben, da alle sehr gastfreundlich und interessiert waren. So wurde ich bei einer Kneipentour durch die Dörfer von vielen der Nachbarn auf Bier und Tortilla eingeladen und durfte erzählen, woher ich komme und was ich mache. Ich denke die Zeit ist unvergesslich und ich würde es jedem empfehlen, der die Möglichkeit bekommt.
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