Ich studiere an der Universität Bremen den Master „Wirtschaftspsychologie“, in welchem ursprünglich auch ein Auslandsaufenthalt vorgesehen war. Wie viele, musste auch ich flexibel reagieren, als im letzten Jahr die Corona Pandemie begann. Eigentlich sollte ich für ein Praktikum nach Vancouver fliegen, dieses konnte jedoch aufgrund der Krisensituation nicht stattfinden. Eine Alternative fand ich mit Hilfe des Karriereportals der Uni Bremen: ein Praktikum im HR-Bereich bei Nike in Amsterdam. Die perfekte Möglichkeit doch noch ein Auslandspraktikum zu absolvieren, ohne bei den unsicheren Bedingungen zu weit von Deutschland entfernt zu sein.
Vorbereitung
Nach einem längeren Interviewprozess erhielt ich die Zusage für ein Praktikum bei Nike Ende Juni mit Startdatum im August. Dies ließ mir relativ wenig Zeit für Vorbereitungen – das Gute an den Niederlanden ist jedoch, dass es sich nicht wirklich wie „Ausland“ anfühlt, das heißt beispielsweise über die Anreise musste ich mir keine großen Sorgen machen. Eine Arbeitsgenehmigung habe ich mit Unterstützung meines Arbeitgebers erhalten. Bezüglich der Sprache musste ich mir auch keine allzu großen Gedanken machen: Die Niederländer*innen sprechen alle sehr gutes Englisch. Die große Herausforderung war allerdings die Suche nach einer (bezahlbaren) Wohnung. Ich habe mein Glück über verschiedene Facebook-Gruppen versucht und wurde hier fündig. Was ich allerdings erst später feststellte: Meine Wohngemeinschaft war ziemlich abgelegen von Amsterdam, sodass ich nach zwei Monaten nochmal den Wohnort wechselte. Das lehrte mich auf jeden Fall flexibel zu sein und die Situation so zu nehmen, wie sie kommt, und nicht immer direkt den perfekten Plan zu erwarten: Der nochmalige Wohnungswechsel war überhaupt kein Problem und meine alte Wohnung konnte ich leicht einem Nachmieter überlassen.
Beginn
Gerade der Beginn in Amsterdam war sehr spannend. Im August gab es relativ wenige Restriktionen, sodass ich die Möglichkeit hatte, Amsterdam ausgiebig zu erkunden. Ob Kanalrundfahrt, Museumsbesuche, Bio-Märkte oder Shopping – Amsterdam hat für jeden Geschmack etwas zu bieten und ich war direkt verliebt in meine neue Heimat. Natürlich legte ich mir direkt ein Fahrrad zu (ohne das kommt man in Amsterdam nicht aus!), aber auch ein Regenmantel war ziemlich oben auf meiner Einkaufsliste.
Ich hatte das Glück, dass ich sehr leicht Anschluss fand: Insgesamt fingen bei Nike über 100 Praktikant*innen an, sodass sich schnell eine internationale Gruppe bildete, in der wir gemeinsame Aktivitäten planten. Da es wenige andere deutsche Praktikant*innen gab, wurde mir so die Möglichkeit einer internationalen Erfahrung geboten, in welcher ich andere Kulturen kennenlernen und mein Englisch weiter aufbessern konnte. Nur zu Niederländer*innen war es schwerer Kontakt aufzubauen, da diese meist bereits ihre festen Freundeskreise hatten, und so weniger Interesse an neuen Freundschaften zu haben schienen. An sich ist Amsterdam jedoch sehr international und bringt Menschen aus den verschiedensten Orten und Kulturen zusammen, was auch meiner Meinung nach zum Teil seinen Charme ausmacht.
Das Praktikum
Der Campus von Nike ist außerhalb von Amsterdam, genauer gesagt in Hilversum, was ca. 40-50 Minuten mit dem Zug benötigt. Gerade zu Beginn meines Praktikums konnte ich noch öfter in das Büro gehen und war wirklich sehr beeindruckt von der sehr modernen Ausstattung, den vielen Sportmöglichkeiten und der entspannten Atmosphäre. So gab es beispielsweise im Außenbereich überall Sitzsäcke, die man den ganzen Tag auch zum Arbeiten nutzen konnte. Was ich gerade zu Beginn als etwas überfordernd wahrnahm, waren die flexiblen Arbeitsplätze. Es war nie wirklich klar, wo ich an dem Tag arbeiten und wo meine Führungskräfte sein würden. Wahrscheinlich hätte ich mich hieran mit der Zeit gewöhnen können, dann kamen jedoch wieder strengere Restriktionen, die alle Mitarbeitenden ab Oktober zurück in das Homeoffice beförderten. Ich war mir nicht sicher, ob ich in einer Homeoffice-Umgebung wirklich das lernen konnte, was ich mir wünschte, aber meine Führungskräfte sorgten dafür, dass ich in vielen Projekten eingebunden war und so zumindest virtuell mit einigen Menschen in Kontakt treten konnte.
Inhaltlich war ich mir nicht ganz sicher, was ich von dem Praktikum erwarten konnte. Ich hatte bereits Erfahrungen in der Personal- und Organisationsentwicklung gesammelt und unterstütze nun bei Nike zwei HR-Businesspartner. Dies bot mir noch einmal ganz andere Einblicke, die spannend, aber auch sehr herausfordernd waren. Da erinnere ich mich beispielsweise an ein Projekt, in welchem ich die KPIs für die verschiedenen Stores analysieren sollte und gerade mit meinen Excelfähigkeiten an meine Grenzen stieß. Aber dank YouTube Videos und Tipps von Freunden und Verwandten konnte ich auch diese Herausforderung meistern. Ansonsten konnte ich beispielsweise an Projekten zur Weiterentwicklung von Führungskräften, im Recruiting sowie bei Diversity Themen unterstützen. Auch wenn es sich um ein Jahrespraktikum handelte, hatte ich nie das Gefühl, dass sich das Praktikum hinzog – im Gegenteil: die Zeit verflog wie im Flug, da es immer noch etwas Neues zu lernen und entdecken gab.
Besonders spannend für mich war auch die Unternehmenskultur, da ich zuvor noch nie in so einem großen, internationalen Konzern gearbeitet hatte. Ich war überrascht, wie stark Praktikanten wertgeschätzt und auch in strategische Projekte mit eingebunden wurden. Der Umgang miteinander fühlte sich sehr entspannt an, sogar mit Führungskräften der oberen Hierarchiestufen. Was offensichtlich wurde, war die Verbindung zu Sport, die jeder Mitarbeitende teilt. So war es ganz normal, dass man mit Sportklamotten in einem Meeting erschien, da man anschließend in der Mittagspause zum Joggen verabredet war. Sport wurde als natürlicher Teil des Arbeitstages angesehen und das war für mich persönlich auch sehr motivierend, noch mehr Sport zu machen und verschiedene Sportarten auszuprobieren. Natürlich fehlte ein großer Teil der Unternehmenskultur: Es gab keine großen Events und auch der Campus war von Oktober bis zum Sommer geschlossen, was ich natürlich sehr schade fand. Ich habe jedoch versucht, das Beste aus der Situation zu machen.
Fazit
Das Praktikum war für mich insgesamt eine sehr lehrreiche Erfahrung. Es hat meine zukünftige Karriereplanung stark beeinflusst und meine Prioritäten noch einmal verschoben, denn nun kann ich mir gut vorstellen, selbst einmal HR-Businesspartner zu werden. Zusätzlich war Amsterdam gerade in Zeiten der Lockdowns deutlich ruhiger ohne Touristen und hat so auch eine einmalige Gelegenheit geboten, die Stadt einmal in einem ganz anderen Licht kennenzulernen. Tatsächlich hat mir die Stadt so gut gefallen, dass ich hier nun meinen ersten Job beginnen werde. Ich persönlich kann im Nachhinein also einfach nur dankbar sein, wie es für mich gelaufen ist, auch wenn nichts davon geplant war, sondern mir zuerst nur als eine „Notlösung“ erschien. Eine Auslandserfahrung kann ich jedem nur wärmstens ans Herz legen.
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