Im Rahmen des Masters Politikwissenschaften absolvierte ich von September 2019 bis Ende Januar 2020 mein Pflichtpraktikum beim European Trade Union Committee for Education (ETUCE) in Brüssel. Da ich sowohl im Bachelor, also auch im Master Teil der Studienvertretung war und mich schon länger für Bildungspolitik interessierte, bewarb ich mich relativ spontan Ende Juli 2019 für das Praktikum bei ETUCE. Nach zwei Interviews bekam ich Ende August die Zusage und musste bereits 10 Tage später anfangen.
Das relativ kleine Büro von ETUCE besteht aus 10 MitarbeiterInnen und 3 PraktikantInnen. Bewerben kann man sich in den drei Abteilungen: Gender Equality and Inclusion + Higher Education; Social Policy and Collective Bargaining und Occupational Health and Safety + Digitalisation.
Ich landete in der Abteilung Gender Equality and Inclusion, sowie Higher Education und arbeitete somit für zwei Koordinatorinnen. Die Hauptaufgaben während meines Praktikums bestanden darin die EU-Bildungspolitik und die Politik der Gleichstellung und Inklusion innerhalb der EU zu beobachten, bei der Erstellung interner und externer Notizen zur allgemeinen und beruflichen Bildung, sowie zu Fragen der Gleichstellung und Inklusion zu helfen. Zudem assistierte ich bei der Vorbereitung und Nachbereitung von Konferenzen und Seminaren und erstellte anschließend Berichte und Protokolle. Außerdem unterstützte ich meine Koordinatorinnen bei der Vorbereitung von Projektanträgen für EU-Fördermittel und beim Schreiben von Abschlussevaluationsreporten an die Europäische Kommission.
Ich hatte das große Glück, dass mein Praktikum in eine Zeit fiel, in der zwei Projekte zu Ende gingen. Somit hatte ich die Möglichkeit direkt zu Beginn meines Praktikums im September 2019 zur Abschlusskonferenz des Projektes “Social dialogue and gender equality: Empowering education trade unions to address gender equality in the teaching profession through social dialogue” nach Bukarest zu reisen und bei der Durchführung zu helfen. Im November 2019 flog ich dann mit nach Warschau zu der Abschlusskonferenz des zweiten Projektes “EU CONVINCE: COmmon Values and INClusive Education“. Darüber hinaus nahm ich auch mindestens zwei Mal im Monat an Veranstaltungen im Europäischen Parlament, der Kommission oder in NGOs teil.
Im Allgemeinen war die Arbeit bei ETUCE sehr abwechslungsreich und informativ und ich konnte viel über die Bildungspolitik in Europa und die Abläufe in Brüssel lernen. Da ich nach meinem Studium gern in einer NGO, einem Thinktank oder vielleicht auch in einer Gewerkschaft arbeiten würde, empfand ich es besonders interessant zu lernen, wie man ein Projekt von vorne bis hinten plant und durchführt. Ich brauchte eine Weile um mich an die Arbeitsweise und besonders den Ton zu gewöhnen, in dem ich im Namen von ETUCE Nachrichtenartikel oder Stellungnahmen schreiben musste. Gerade am Anfang hätte ich mir auch mehr Unterstützung meiner Koordinatorinnen gewünscht. Ich war die einzige Praktikantin, die nicht zusammen mit ihren Koordinatorinnen in einem Büro saß und ich musste mir daher viel selbst beibringen. So hatte ich auch bis zum Ende meines Praktikums kein einziges Evaluationsgespräch und Korrekturen meiner Arbeit wurden mir fast ausschließlich als Word-Korrekturvorschläge zugeschickt. Dennoch habe ich in den 5 Monaten viel gelernt und auch wenn es oft stressig war und ich mir teilweise ein besseres Arbeitsklima gewünscht hätte, bin ich doch froh das Praktikum so kurzfristig angenommen zu haben.
Für die Arbeit (37,5h/ Woche) bei ETUCE erhielt ich eine angemessene Aufwandsentschädigung, sowie Monatstickets für die öffentlichen Verkehrsmittel. Darüber hinaus wird die Anreise nach und die Abreise von Brüssel bezahlt. Im Gegensatz zu einem Praktikum bei der Europäischen Kommission bekommt man zudem Erasmusförderung, ohne die ich mir das Praktikum nicht hätte leisten können. Die Arbeitssprache im Büro ist zu 90% Englisch. Französischkenntnisse sind von Vorteil, aber nicht zwingend notwendig. Da ich ich zu Schulzeiten bilingualen Französischunterricht belegt habe, wollte ich meine Zeit in Brüssel eigentlich nutzen, um die Sprache aufzufrischen. Im Büro war dies jedoch kaum möglich. Daher suchte ich mir eine WG mit belgischen MitbewohnerInnen. Ich hatte Glück und fand eine tolle WG mit der ich auch oft Französisch sprechen konnte. Da sehr viele internationale PraktikantInnen in Brüssel leben, sind die meisten WGs jedoch International und es ist nicht so einfach für eine kurze Zeit eine belgische WG zu finden, die Lust auf jemanden aus der sogenannten “EU Bubble” hat.
Brüssel ist im Vergleich zu vielen anderen europäischen Großstädten nicht allzu teuer. Ein Zimmer findet man in der Regel für 320-500 Euro im Monat. Die meisten PraktikantInnen wohnen in großen WGs (8-12 Leute), von denen es aufgrund der hohen Nachfrage sehr viele über die ganze Stadt verteilt gibt. Auch die Lebenshaltungskosten sind nur geringfügig höher als in Deutschland. Nur in Bars gibt man schnell mal ein paar Euro mehr für das gute belgische Bier aus. Brüssel ist durch die vielen Studierenden und PraktikantInnen eine sehr junge und lebendige Stadt und ich habe mich dort sehr wohl gefühlt. Donnerstags findet man viele PraktikantInnen am Place du Luxembourg für After-Work-Drinks und auch sonst ist es nicht schwer neue Leute kennenzulernen. Im Sommer kann man zudem sehr gut draußen in den Straßen sitzen. Leider konnte ich das nur in meinem ersten Monat nutzen, da das Wetter in Brüssel im Winter in der Regel recht grau und regnerisch ist. Eine gute Regenjacke und einen sturmfesten Schirm kann ich daher nur wärmstens empfehlen.
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