Die Praktikumsstelle habe ich im Oktober 2019 über die Webseite der Universität Bremen gefunden, in der Firmen aufgelistet sind die mit den Studenten der Uni als Praktikanten kollaborieren würden. Ich habe direkt angerufen um sicherzustellen, dass sie einen Praktikanten für den Zeitraum suchen. Am Telefon wurde mir direkt gesagt ich könnte eine E-Mail mit meinem Lebenslauf und einem Motivationsschreiben schicken, was ich dann umgehend gemacht habe. Mir war von Anfang an klar, dass ich in einer Firma arbeiten möchte, in der ich neben der Anwendung gelernter Theorien des Studiums, mehrere Sprachen sprechen kann und in mit einem großen, internationalem Team zusammen arbeiten kann.
Die Personalabteilung hat zügig geantwortet und wir haben einen Termin für ein Telefoninterview ausgemacht. Das Telefoninterview hatte ich mit M., die mich über mich selbst und über meine Erfahrungen in der Arbeitswelt gefragt hat. Das Interview hat circa 30 Minuten gedauert. Am darauffolgenden Tag erhielt ich eine Mail mit der Zusage. Ich habe mir eine Woche Zeit gelassen, da ich auch meine anderen Optionen in Betracht ziehen wollte, für welche ich mich zuvor auch beworben hatte. Letztendlich habe ich mich für die Stelle bei dem Übersetzungsbüro entschieden, da das Personalbüro immer sehr zügig auf meine Mails reagiert hat, die Firma ihren Sitz in Barcelona hat und der Aufgabenbereich mich am meisten interessiert hat. Viele der weiteren Firmen bei denen ich mich beworben hatte, konnten mir leider im gewünschten Zeitraum keinen Platz anbieten oder haben auf meine Bewerbungsmail nicht reagiert.
An meinem ersten Tag wurde ich im kleinen, aber feinen Büro rumgeführt. Insgesamt gibt es 3 Festangestellte, der Rest bestand aus 9 Praktikanten, darunter welche aus Italien, Frankreich und England. Mir wurde das Manual mit Anweisungen zu de Arbeitsabläufen gegeben, diese sollte ich am ersten Tag zur Einarbeitung durchlesen und mir die wichtigsten Punkte aufschreiben.
Am zweiten Tag ging es dann tatsächlich mit der eigentlichen Arbeit los. M. (Human Resources) und V. (Projektmanagment) arbeiteten mich auf Spanisch ein und zeigten mir direkt wie ich Angebote für die Kunden erstelle. Bei der Erstellung der Angebote war es wichtig, die Preise pro Wort für die jeweiligen Sprachkombinationen zu berücksichtigen, und den Preis für die Übersetzung zu berechnen. Zum Beispiel ein Text mit 1000 Wörtern soll von Spanisch auf Deutsch übersetzt werden. Also sollte ich den Preis pro Wort mit der Anzahl an Wörtern im Text multiplizieren. Neben Standardübersetzungen bietet das Büro auch spezialisierte Übersetzungen an, ISO 9001 Übersetzungen (für Speisekarten) und beglaubigte Übersetzungen an. Die Preise für diese Übersetzungen variieren. Ab 5000 Wörtern gibt es dann für den Kunden auch einen Rabatt. Wenn Dokumente als PDF verschickt werden, sollte ich diese auch mit einem speziellen Programm (Abby) konvertieren, damit wir die Wörter zählen konnten. Das Angebot beinhaltete: Name der zu übersetzenden Dokumente, Wörteranzahl, Preis pro Wort, ggfs. Rabatt, ggfs. Aufschlag für schnelle Übersetzung, Gesamtpreis + 21% MwSt, Art der Bezahlung und Anfrage des Kunden.
Wenn ein Angebot vom Kunden angenommen wurde, war ich dafür zuständig den passenden Übersetzer in unserer Datenbank für das jeweilige Projekt zu finden und zu kontaktieren. Übersetzer dürfen für eine perfekte Übersetzung nur in Ihre Muttersprache übersetzen. Außerdem dürfen nur beeidigte Übersetzer zum Beispiel Geburtsurkunden oder Eheverträge übersetzen. Wenn der Preis schon kalkuliert wurde und der Kunde diesem Preis zustimmt, dann habe ich den Preis für den Übersetzer berechnet, sowie auch den Abgabetermin und ihn in einer E-Mail gefragt, ob er das Projekt übernehmen kann. Die Anfrage für den Übersetzer enthält das zu übersetzende Dokument, den Preis, den Abgabetermin und die Sprachkombination.
Anders verhält es sich bei unüblicheren Sprachkombinationen, wie zum Beispiel Spanisch – Ukrainisch. Da haben wir keinen festen Preis, sondern fragen den Übersetzer wie seine persönliche Vorstellung ist und bitten ihn, uns seine Tarife zu schicken. Wir senden dem Übersetzer das Dokument und fragen nach dem Preis sowie wie viele Bearbeitungstage er braucht. Mit dem vom Übersetzer genannten Preis und Arbeitstagen erstellen wir das Angebot für den Kunden.
Wenn das Angebot angenommen wird und der Übersetzer sein OK zur Bearbeitung gibt, dann erstellen wir die Aufträge für beide Seiten. Im Auftrag des Übersetzers nennen wir erneut die Sprachkombination, das verhandelte Honorar und den Abgabetermin und fügen die endgültigen Dokumente ein. In der Auftragsbestätigung des Kunden nennen wir die Projektnummer und den Liefertermin für die Übersetzung.
Bei beeidigten Übersetzungen brauchen wir sowohl die Adresse vom Übersetzer als auch vom Kunden, da diese gestempelten Übersetzungen per Kurierdienst (Nacex) versendet werden.
Sobald die beiden E-Mails mit den Aufträgen versendet wurden, schreibt man das Projekt in das Planning. Auf diesem Planning sind die Projekte wie in einem Kalender aufgelistet, die an jedem Arbeitstag beim Kunden eingereicht werden müssen. Sobald der Übersetzer seine Übersetzung fristgerecht bei uns einreicht wird dies im Planning markiert, und man kann die sogenannte „entrega“ also Abgabe, erstellen. In dieser Mail werden die übersetzten Dokumente angehängt, sowie sonstige Informationen vom Übersetzer, wenn zum Beispiel eine Abkürzung in einer anderen Sprache vorliegt, damit der Kunde sie verstehen kann. Der Erhalt dieser Mail muss vom Kunden bestätigt werden. Somit ist das Projekt abgeschlossen.
Nach einigen Wochen war ich auch schon so sicher, dass ich die Anfragen per Mail von den Kunden beantworten konnte, und auch Projekte angenommen und erstellt habe, und alleine den Übersetzungsprozess eingeleitet habe bis zur Abgabe beim Kunden. Außerdem habe ich auch Telefonanfragen entgegengenommen und Auskünfte auf Spanisch, Englisch und manchmal auch Deutsch gegeben. Wenn Kunden persönlich in die Firma kamen, war ich auch dafür zuständig deren Daten zu erfassen, das Dokument zu scannen und es in das System einzutragen.
Natürlich gehört auch das Beschwerden Management dazu. Wenn es eine Beschwerde zu der Übersetzung gab, habe ich den beauftragten Übersetzer kontaktiert und darum gebeten, den Text noch einmal zu bearbeiten. Wenn es Probleme mit dem Kurierdienst gab, oder die Übersetzung sich verspätete, rief ich Nacex an und regelte die Lieferung.
Neben Übersetzungen bietet das Büro auch Korrekturlesungen und Dolmetscherdienste an. Wie bei den Übersetzungen auch, habe ich hier nach den richtigen Dolmetschern gesucht, nach deren Honorar gefragt und die Angebote für den Kunden erstellt.
Bei der Arbeit habe ich schnell Verantwortung getragen und mir wurde klar gesagt, welche Aufgaben ich zu erledigen habe. Außerdem war ich immer offen für neue Aufgaben wie zum Beispiel an das Telefon gehen. Am Anfang hatte ich etwas Respekt davor, da mein Spanisch nicht perfekt ist und ich mir nicht sicher war ob ich die Kunden verstehen werde. Aber schon nach ein paar Telefonaten wurde es besser und nach einigen Wochen erledigte ich meine Arbeiten ganz ohne Supervisor, Erklärungen oder Anweisungen.
Ich habe gemischte Erfahrungen bei dem Büro gesammelt. Zu den positiven gehört, dass man hier in dieser kleinen Firma doch viel Verantwortung trägt. Das ist für mich ein großer Pluspunkt, da ich nun noch sicherer in der Arbeitswelt bin und ganz genau weiß, was ich leisten kann und was ich in einer Firma beitrage. Außerdem habe ich mein Spanisch verbessert und meinen professionellen Wortschatz erweitert in dem ich gelernt habe, wie man auf Spanisch mit Kunden am Telefon spricht und per E-Mail kontaktiert. Mir wurde viel Freiraum gelassen, wenn es um die Pausen ging. Wenn ich auch mal später dran war, war es kein Problem. Die Spanier sind eben etwas lockerer was das angeht. Das Team ist sehr jung und es hat Spaß gemacht dort zu arbeiten. Alle waren nett und hilfsbereit und ich habe mich mit allen sehr gut verstanden.
Zu den negativen Aspekten gehört jedoch die mangelnde Professionalität. Meinen ersten Tag stellte ich mir anders vor. Der Chef hat sich erst ein Monat später bei mir vorgestellt. In den nächsten Wochen fiel mir auf, dass dies seine gängige Vorgehensweise ist. Der Chef kommt nur vorbei wenn es etwas dringendes gibt und er mit seinen festangestellten reden muss, und zufällig dabei begrüßt er dann die neuen Praktikanten, fragt dieselben Fragen und begrüßt sie alle mit denselben Sätzen wie mich. Es fehlt an Wertschätzung in dieser Firma. Die Praktikanten dort leisten wirklich viel, wenn nicht die ganze Arbeit, und der Chef macht sich nicht die Mühe sich am ersten Tag vorzustellen oder die Namen kennen zu lernen. Bei einem Kollegen hat sich der Chef sogar dreimal vorgestellt. Die Praktikanten hatten schnell eine negative Meinung über ihn und diese wurde auch nicht besser, da die Festangestellten einen ähnlichen Eindruck vermittelten. Dies zeigte mir eindeutig, unter welchen Arbeitsumständen ich zukünftig nicht arbeiten möchte und was mir wirklich wichtig ist.
Aber zu jeder Erfahrung gehören positive und negative Eindrücke dazu. Ich bin generell sehr glücklich über meine Entscheidung hier gearbeitet zu haben, da die positiven Aspekte für mich überwiegen. Trotz der geringen Wertschätzung des Chefs habe ich für mich persönlich viel gelernt und habe mich Herausforderungen gestellt. Außerdem war es mir sehr wichtig, dass die Kollegen die täglich mit mir gearbeitet haben sich auf mich verlassen konnten und darauf zählen konnten, dass ich meinen Beitrag zur Teamarbeit geleistet habe.
Ich habe aus dieser Erfahrung letztendlich wirklich viel mitnehmen können, obwohl der erste Eindruck nicht danach aussah. Ich bin sehr selbstsicher im Umgang mit Kunden, bei der Berechnung von Preisen, und bei der Verwaltung von schwierigen, komplizierten und teuren Projekten. Kundenkontakt am Telefon und der Schriftverkehr sind mittlerweile einfach. Ich habe viele neue Praktikanten eingearbeitet und Tipps gegeben, wie die Arbeit schneller und effizienter erledigt werden kann.
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