Zum Master Meeresbiologie gehört die Durchführung eines kleinen Forschungsprojektes, dem sogenannten „Student Research Project“. Da ich bis zu diesem Zeitpunkt im Zuge meines Studiums noch nicht im Ausland war und es so langsam aber sicher dem Ende meiner Studienzeit entgegen ging, wollte ich den Rahmen dieses Projektes unbedingt nutzen, um meinen Erfahrungsschatz um dieses Experiment zu erweitern. Also habe ich meinen Betreuer in Deutschland nach Kooperationsprojekten im Ausland gefragt und so bin ich an mein Projekt am französischen Meeresforschungsinstitut „Ifremer Centre de Bretagne“ gekommen.
Neben meinem Wunsch in einem anderen Land zu arbeiten und so die Kultur und Lebensweise auf eine intensive Art und Weise kennen zu lernen, wollte ich mein Forschungsprojekt dazu nutzen, meine durch mein Bachelorstudium geringen Laborkenntnisse zu erweitern. Und damit meine Kompetenzen für das spätere Berufsleben. Außerdem wollte ich schon immer fließend Französisch sprechen können und nah am Meer wohnen, um, aufgewachsen im Ruhrgebiet, diesen Lebensraum erfahren und studieren zu können. Als mein Betreuer in Deutschland mir die Praktikumsstelle am Ifremer vorschlug, war das für mich wirklich ein ziemlicher Glücksfall! Das Institut befindet sich direkt am Atlantik in Frankreich und der methodische Ansatz war molekularbiologischer Art, und als solcher mit einer intensiven Laborarbeit verbunden. Während meiner Zeit am Ifremer (Februar bis Juli) habe ich im Rahmen meines Projektes die Auswirkung der Ozeanversauerung auf die Entwicklung des Riechorgans von Fischlarven des Europäischen Seebarsches (ein unglaublich beeindruckender und faszinierender Fisch) erforscht. Dafür habe ich die Expression eines Genes untersucht, das das Entwicklungsstadium der olfaktorisch, sensorischen Neuronen, also den Nervenzellen, die die Gerüche im Wasser aufnehmen und ans Gehirn weiterleiten, markiert. Von einer UniInformationsveranstaltung habe ich von Erasmus plus erfahren, mich beworben und bin erfreulicherweise angenommen worden. Die Förderung hat mir sehr geholfen, meinen Aufenthalt zu verwirklichen.
Vorbereitung und Ankunft
Eine Wohnung in Plouzané in Frankreich zu finden, war von Deutschland aus ziemlich kompliziert, weil die Vermieter sehr viele Dokumente zur Absicherung der Mietzahlung durch meine Eltern benötigt und in den Wohnungen oder WGs Internet oder eine Waschmaschine oft nicht vorhanden waren. Schlussendlich habe ich aber eine sehr schöne Unterkunft mit einem super netten und hilfsbereiten Vermieter gefunden, der bei Problemen stehts mit geduldig langsam und deutlich gesprochenem Französisch zur Stelle war! Nach 36 Stunden Flixbusfahrt, bin ich schließlich in Plouzané HBF angekommen und sehr herzlich von meinem französischen Betreuer empfangen worden! Ich wurde von ihm mit einem Fahrrad ausgestattet, um in der kleinen Stadt Plouzané, in der man ohne Auto oder Fahrrad nicht weit kommt, mobil zu sein. Außerdem wurde ich für die ersten Tage mit in sein Familienleben eingeplant, das ein paar kleine Ausflüge, nette Gespräche und die ersten französischen Spezialitäten beinhaltet und mir das Ankommen hier wirklich erleichtert hat!
Arbeitsalltag
Auch im Institut und in meiner Forschungsgruppe wurde ich sehr herzlich empfangen! Alle waren sehr aufmerksam und hilfsbereit. Durch die gemeinsame Kaffeepause um zehn und das gemeinsame Mittagessen an den Freitagen hatte ich gute Gelegenheiten mich in die Gruppe zu integrieren und auch Sachen über die Forschungsprojekte der anderen Forscher und Forscherinnen zu erfahren. Das war super spannend und wichtig für mich, um mich in dieser Hinsicht zu orientieren. Da die marineBiologie ein sehr weites Feld ist, war ich mir noch nicht sicher, in welchem Bereich es für mich hinsichtlich des späteren Berufslebens aber auch des Masterarbeitsthemas weiter geht. Die Kaffeepausen und der Austausch haben mir in dieser Hinsicht auf jeden Fall weitergeholfen!
Bezüglich meines Projektes wurde ich mit viel Geduld, Ruhe und Freundlichkeit von der Labortechnikerin eingearbeitet und auf einer Mischung aus englisch, französisch und Händen und Füßen in die Grundlagen der Molekularbiologie eingeführt. Nach einem generellen Training im Pipettieren, habe ich die praktische sowie theoretische Seite der quantitativen real-time PCR und allen Methoden, die dazu unterstützend nötig sind, wie RNA-Extraktion, Reinheits- und Integritätsprüfung der Proben, Erstellung von Verdünnungsreihen und die Umschreibung von RNA zu DNA mittels Reverse Transkription, erlernt. Desweitern lernte ich, mit Gendatenbanken zu arbeiten. Mittlerweile bin ich in der Lage nach Gensequenzen zu suchen, Primer für die Analyse dieser Sequenzen zu ‚designen‘ und Gen- oder Proteinsequenzen mit anderen Methoden zu analysieren. Dieser Einblick war für mich sehr spannend und lehrreich, weil ich bis zu diesem Zeitpunkt in diesem Themenbereich noch nicht gearbeitet oder Lehrveranstaltungen diesbezüglich besucht hatte. Hinzu kommt, dass ich nicht nur die Technik, sondern auch den theoretischen Hintergrund vermittelt bekommen habe, was den ganzen Lernprozess sehr bereichert hat! Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich eine riesige Lernkurve bestritten habe. Mein Betreuer hat mir am Anfang empfohlen, für mich selbst ein Tagebuch zu führen, um diese Lernkurve zu verfolgen. Und obwohl es Phasen gab, in denen ich das Gefühl hatte, dass nicht wirklich etwas nach vorne geht, weil es methodische Probleme gab oder die benötigten Geräte von anderen Studenten benötigt wurden, habe ich doch unglaublich viel gelernt und einen sehr umfassenden Einblick in den Bereich der Molekularbiologie gewonnen!
Darüber hinaus hatte ich die Möglichkeit, an der Biometrie der Versuchstiere teilzunehmen. Das heißt an der Vermessung, dem Wiegen und Untersuchen der Tiere. Da ich zoologisch sehr interessiert bin, war auch das eine sehr spannende Erfahrung. Auch über kurze Einblicke in die Arbeit der Fischereibiologen oder Algenforscher bin ich sehr dankbar! Wo auch immer ich meine Nase reingesteckt und neugierige Fragen gestellt habe, wurde mir mit Offenheit begegnet und mit Freude erklärt, was da nun gerade passiert und warum.
Genereller Tagesablauf und Freizeit
Generell habe ich um neun Uhr angefangen und das Institut meist gegen fünf verlassen. Als es später in die heiße Phase der Experimente ging, war ich dann von acht bis sechs Uhr da. Mein Weg zur Arbeit mit dem Fahrrad (oft durch den wunderbaren bretonischen Sprühregen) hat zwar nur 10 Minuten gedauert und mit dem Rad zum Meer nur fünf Minuten länger, dafür war ich aber vom kulturellen Leben in Brest ziemlich abgeschnitten. Nach Brest gibt es zwar eine Verbindung mit Bus und Bahn, nur leider am Abend nicht zurück. Dafür habe ich mit den anderen Praktikanten vom Institut regelmäßig gemeinsame Abende verbracht und den Tag zum Beispiel beim Sonnenuntergang am Meer oder während einem „soirée“, zu dem jeder und jede etwas Kleines zu Essen und zu Trinken mitgebracht hat, ausklingen lassen. Wenn man in Brest wohnt, gibt es aber auf jeden Fall einige interessante Orte und in nicht Corona Zeiten auch ein abwechslungsreiches kulturelles Angebot. Das absolute Highlight meiner Freizeit war allerdings, dass ich meinen Wissensschatz über marine Arten erweitern und den Lebensraum, den ich studiere und liebe, vielfach zu allen möglichen Wetterlagen erleben konnte. Mit einem Kollegen, der meine Faszination für marine Organismen teilt, konnte ich mich wunderbar austauschen und ihn Fragen, wenn ich auf etwas gestoßen bin, was ich noch nicht kannte und in meinen Bestimmungsbüchern nicht finden konnte. Als es schließlich etwas wärmer wurde und man es im Wasser einigermaßen aushalten konnte, hatte ich die Möglichkeit mit Schnorchel und Taucherbrille ausgerüstet weiter auf Entdeckungstur zu gehen. Die Arten, die ichgefunden habe, habe ich wenn möglich in Bild und Schrift in meiner persönlichen Artenliste festgehalten.
Ich empfinde es als wichtig, den Lebensraum, den ich studiere und erforsche, zumindest ansatzweise zu kennen und einschätzen zu können und dem bin ich durch meinen Aufenthalt in Frankreich am Atlantik ein ganzes Stück näher gekommen und dafür bin ich sehr dankbar! Sprache
Da ich in der Schule fünf Jahre Französisch gelernt habe, im Institut eigentlich fast ausschließlich Französisch gesprochen wurde und ich auch von Anfang an versucht habe, auf dieser Sprache zu kommunizieren, ist von meinen Vorkenntnissen relativ viel relativ schnell zurückgekehrt. Mit ein bisschen Vokabeln lernen beim Frühstück, hat sich mein anfänglich brüchiges Französisch zu einem fließenden Sprechen entwickelt, wenn auch lange noch nicht fehlerfrei und mit einigen Schwierigkeiten beim Erzählen von Geschichten und Erlebtem aus der Vergangenheit einschließlich hätte-, wenn- und aber-Sätzen.
Gleichzeitig hat die Kommunikation und auch das Erlernen der molekularbiologischen Methoden auf Französisch mehr Energie und Kraft gekostet, als ich erwartet habe. Für mich persönlich war es darüber hinaus auch schwierig mit der Situation umzugehen, mich nicht so mitteilen und ausdrücken zu können, wie ich möchte, vor allem, weil ich normalerweise ein sehr lebhafter und extrovertierter Mensch bin. Gleichzeitig war diese Erfahrung aber auch sehr wichtig für mich, weil ich herausgefunden habe, dass es ein wichtiger Punkt ist, den es zu berücksichtigen gilt, wenn es darum geht, ob ich später für längere Zeit im Ausland arbeiten und leben möchte, oder nicht. Außerdem empfinde ich diese Erfahrung als sehr bereichernd, weil sie mir ermöglicht, Situationen von Freunden und Freundinnen, die im Ausland sind oder waren, besser nachvollziehen zu können und auch ein Gefühl dafür zu bekommen, wie schwierig es für Geflüchtete sein muss, in einem Land zu sein, in dem man sich nicht so verständigen kann wie man möchte oder es benötigt!
Kultur
Wenn es um die Kultur und die Menschen in der Bretagne geht, habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht! Ich habe die Menschen hier als sehr offen, positiv und hilfsbereit kennengelernt. Dementsprechend war auch die Arbeitsatmosphäre im Institut. Obwohl genauso ehrgeizig und anspruchsvoll und mit dem gleichen ‚workload‘ wie ich es bis jetzt in deutschen Instituten kennengelernt habe, habe ich die Arbeitsatmosphäre hier als etwas entspannter, von weniger Druck und dafür von mehr Achtsamkeit füreinander und die Gruppendynamik, wahrgenommen. Auch die Einblicke durch meinen marokkanischen Mitbewohner haben mich bereichert und mir die Augen für einen anderen Teil der Welt geöffnet, den ich sonst nur wenig wahrnehme.
Fazit
Insgesamt war meine Zeit in Frankreich am Ifremer sehr intensiv und erfahrungsreich. Ich habe sehr viel über mich selbst gelernt und bin an so einigen Herausforderungen gewachsen. Ich bin sehr dankbar, dass ich die mir fehlende Laborerfahrung nachholen konnte, mich in diesem Bereich auch für das spätere Berufsleben sicherer fühle und dies auch in meinem Lebenslauf deutlich machen kann. Des Weiteren bin ich dankbar für den Einblick in den Bereich der Molekularbiologie, der meine Sicht auch im Hinblick auf andere biologische Fragestellungen bereichern wird. Gleichzeitig ist mir aber auch klar geworden, dass ich den Schwerpunkt meiner weiteren Arbeit eher auf ökologisch, physiologische Fragestellungen und Methodiken legen möchte. Auch für diese Erkenntnis bin ich dankbar!
Generell kann ich das‚ Ifremer Centre de Brest‘ nur wärmstens als Praktikumsplatz empfehlen! Aufgrund seiner vielseitigen Arbeitsbereiche aber auch aufgrund der tollen Betreuung! An dieser Stelle auch vielen Dank für die Förderung durch Erasmus+, die mir diesen Aufenthalt, um einiges erleichtert hat! Ich kann eine Arbeitserfahrung im Ausland nur empfehlen, weil ich in vielen Bereichen sehr viel gelernt und das Gefühl habe, meinen Horizont ein Stückchen erweitert zu haben und die Welt dadurch anders verstehen zu können.
An dieser Stelle vielen Dank an Mathias Bücken, den Ansprechpartner der Uni Bremen in Fragen zum Erasmus plus, der immer super nett und schnell bei Fragen weitergeholfen hat!
Neueste Kommentare