In einem der zwei Forschungspraktika im Master Chemie wollte ich etwas Neues sehen. Eine neue Stadt, eine neue Universität und ein mir bis dahin relativ unbekanntes Forschungsthema. Um ehrlich zu sein wusste ich zumindest inhaltlich ansatzweise was auf mich zukommt, denn ich hatte zuvor einen Vortrag von Prof. Wirth an der Uni Bremen gesehen. Und somit bewarb ich mich dort auf ein Praktikum.
Bevor ich mein Praktikum begonnen habe wusste fast nichts über hypervalente Iod-Verbindungen und deren Einsatz in der Katalyse. Literaturrecherche habe ich selbstverständlich schon häufiger gemacht, aber mich so intensiv in ein neues Thema einzulesen und das gesammelte Wissen anschließend anzuwenden war ein sehr guter Einstieg. Für mich persönlich waren aber die vielen anderen Forschungsarbeiten die ich zu Gesicht bekommen habe mindestens genauso spannend. Die wöchentlichen Vorträge innerhalb der Gruppe zur eigenen Arbeit waren bereits sehr vielfältig und interessant. Aber besonders die Gast-Vorträge von Forschern aus der ganz Großbritannien zu den verschiedensten Themen innerhalb der Chemie und teilweise darüber hinaus sowie im Rahmen des jährlichen Treffens der Royal Society of Chemistry in Cardiff waren sehr bereichernd.
Die Universität Bremen ist, unschwer zu erkennen, noch nicht besonders alt. Das Gebäude der Chemie, in dem ich einen Großteil meines Studiums verbracht habe, ist noch deutlich neuer und das habe ich bisher einfach so hingenommen. In den ersten Tagen in Cardiff habe ich deutlich gespürt wie sich die Bauweise und der Charakter eines Gebäudes auf das alltägliche Arbeiten auswirken. In einem Gebäude das knappe 100 Jahre älter ist sieht es nun mal ganz anders aus. In manchen Laboren liegt Parkett. Statt das Labor als Praktikant mit zwei Doktoranden zu teilen findet man sich plötzlich in einem großen Labor mit durchschnittlich zehn bis fünfzehn Kollegen wieder. Man muss sich zwar manchmal mit Musik zufriedengeben die vielleicht nicht allen gefällt oder warten bis jemand seine Arbeit erledigt hat bis man selbst anfangen kann, jedoch verbringt man so viel mehr Zeit mit netten Menschen und hat viel mehr Chancen sich zu unterhalten oder Gedanken auszutauschen. Und das ist schließlich einer der Gründe warum ich überhaupt woanders hin wollte.
Meinen Aufenthalt habe ich mit 10 Tagen Urlaub abgeschlossen in denen ich mir viele Orte in Wales angesehen habe ich zuvor nicht zu Gesicht bekommen habe. Ich war auch an Wochenenden häufig wandern und habe so die Umgebung von Cardiff, Berge und Steilküste, erkundet. Allerdings benötigt es etwas mehr Zeit (und Mobilität) um an die wirklich schönen, spannenden und historisch interessanten Orte zu gelangen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Als ehemaliges Land der Burgen und im 20. Jahrhundert der Kohle hat Wales, als Nachbar von England eine einzigartige Geschichte die zu entdecken und verstehen sich wirklich gelohnt hat.
In weniger als drei Monaten habe auf vielen Ebenen zahlreiche großartige Erfahrungen gemacht, ein Land kennengelernt von dem ich zuvor quasi nichts wusste und viele tolle Leute getroffen. In jeder Hinsicht drei unvergessliche Monate.
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