1. Erste Schritte
Das Wintersemester 2016/2017 habe ich genutzt, um ein Auslandspraktikum als Fremdsprachenassistentin in Frankreich zu absolvieren. Ich habe mich bewusst für ein Praktikum im Ausland und gegen ein Auslandsstudium entschieden, da mir die Arbeit als Fremdsprachenassistentin in Hinblick auf meinen Berufswunsch (Lehrerin) als besonders effizient erschien. Die Bewerbung zur Fremdsprachenassistenz läuft über den pädagogischen Austauschdienst und als ich die Zusage bekommen habe, habe ich mich zusätzlich dazu entschlossen, mich um ein Erasmus+-Stipendium zu bewerben, da die Lebensunterhaltskosten in Frankreich sehr hoch sind und ich während meines Auslandspraktikums natürlich auch das Land erkunden wollte.
Ich wurde in der Akademie von Clermont-Ferrand, in der schönen Region Auvergne, eingesetzt. Ich bin allerdings nicht in der gleichnamigen Großstadt gelandet, sondern in dem kleinen Örtchen Vichy. Es ist zwar keine Studentenstadt, jedoch auf Grund der Thermen und Wasserquellen bei Touristen sehr beliebt. Auch sonntags haben alle Einkaufsmöglichkeiten und Sehenswürdigkeiten in Vichy deshalb geöffnet.
Ich habe mich anschließend zuerst auf Wohnungssuche begeben, was sich jedoch relativ schwierig gestaltete, da es eben keine Studentenstadt ist und die Wohnungen und WG-Zimmer daher sehr teuer sind. Letztendlich habe ich mich für ein Zimmer in einem abgetrennten Teil des Schulinternats entschieden, wo ich mit den zwei anderen Assistentinnen für einen bezahlbaren Preis leben konnte.
Nach meiner Ankunft am Bahnhof von Vichy wurde ich von meiner betreuenden Lehrkraft in Empfang genommen und zu einem für die Region typischen Essen eingeladen. Die ersten Wochen in Vichy waren selbstverständlich mit viel Bürokratie verbunden. Ich musste mich bei den Schulleitern vorstellen, ein französisches Konto eröffnen, eine französische Telefonnummer beantragen und eine Tonne von Dokumenten und Formularen ausfüllen. Glücklicherweise sind Franzosen sehr hilfsbereite Menschen und haben mir bei Gelegenheit mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Nachdem die Bürokratie hinter mir lag, konnte ich mich endlich voll und ganz auf die Arbeit und das Leben in Frankreich konzentrieren.
2. Arbeitserfahrungen
Da ich vorher bereits ein Jahr in Frankreich gelebt habe, eine Sprachschule besucht habe und mich daher sprachlich schon sehr sicher fühlte, standen bei mir die pädagogischen Erfahrungen (und nicht der sprachliche Fortschritt) im Vordergrund. Ich wollte einfach für das anstehende Referendariat gewappnet sein und mir Basiskompetenzen wie Zeitmanagement, Autorität, Benutzung von Medien, etc. aneignen. Ich denke für alle Praktika ist es wichtig, welche Priorität man setzt, um es erfolgreich abzuschließen. Natürlich bleibt eine sprachliche Verbesserung nicht aus, und so habe auch ich mich von meinem C1-Niveau auf ein C2-Niveau verbessert, jedoch waren für mich die pädagogischen Erfahrungen wichtiger und bleiben definitiv eine Bereicherung für mein weiteres Studium und meinen Berufswunsch.
Ich habe 12 Stunden pro Woche an zwei Lycées und zwei Collèges gearbeitet, jedoch überwiegend am Lycée Albert Londres. Meine Aufgaben waren in den jeweiligen Klassen ziemlich verschieden. Mit den Abiturienten habe ich nur mündliche Prüfungen durchgeführt, was für mich oft eine eher leichte Aufgabe war, da ich keinen Unterricht vorbereiten musste und mich nur mit den Schülerinnen und Schülern unterhalten sollte. Mit den sogenannten „Euro-Klassen“ hat dies wirklich Spaß gemacht, da diese Schülerinnen und Schüler sehr gut deutsch sprechen konnten und immer total interessante Diskussionen entstanden sind, sodass ich mich manchmal stundenlang mit ihnen hätte unterhalten können. In den normalen Klassen war dies allerdings immer etwas schwieriger und teilweise sehr schleppend, da diese Schülerinnen und Schüler sehr schlechtes bis gar kein Deutsch sprechen konnten.
An einem Collège habe ich Deutsch-AGs zugeteilt bekommen. Ich habe dafür mit der Lehrerin grobe Themen für jede Klasse besprochen, konnte den Rest (Reihenfolge, Medien, etc.) jedoch selbst bestimmen und auch jederzeit eigene Themenvorschläge einbringen. Dadurch dass es eben AGs waren, waren die Schülerinnen und Schüler immer sehr motiviert und hatten wirklich Spaß am Lernen.
Ansonsten habe ich von der 3ème bis zur 1ère die Klassen immer als Ganze unterrichtet, jedoch in Anwesenheit einer Lehrkraft. Ich habe dafür entweder ein grobes Thema (z.B. eine Epoche, Kunst, Berufe..) vorgegeben bekommen und sollte eine Unterrichtsstunde vorbereiten oder durfte das Thema frei wählen. Ab und zu musste ich auch nichts vorbereiten und die Lehrer im Unterricht, z.B. bei der Korrektur von schriftlichen Texten, unterstützen.
Zu Beginn meines Praktikums hatte ich noch kaum Erfahrung im Unterrichten und war auch dem-entsprechend aufgeregt als ich vor eine Klasse getreten bin. Die Aufregung hat sich jedoch nach einigen Wochen gelegt und das Unterrichten ist, wie für eine Lehrkraft üblich, zur Normalität ge-worden. Ebenfalls Probleme hatte ich mit dem Zeitmanagement. Ich war grundsätzlich immer zu früh oder viel zu spät fertig. Im Laufe meines Praktikums habe ich jedoch ein Gefühl dafür bekommen und die Planung hat immer besser funktioniert. Während der gesamten Zeit habe ich mich teilweise mehr als Lehrerin als als Assistentin/Praktikantin gefühlt und diese Arbeit hat mir sehr viel Freude bereitet. Trotzdem ist der Unterricht in Frankreich ganz anders als in Deutschland. Oft handelt es sich nur um Frontalunterricht und die Schülerinnen und Schüler kennen auch fast nur diese Art des Unterrichtens. Es war also oft schwer, sie für Arbeitstechniken oder Methoden zu motivieren, die in Deutschland ganz normal sind. Die Motivation der französischen Schülerinnen und Schüler war grundsätzlich eine eher negative Erfahrung für mich. Sie interessieren sich wenig bis gar nicht für andere Sprachen und haben auch kein Interesse daran, sie zu lernen oder ihr Sprachniveau zu verbessern. Oft stand man also vor der Klasse und hat 55 Minuten lang in lustlose Gesichter geschaut und mit sich selbst geredet. Auch das Sprachniveau der jeweiligen Klassen ist mit dem entsprechenden Französischniveau deutscher Schülerinnen und Schüler nicht zu vergleichen. Ich musste grundsätzlich alles so einfach gestalten wie nur möglich war.
Abschließend blicke ich positiv auf die Assistenzzeit zurück. Sie hat mich in meinem Berufswunsch bestärkt und mir viele Einblicke in den Lehreralltag gegeben. Ich denke, dass dies eine sehr wertvolle Erfahrung für das anstehende Referendariat war und dass ich mir während dieser Zeit viele dafür notwendige Kompetenzen aneignen konnte, die ich während dem (eher theoretischen) Studium nicht hätte erlangen können. Da ich auch erst 22 Jahre alt bin, konnte ich vor allem zu den Abiturienten ein sehr gutes Verhältnis aufbauen und dementsprechend emotional wurde auch der Abschied. Zum Glück gibt es heutzutage viele Möglichkeiten, um den Kontakt aufrechtzuerhalten.
3. Persönliche Erlebnisse und Eindrücke außerhalb des Praktikums
Freizeitangebot:
Vichy ist weder eine Groß- noch eine Studentenstadt. Es leben hier also überwiegend ältere Men-schen und dementsprechend ist eigentlich auch das Freizeitangebot, jedoch kommt es immer darauf an, was man daraus macht. Es ist eine ”ville thermale”, sodass man in die Therme gehen kann und das Quellwasser der verschiedenen Quellen trinken kann. Außerdem ist in Vichy sonntags alles geöffnet, was dementsprechend viele Menschen anzieht. Es gibt ein Kino, ein Casino und ein Theater. In der kleinen Innenstadt gibt es ein kleines Einkaufszentrum und auch einige interessante Läden zum Shoppen (Maisons du monde, Sephora, Fnac, Jennyfer, Pimkie, etc.), womit ich sehr viel Zeit verbracht habe. Darüber hinaus eignet sich Vichy gut zum Sport treiben oder Spazieren gehen. Es gibt einen schönen Park und auch entlang der Allier ist es wunderschön. Am Abend kann man in einige Bars und Diskotheken gehen, wo man viele soziale Kontakte knüpfen kann. Außerdem ist Vichy zugtechnisch gut angebunden. Man braucht 30 Minuten in die Großstadt Clermont-Ferrand und drei Stunden nach Paris. Da ich in Lyon (zwei Stunden) eine Gastfamilie und Freunde habe, bin ich am Wochenende oft dorthin gefahren.
Clermont-Ferrand:
Paris:
4. Fazit
Grundsätzlich hat mir das Leben in Vichy gut gefallen, da es zu Bremen/Oldenburg/Hamburg und Lyon mal etwas ruhiger war. Zudem habe ich sprachlich und pädagogisch wertvolle Erfahrungen sammeln können und somit war mein Auslandsaufenthalt ein voller Erfolg. Ich kann diese Art von Auslandsaufenthalt für Lehramtsstudenten wirklich weiterempfehlen, da es eine erfahrungsreiche Abwechslung zum Studium ist. Außerdem habe ich dadurch nicht nur eine neue Kultur besser kennengelernt, sondern auch die Möglichkeit gehabt, das Leben in Deutschland von einer anderen Perspektive zu sehen und ich habe so das deutsche Schulsystem noch mehr zu schätzen gelernt und bin froh, in Deutschland Lehrerin zu werden.
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