Nach meinem Studium an der Uni Bremen habe ich mich entschieden, ein Auslandspraktikum zu machen. In meinem Fall ist alles nicht ganz typisch – ich komme aus Lettland, habe in Deutschland studiert und das Praktikum wieder in meiner Heimat gemacht. Viele würden sich fragen, warum ich mich dafür entschieden habe – letztendlich ist es gar kein Ausland für mich, keine komplett neue Erfahrung und Umgebung. Das stimmt. Allerdings habe ich Kommunikations- und Medienwissenschaft als Profilfach studiert und möchte gerne in der Zukunft im Medienbereich arbeiten. Und wenn man Geld damit verdienen will, indem man über etwas schreibt, was auch eine gewisse Zielgruppe lesen wird, dann kann man das am besten in der Muttersprache machen.

Deswegen wollte ich mithilfe eines halbjährigen Praktikums in Lettland verstehen, ob ich und der Medienbereich – insbesondere Journalismus – da eine Zukunft haben könnten. Ja, ich musste mich nicht mit vielen Sachen beschäftigen, was andere Leute vor einem Praktikum im Ausland nervös machen. Ich kannte die Sprache, die Stadt und sogar einige Leute da. Letztendlich waren nicht alle Kontakte nach fünf Jahren in Deutschland verschwunden. Auf der anderen Seite musste ich feststellen, dass ich mich doch nicht sofort so richtig wohl fühle, weil ich ja mein ganzes Leben nach dem Abi in Deutschland verbracht hatte. Also eine gewisse Umstellung in meinem Leben war doch da.

Mein Praktikum habe ich in Riga, die auch eine Hansestadt ist und enge Freundschaft mit Bremen pflegt, verbracht. Die aufnehmende Organisation war die größte Sport-Webseite im Land. Klingt gut, und so ist es auch, man muss aber fairerweise anmerken, dass sie auch die einzige professionelle reine Sport-Webseite im Land ist. Im Land, wo es weniger als 2 Millionen Einwohner gibt, ist die Konkurrenz im Medienbereich nicht besonders groß. Das hieß glücklicherweise nicht, dass mein Praktikumsgeber sich erlauben kann, fahrlässig zu arbeiten – alles war professionell und überdacht. Obwohl ich Praktikant war, was in vielen Fällen bedeuten kann, auch mal Kaffee für andere kochen zu müssen oder Ähnliches, habe ich mich vom ersten Tag an als ein fester Bestandteil der Redaktion gefühlt. Nach einer kurzen Phase, wo ich mich an die Routine der Redaktion gewöhnen musste, konnte ich immer wichtigere und verantwortungsvollere Aufgaben übernehmen.

Die Erfahrung war es wirklich wert – ich konnte tagtäglich nicht nur in der Redaktion sitzen und stumpfe Texte übersetzen, sondern auch an großen Events teilnehmen und da als Medienvertreter arbeiten. Ich konnte und musste sogar regelmäßig in Lettland berühmte und hochrangige Sportler und Trainer interviewen, an Pressekonferenzen aktiv teilnehmen und ab und zu auch vor der Kamera stehen. Genauso durfte ich meine Artikel auch mal mit eigener Meinung jederzeit veröffentlichen und nicht davor Angst haben, dass mein Chef mit meiner Meinung nicht einverstanden sein könnte. Was mir vielleicht bisschen fehlte, ist häufigerer Meinungsaustausch mit Kollegen und Redaktor. Man hatte das Gefühl, dass man selber alles verantworten kann und muss, was gleichzeitig gut und schlecht ist. Als ein junger Praktikant möchte man auch manchmal, dass seine Leistung analysiert und ggf. kritisiert wird, damit man seine Arbeit noch besser machen kann. Vielleicht kommt es einfach mit der Erfahrung, doch die offene Analyse kam mir manchmal zu kurz.

Da ich nicht mehr Student bin, nahm ich an Erasmus-Veranstaltungen nicht so richtig teil. Ich habe aber in Riga viele ausländische Studenten getroffen, die da entweder ein Auslandssemester oder sogar ein komplettes Studium machen. Zum Beispiel studieren viele deutsche Studenten und Studentinnen in Riga Medizin, weil es in Deutschland schwer ist, in dem Bereich einen Studienplatz zu bekommen. Und für ihre Karriere sind sie sogar bereit, Lettisch zu lernen, damit man ein Arzt werden und später in Deutschland arbeiten kann. Als Stadt bietet Riga alles, was ein ausländischer Student braucht – kalte Winter und warme Sommer, schöne Altstadt und vielseitiges Nachtleben, mittlerweile auch viele Kulturen in der Stadt und relativ niedrige Mietkosten für eine Wohnung oder WG.

Ein halbes Jahr hat mir tolle Erfahrung in dem Bereich gegeben, wo ich auch später arbeiten möchte. Gleichzeitig kann ich mir nun Gedanken machen, ob ich ein Masterstudium anfangen sollte und ob ich überhaupt in meiner Heimat als Journalist arbeiten will. Der Job ist super, doch man muss auch erkennen, dass wenn man schon mal in Deutschland gelebt hat,  man sich nicht damit zufrieden gibt, dass wirklich alles viel kleiner ist – sowohl der Lohn für die gleiche Arbeit, als auch die Zielgruppe, die man mit seiner Arbeit anspricht. In Deutschland dauert es wohl viele Jahre, bis man wichtige Aufgaben in den größten Medien des Landes übernehmen darf. In einem kleinen Land geht es schnell – aber leider ohne große Perspektive, in der Zukunft viel höher arbeiten zu können. Die erste Erfahrung habe ich, und ich bin sehr dankbar, dass ich sie machen konnte. Sie hilft mir auf jeden Fall, weitere Entscheidungen zu treffen. Ein Auslandspraktikum direkt nach dem Studium kann ich wirklich empfehlen. Genauso kann ich empfehlen, vor dem Praktikum die nötige Information herauszusuchen – hauptsächlich über die Situation in dem Bereich, wo man arbeiten und das Praktikum machen möchte – damit man sich nicht mit Problemen beschäftigt, sondern die Erfahrung richtig einschätzen und wichtige Gedanken für die Zukunft machen kann. Meine Leistung wurde anerkannt und ich habe nun das Angebot, da weiterzuarbeiten – entweder als Vollzeit-Journalist oder als Reporter für verschiedene Events. Die Entscheidung  fällt bald und die Erfahrung, die ich dank des Erasmus-Praktikums sammeln konnte, spielt da eine sehr wichtige Rolle.

Foto: während eines Interviews mit dem Verteidiger Vladislavs Gabovs nach dem Training der lettischen Fußball-Nationalmannschaft (Fotoautorin: Nora Krevneva, www.lff.lv)