Im Rahmen meines politikwissenschaftlichen Studiums im Bachelor habe ich ein dreimonatiges Praktikum bei der Vertretung der Freien Hansestadt Bremen bei der EU absolviert. Die Immatrikulation war ebenso wie der Umstand, dass es sich um ein Pflichtpraktikum handelte, Voraussetzung für die Vergabe einer Praktikumsstelle bei der Landesvertretung. In der Regel sollten Bewerbungen, die diese Voraussetzungen erfüllen, spätestens ein halbes Jahr vor dem geplanten Praktikumsbeginn vorliegen. Meine Bewerbung sendete ich fünf Monate vor Beginn des Praktikums digital zu und erhielt zunächst eine Absage, da die Stelle schon einer Person zugeteilt war. Mehrere Wochen später wurde ich benachrichtigt, dass diese Person ihr Interesse an dem in Aussicht gestellten Praktikumsplatz zurückzog und erhielt nach einem Bewerbungsgespräch die Zusage für meinen gewünschten Zeitraum.
Die Vertretung Bremens bei der EU in Brüssel
Die Landesvertretung ist dem Bevollmächtigten der Freien Hansestadt Bremen beim Bund und für Europa unterstellt und hat die Aufgabe, die Interessen des Zwei-Städte-Staates gegenüber den europäischen Institutionen wahrzunehmen. Sie repräsentiert das Land bei internationalen Organisationen und Institutionen der EU. Ziel ist eine frühzeitige Einbindung in politische Entscheidungsprozesse, die Information von Senat und Bürgerschaft, Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Verbänden sowie die Begleitung von Projektanträgen.
Der Praktikumsalltag
Der Arbeitsumfang des Praktikums erstreckte sich auf eine 40-Stunden-Woche im Rahmen flexibler Arbeitszeit. Im Fokus stand die inhaltliche Arbeit zu aktuellen europapolitischen Entwicklungen, so etwa zu Initiativvorschlägen der Europäischen Kommission. Dabei handelte es sich unter anderem um Vorlagen für den Europaausschuss der Bremischen Bürgerschaft, deren erste Fassung ich schrieb. Daneben war es möglich, an zahlreichen externen Veranstaltungen von Vertretungen und Verbänden teilzunehmen. Insbesondere durch die Landesvertretungen deutscher Bundesländer wurden eine Vielzahl an Veranstaltungen organisiert, bei denen ich häufig Praktikant*innen anderer Institutionen in Brüssel kennenlernen konnte. Insbesondere im ersten Monat war ich deshalb auf sehr vielen Veranstaltungen, einerseits natürlich wegen der anderen Praktikant*innen und der Erfahrungen und Eindrücke, die diese über die Stadt, das eigene Praktikum und Studium teilen konnten. Andererseits waren die aktuellen europapolitischen Themen oft spannend und aus erster Hand zu verfolgen, sodass ich das Gefühl einer einmaligen Gelegenheit bekam, in das europapolitische Brüssel eintauchen zu können
Leider war das Praktikum gänzlich unbezahlt, umso entlastender war die Möglichkeit, eine ERASMUS-Förderung zu erhalten. Es ist leider nicht unüblich, dass Praktika völlig unbezahlt stattfinden, dennoch unterscheidet sich das teils von Praktikumsstelle zu Praktikumsstelle, hier lohnt es sich, bei Interesse an einem Praktikum genauer nachzuschauen.
Wohnen in Brüssel
Aufgrund der hohen Zahl an EU-Praktikant*innen in Brüssel scheint es ein breites Angebot an kurzfristigen Mietverträgen zu geben. Die Mietpreise liegen allerdings auch deutlich über dem Niveau, das man aus Bremen gewohnt ist, wobei die Bandbreite groß zu sein scheint. Ein WG-Zimmer für rund 400 Euro monatlich ist nicht unmöglich, in der Regel habe ich aber aber eher von Preisen zwischen 500 und 800 Euro gehört. Bei der Suche nach einem WG-Zimmer sollte man sich auch bewusst sein, dass es Vermieter*innen gib, die durchaus ausnutzen, dass Praktikant*innen unter Zeitdruck und aus der Ferne nach einem Zimmer zu einem festen Stichtag suchen und man dieses oftmals erst bei der Ankunft in Brüssel in Person sieht. Ich hatte selber leider eher Pech mit meiner Wohnsituation, habe aber auch positive Erfahrungsberichte von anderen Praktikant*innen mit fairen Vermietenden gehört.
Leben in Brüssel
Die Stadt Brüssel ist Teil der zweisprachigen Region Brüssel-Hauptstadt, in der die französische Sprache den Alltag sichtbar dominiert. Doch auch ohne vertiefte französische oder niederländische Sprachkenntnisse kommt man hier mit englischer Sprache meist gut zurecht. Es lohnt sich natürlich trotzdem, vor dem Aufenthalt französische Sprachkenntnisse aufzufrischen oder sich zumindest ein paar grundlegende Wörter und Floskeln anzueignen. Das „Schöne“ an Brüssel ist Manchen auf den ersten Blick nicht sichtbar, die Stadt bietet aber eine Menge schöner Ecken und auch nach mehreren Wochen noch Neues zu entdecken! Ich freue mich schon darauf, das nächste Mal in Brüssel zu sein und habe diese Stadt sehr liebgewonnen.
Die Wochenenden und freien Tagen habe ich oft dazu genutzt, andere belgische Städte zu erkunden und konnte so etwa Antwerpen, Brügge, Gent, Löwen und Namur sehen und damit einen Eindruck von anderen Teilen Belgiens erhalten. Die überschaubare Größe des Landes und die Zugtickets, die man am Wochenende zum halben Preis kaufen kann, haben es möglich gemacht, all diese Städte bei Tagesausflügen zu erkunden und ich habe festgestellt, dass das in Deutschland schon fast vergessene Belgien einiges Schönes und Spannendes zu bieten hat. Es lohnt sich, dieses zum Teil gespaltene Land und die dahinterstehende Geschichte einmal näher kennenzulernen!
Fazit
Insgesamt bin sehr froh, die Chance eines Auslandspraktikums ergriffen und diese auf mehreren Ebenen bereichernden Erfahrungen gemacht zu haben. Zum einen konnte mir das Praktikum Orientierung für den weiteren Verlauf und die Schwerpunkte meines Studiums geben, zum anderen sehe ich Brüssel von nun an, aufgrund der vielen politischen Institutionen und Verbände, die in der europäischen Hauptstadt ansässig sind als möglichen Arbeitsort an. Daneben konnte ich viel über europäische Politik und Gesetzgebung lernen und insbesondere habe ich nun eine ausgeprägte Vorstellung über die Arbeitsweise einer regionalen Vertretung als Teil einer obersten Landesbehörde. Auch konnte ich das Land Belgien und die Stadt Brüssel in den drei Monaten eindrücklich kennenlernen. Ich kann daher alle, die mit dem Gedanken eines Auslandspraktikums spielen, dazu ermutigen, sich auf Ausschreibungen oder auch initiativ zu bewerben! Aus eigener Erfahrung kann ich auch sagen, dass alle weiteren Bedenken und Hürden, die damit verbunden sind, einfacher zu überwinden sind, wenn erst mal eine Zusage und damit eine reelle Chance auf ein Praktikum mit Auslandsaufenthalt vorliegt.
- 1.Vertretung der Freien Hansestadt Bremen bei der EU
- 2. Die Bremer Stadtmusikanten im Innenhof der Landesvertretung
- 3. Das Europaviertel in Brüssel



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