Ich habe mein 360 Stunden umfassendes psychologisches Pflichtpraktikum in Salamanca in Spanien absolviert. Es fand in einem Tageszentrum für Menschen mit schweren psychischen Störungen statt.

Die Suche war relativ schwer. Ich wohnte bereits 5 Monate vor Praktikumsbeginn in Salamanca, weil ich dort bereits ein Erasmus-Semester an der Universidad de Salamanca studiert hatte. Deshalb habe ich die Praktikumssuche vor Ort durchgeführt. Zu dem erschwerenden Umstand der Pandemie (mein Praktikum fand von März bis Juni 2021 statt) kam dazu, dass alle Praktikumsstätten in Salamanca Vereinbarungen mit den Universitäten haben, die besagen, wie viele Studierende der Universität pro Semester dort für ein Praktikum aufgenommen werden. Das bedeutet, dass Studierende von außerhalb der beiden Universitäten Salamancas von den meisten Unternehmen/Zentren gar nicht miteinkalkuliert werden.
Ich habe Absage nach Absage erhalten, bis es meine letzte Idee war, bei Caritas nachzufragen. Dort arbeitet eine sehr liebe Frau als Freiwilligenkoordinatorin, durch die ich zum Glück dann doch noch einen Praktikumsplatz ergattert habe.

Von da an war das Prozedere relativ normal: Es wurde ein Vertrag zwischen meiner Heimatuniversität (Uni Bremen), der Caritas Salamanca und mir geschlossen. Weil dort niemand Englisch konnte, musste ich ihn auf Spanisch übersetzen, was sehr aufwendig war. Zum Glück hatte ich die Hilfe meiner Spanischlehrerin, sonst wäre es kaum möglich für mich gewesen, diesen juristischen Text getreu ins Spanische zu übersetzen. Dann habe ich mich auf den letzten Drücker auf das Stipendium Erasmus-Praktikum beworben und es glücklicherweise ohne Probleme erhalten.

Ich hätte zu dem Zeitpunkt jedes Praktikum genommen, der Zufall wollte es aber, dass ich im Grunde genau da gelandet bin, wo ich hinwollte. Die Teilnahme in dem Tageszentrum, in dem ich drei Monate tätig war, ist komplett kostenfrei und richtet sich insbesondere an Personen in „Gefahr der Exklusion“, sprich häufig obdachlose Menschen bzw. Menschen mit wenig sozialen und ökonomischen Mitteln. Meine Aufgaben dort umfassten eigentlich fast alles von Essen ausgeben über Werkstätten leiten zu bei Einzelinterventionen beiwohnen. Es war mein erstes Praktikum im psychologischen Bereich und total aufregend für mich. Die Atmosphäre war sehr herzlich und familiär. Schön war es auch, dass ich immer mehrere Praktikumskolleg_innen hatte, die wie ich Psychologie studierten und ich somit auch mit netten Leuten in meinem Alter zusammen war.
Uns wurde sehr viel zugetraut, wie gesagt, ich habe Werkstätten und später sogar Einzelinterventionen geleitet. Das führte natürlich manchmal zu heiklen Situationen und ich habe mich immer mal wieder überfordert oder gestresst gefühlt. Andererseits habe ich so unglaublich schnelle Fortschritte gemacht und ich bin sehr dankbar dafür.

Schade war allerdings, dass ich mich mit meiner Tutorin nicht so gut verstanden habe, bzw. sie und eine andere dort tätige Psychologin einfach von der Arbeit ausgebrannt wirkten und daher nicht immer ein angenehmer Umgang mit ihnen möglich war. Das habe ich erst gemerkt, als ich schon zwei Monate dort war. Ich habe fast nie ein Feedback von meiner Tutorin erhalten.
Das kam von den Teilnehmenden dafür aber umso mehr, und zwar sehr viel positives. Es war wirklich schwer, als ich mich verabschieden musste, weil ich eine sehr enge Beziehung zu ihnen aufgebaut hatte.

Sehr wichtiger Hinweis: Man braucht meiner Erfahrung nach extrem gute Sprachkenntnisse, um ein psychologisches Praktikum im Ausland zu machen, ich war davon selbst überrascht. Zu Praktikumsbeginn hatte ich bereits 5 Monate in Spanien gewohnt und komplett auf Spanisch studiert, trotzdem war die Sprache im Praktikum anfangs eine sehr große Herausforderung für mich und stellte eine große Barriere dar. Es ist ein bemerklicher Unterschied, ob man auf einer Sprache studiert, oder tatsächlich ein Praktikum in dieser Sprache absolviert, wo man von morgens bis abends mit Sprecher_innen zu tun hat, die größtenteils überhaupt keine Rücksicht auf die eigenen Verständnisprobleme nehmen und einfach „frei von der Leber weg“ reden.
Im psychologischen Bereich ist das natürlich nochmal besonders wichtig. Wenn einem jemand unter Tränen etwas erzählt, möchte man nicht dreimal nachfragen müssen, bis man es verstanden hat. Abgesehen davon gibt es auch auf einem hohen Sprachniveau noch sehr viele (relevante) psychologische Feinheiten, die einem verloren gehen. Gerade auch, weil meine Praktikumsstelle ihren Praktikant_innen extrem viel zugetraut hat, bin ich rückblickend total dankbar, dass sie mich angenommen haben.
Wenn man ein Praktikum in einem anderen Bereich oder mit weniger „Verantwortung“ macht, fällt es natürlich weniger schwer ins Gewicht, wenn das eigene Sprachniveau nicht so hoch ist.

Wenn man dann aber einmal dort ist, macht man gigantische sprachliche Fortschritte (meiner Erfahrung nach nicht zu vergleichen mit einem Erasmus-Studiensemester). Zur Orientierung: Ich hatte zu Beginn des Praktikums ein B2 und zum Ende ein C1 (mit Prüfung). Ich habe aber auch kontinuierlich Vokabeln gelernt und Übungen gemacht.

Salamanca eignet sich super für Erasmus-Aufenthalte. Es ist total schön, hat viel Geschichte zu bieten, ist komplett zu Fuß erlaufbar, aber trotzdem nicht langweilig. Es gibt eine unglaublich hohe Dichte an Studierenden (die allerdings alle im Sommer wegfahren, sodass die Stadt im Juli und August wie ausgefegt ist). Die Lebenshaltungskosten sind nicht hoch. Mein zentral gelegenes möbliertes WG-Zimmer in einer schönen, renovierten Wohnung kostete insgesamt 290€ im Monat, wenn man ein bisschen länger sucht findet man aber ohne Probleme auch etwas für 250€. Viel geht weg über Facebook-Gruppen, ich habe aber ausschließlich über idealista.com gesucht, das spanische „WG-Gesucht“. Vor Ort findet man sehr schnell was, man kann es sich aber auch schon von Deutschland aus organisieren. Die Lebensmittel- und Restaurantpreise sind auch niedriger als in Deutschland.

Auslandspraktika sind eine total bereichernde Erfahrung, weil man deutlich tiefer in das Land eintaucht als bei einem Auslandsstudium und sich nicht nur sprachlich sehr fortentwickelt.
Ich empfehle jedem und jeder, der oder die die Möglichkeit dazu hat, ein paar Monate in dieser tollen Stadt Salamanca zu verbringen und bei Gelegenheit auch sein oder ihr Auslandspraktikum hier zu verbringen!