Als ich im späten Herbst letzten Jahres (2020) mich dazu entschied für den Bachelor Chemie einzuschreiben war die Pandemie im vollen Gange. Aus verständlichen Gründen bestanden die Vorlesung zu 100% aus online- Kursen und auch die O-Woche etc. wurde größtenteils online oder in Kleingruppen veranstaltet. Unter den Umständen war es mir ein Rätsel, wie für sicher die aller meisten, wie ich mich in jenen Zeiten motivieren kann und die Nähe zu meinem Fach erfahre. Wie der Zufall es wollte, habe ich über den Bekanntenkreis von einer großartigen Option erfahren: es bestünde die Möglichkeit für mich in einem großen Chemiekonzern in Spanien für einige Monate zu arbeiten, sofern ich jedoch umgehend mit der Planung beginnen würde. Ich hatte immer den Wunsch im weiteren Verlauf meines Studiums ins Ausland zu gehen, um dort zu arbeiten/ studieren und zu leben. Anfangs schreckte mich der hastige Charakter der Idee und der etwas ungewöhnliche Zeitraum ab, jedoch wurde mir schnell klar was mir da für eine einmalige Chance geboten wurde. Besonders, da ich insofern zu Beginn meines Studiums gleich praktische Erfahrungen sammeln könnte und mit gesteigerter Motivation (und hoffentlich einer entspannteren Corona-Lage) ins Studium einsteigen würde.
Ich habe mich also bei Henkel Iberica Operations S.LU in Montornès del Vallés, Barcelona auf ein 4-monatiges Praktikum beworben. Nach dem OK, was ich kurze Zeit später erhielt, kontaktierte ich dann das International Office der Universität Bremen und klärte die Formalitäten seitens der Uni ab. Und als der finale Zeitraum feststand habe ich mich dann ebenfalls über die Uni bei ERASMUS für ein Stipendium beworben. Bei den Auslandskrankenversicherungen habe ich dann lediglich verstärkt auf die Beiträge und Leistungen bei Krankheitsfällen um Corona herum geachtet. Des Weiteren musste ich mit der Firma vor Ort abklären, dass ich im Vorhinein ausreichend Dokumentation erhielt, um in Spanien einreisen zu dürfen. Denn bei meiner Anreise (Anfang Januar) war es noch sehr beschränkt auf Ausnahmefälle und Arbeitsreisende, welche das Land betreten durften. Aufgrund des Einkommens vor Ort musste ich mich außerdem um ein spanisches Bankkonto und eine spanische Sozialversicherungsnummer für Ausländer kümmern (NIE). Bei alle dem unterstützte mich die Personalabteilung vor Ort, auch wenn es teils ein wenig durcheinander verlief.
Da ich im November erst die finalen Daten zu meinem Praktikum erhielt, wurde der Start wie eben erwähnt auf Anfang Januar 2021 gelegt. So blieb mir noch ein wenig Zeit, um einen Spanisch-Intensivkurs zu machen. Diese sprachliche Vorbereitung kann ich jedem ans Herz legen, der vor Ort auch daran interessiert ist sich mit Locals anzufreunden (also nicht nur mit anderen Erasmus/ Internationalen- Studenten) und sprachlich etwas mitnehmen möchte. Denn Spanier sind bekanntlich nicht die Stärksten im Englisch und ein wenig spanische Grundkenntnisse sind auf jeden Fall ein Eisbrecher!
Zur Wohnungssuche wurde mir von der Firma die Website „Idealista“ empfohlen. Und diese kann auch ich auf jeden Fall weiterempfehlen. Ich hatte großes Glück und bin an eine Vermieterin geraten, welche voll renovierte WGs vermietete an Studenten, da sie die schlechten Wohnungslage rund um Barcelona nur zu gut kannte. Somit habe ich in einer sehr modernen und hellen Wohnung mit 3 Anderen Studierenden leben können. Selbst in meinem Fall habe ich jedoch in Mataró (20min außerhalb von BCN) für ein WG-Zimmer alles inklusive rund 400€ im Monat bezahlt. Im Zentrum wäre es für dasselbe Geld wahrscheinlich die Hälfte der Größe gewesen und um einiges heruntergekommener. Und auch hier waren die Fenster noch sehr undicht, es gab lediglich Elektro-Heizer und es fielen des Öfteren kleinere Reparaturarbeiten an. Wenn überhaupt bekommt man die besten Wohnungsplätze vor Ort und über Kontakte (wenn man willens ist vor Ort nochmal umzuziehen).
Bei Henkel in meinem Praktikum wurde ich sehr herzlich aufgenommen. Generell hatte ich das Gefühl sehr eng auch mit den hohen Führungspersonen zusammenzuarbeiten und darüber hinaus war man sehr viel familiärer im Umgang (wenig hierarchisch). Auch das hier stark vorherrschende Catalán war keine große Hürde, da alle für mich ins Castellano wechselten. Trotzdem ist es sehr gewöhnungsbedürftig eine weitere „fremde Sprache“ plötzlich um sich herum zu hören, wo die gelernten Vokabeln erstmal gar nicht weiterhelfen. Ich wurde der Security, Health & Environment (SHE) Managerin im Unternehmen zugeteilt, welche aber auch in der Produktionsplanung verwickelt war. Allgemein war es im Unternehmen völlig normal, dass Bereichsleiter und Mitarbeiter auch quer in die anderen Bereiche einsteigen konnten und somit echte „Allrounder“ gefragt waren. Ich war praktisch die rechte Hand meiner Managerin und habe direkt von ihr meine Aufgaben und Projekte zugeteilt bekommen. Bzw. weitere Mitarbeiter mit Aufgaben für mich von ihr vermittelt bekommen. Somit habe auch ich in vielen Bereichen des Unternehmens gearbeitet: der Qualitätssicherung, der Logistik, der (Business) Administration und habe auch Einblicke ins Controlling erhalten. Außerdem habe ich dem spanischen Standort des gebürtig deutschen Unternehmens mit Übersetzungen aller Art unterstützt, wobei ich natürlich auch Spanisch gelernt habe.
Auch wenn aufgrund Corona das Arbeitsleben und die Bürobesetzung sicherlich eine gänzlich andere war als im Normalzustand, konnte ich mich sehr gut mit den teils jungen Mitarbeitern anfreunden. So waren wir auch viel außerhalb des Unternehmens zusammen unterwegs und haben uns beispielsweise zum Essen oder „Paddel“ (Squash-tennis) getroffen. Natürlich waren auch hier Clubs und Bars weitestgehend geschlossen. Das Nachtleben fiel mit einer Ausgangsperre sowieso ins Wasser. Aber das Eigenleben der großen Stadt und das im April beginnende gute Wetter sorgten immer für genug Aktivität.
Als absoluter Windsurffan hatte ich auch meine Bretter dabei und konnte im späten Frühling öfters aufs Wasser und neue Freunde gewinnen. Der größte Vorteil jedoch war für mich die entspannte Einstellung der Menschen auch bezüglich der Corona Situation. Wo am Telefon mit Freunden/… zuhause das aller erste Thema immer die aktuelle Corona-Situation war, so hatte ich hier den Eindruck, dass die Menschen sich damit abgefunden haben. Man hat versucht alles positiv anzugehen und die Einschränkungen nicht zu einem ständigen Laune-Killer zu machen. Schon gar nicht wurde es zu dem neuen Smalltalk Thema wie sonst „das Wetter“ gemacht.
Zusammengefasst hätte ich mir natürlich gewünscht das bunte Leben der Innenstadt und die volle Bandbreite der Möglichkeiten noch mehr auskosten zu können. Aber besonders im Unternehmen, sowie bei Allen die ich kennengelernt habe wurde immer das Beste aus der vorliegenden Situation gemacht. Ich habe sprachlich, fachspezifische in der praktischen Erfahrung und persönlich trotz dessen extrem viel mitgenommen und plane bereits meinen nächsten Ausflug hier hin! Es hat mich erstaunt, wie viel mit einem positiven Mindset möglich ist und werde versuchen einiges davon mit nach Hause zu nehmen! Sofern eine gewisse Bereitschaft zur Eigeninitiative besteht, kann ich einen Aufenthalt im Ausland, den Ort und besonders das spanische Volk (auch während Corona) wärmsten für ein ERASMUS Aufenthalt empfehlen!
Schöner Beitrag! Auch mal interessant zu erfahren, wie ein Auslandsaufenthalt in Barcelona während der Pandemie so aussieht. Wenigstens das Beste daraus gemacht 🙂 Und dass du dich bei 100 % Onlineunterricht schlecht motivieren kannst verstehe ich voll und ganz.
Ich selbst hatte das Glück, im Sommer 2019 mein Auslandspraktikum in Barcelona bei einem Automobilunternehmen zu machen und im gleichen Zuge die Stadt und die Menschen dort kennenzulernen. Bin von der Mentalität und dem Leben dort einfach begeistert, so dass es mich auch das Jahr danach wieder zum Urlaub dorthin gezogen hat. Auch wenn bei mir in der Firma damals alle Englisch mit mir sprechen konnten, habe ich 3 Monate im Vorfeld trotzdem gelernt wie ein Irrer und dadurch mittlerweile ganz gute Spanischkenntnisse.
Freut mich, dass du trotz Corona sehr viel mitnehmen konntest! 🙂