Vorbereitung
Die Idee für einen selbstorganisierten Aufenthalt im Ausland ist mir am Ende meines Chemie- Bachelorstudiums gekommen. Während der intensiven Arbeit an der Bachelorarbeit hatte ich das Gefühl, den Kopf nicht genügend für die Entscheidung über die Ausrichtung des Masterstudiums frei zu haben. Daher entschied ich mich, mir ein Jahr lang Zeit für diese Entscheidung zu nehmen und durch Praktika und Gespräche mit Dozenten die Grundlage für die Entscheidung zu legen.

Eine Doktorandin erzählte mir, dass sie fünf Jahre zuvor ein Praktikum in Mexiko an einer meereschemischen Arbeitsgruppe in Sisal/Yukatan gemacht habe. Die Forschungsschwerpunkte seien auf meine Interessen wie zugeschnitten und sie bot mir an, den Kontakt herzustellen. Von da an ging alles sehr schnell. Kurze Zeit später bekam ich die Zusage des Professors und ich suchte nach Fördermöglichketen. Die Studienberatung der Universität Bremen empfahl mir, mich auf das PROMOS-Praktikum Stipendium zu bewerben. Die Bewerbungsfrist allerdings war zu diesem Zeitpunkt drei Tage entfernt, weswegen ich die Bewerbung nur einige Minuten vor der Frist einreichen konnte. Umso mehr freute ich mich natürlich über die Zusage des Stipendiums und die damit verbundene Co-Finanzierung meines Aufenthalts in Mexiko.

Die Buchung der Flüge gestaltete sich in meinem Fall relativ einfach. Ich informierte mich vorab im Internet über die Kosten und buchte aber über eine Reiseagentur in Bremen, die mit ihrer Erfahrung die Reise noch preisgünstiger anbieten konnte. Ich kann die Buchung über eine Reiseagentur nur empfehlen, für die Spezialisten der Agentur war die Buchung eines durch einen angehängten Aufenthalt in den Vereinigten Staaten notwendigen Dreiecksflugs kein Problem. Außerdem halfen sie mir während meines Mexikoaufenthalts unkompliziert bei einer notwendig gewordenen Umbuchung. Selber organisiert, hätte dieses von Mexiko aus viel Zeit und Nerven gekostet. Vom Zielflughafen Cancun buchte ich mir einen Bus nach Merida. Dort sollte ich am nächsten Tag von meinem gastgebenden Professor abgeholt werden.

Alles in Allem gestaltete sich die Kommunikation mit meinem Professor unkompliziert. Ich konnte mich vorab über die Internetseite der Universität über den Universitätszweig in Sisal und die Arbeitsgruppe informieren. Die Vorbereitung auf das Praktikum bestanden weitestgehend aus dem Einlesen in die Themenschwerpunkte meiner zukünftigen Arbeitsgruppe. Sorgen machte ich mir über das Wetter. Mich erwarteten Temperaturen von weit über 30 °C und hohe Luftfeuchtigkeit im Juni. Zum Glück sollte es im Labor eine Klimaanlage geben.

Formalitäten im Gastland
Die Einreise nach Mexiko ist für Aufenthalte bis 180 Tage unkompliziert. Es wird kein Visum verlangt und man braucht sich auch nicht zuvor registrieren zu lassen, wie dies der Fall für die USA ist. Bei der Einreise musste ich lediglich ein Dokument („immigration form“) ausfüllen, welches mir schon im Flugzeug ausgehändigt wurde. Das Dokument erfragt unter anderem die Dauer des Aufenthalts. Das Dokument muss bis zur Ausreise aufbewahrt werden.

Ansonsten wurden von mir keine weiteren Bescheinigungen oder sonstige Dokumente verlangt, weder bei der Einreise noch in meiner Gastuniversität. Dies lag allerdings daran, dass ich das Praktikum den Status „Forschungsaufenthalt“ hatte und ich nicht als Student geführt wurde.

Allgemeine Informationen zur Partnerhochschule

Bild 1: Einfahrt zur Universität und Hafeneinfahrt von Sisal.

Die Gastuniversität in Sisal ist ein kleiner Standort der National Autonomen Universität von Mexiko (UNAM) in Merida. UNAM ist eine der größten öffentlichen und staatlich geförderten Universitäten in Mexiko und hat in allen Teilen von Mexiko Ableger mit verschiedenen Schwerpunkten. Der Standort Sisal ist sehr klein und besteht nur aus drei Schwerpunkten: Biologie/Chemie, Ingenieurswissenschaften und Wissenschaften von Küstensystemen. Insgesamt studieren weniger als 100 Studenten in Sisal und von vielen wird es als Forschungsaufenthalt für die Abschlussarbeit des Bacheloräquivalents bzw. Masters genutzt.

Die Universität selber ist wunderschön am Strand und an der Hafeneinfahrt von Sisal gelegen. Sisal ist über eine einzige Landstraße mit der nächstgrößeren Stadt Hunucma verbunden. Es besteht sowohl eine Busverbindung zwischen Sisal und Hunucma, als auch zwischen Hunucma und Merida, welche allerdings nur bis acht Uhr abends verfügbar ist. Die Fahrpreise sind niedrig, die Sicherheitsstandards allerdings auch.

Bild 2: Blick ins Labor im für Naturstoffe. Mein Hauptarbeitsplatz

Die Universität kann von Sisal aus bequem zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreicht werden. Ein weiteres Fortbewegungsmittel ist das sogenannte Motortaxi, ein Tuk-tuk, für welches man umgerechnet pro Fahrt ca. 50 Cent bezahlen muss.

Der Campus ist sehr klein. Ein einziges großes Gebäude dominiert das Gelände und ist für einen Teil der Verwaltung sowie für die Ingenieurswissenschaften vorgesehen. Neben kleineren Labor- und Unterrichtsgebäuden befinden sich noch einige große Hallen und Zelte auf dem Gelände, welche der Aufzucht und Forschung von und an Algen, Fischen und Tintenfischen dient. Zusätzlich gibt es eine kleine Cafeteria, in der man Snacks, Getränke und ein Mittagessen bekommen kann.

Der Campus selber ist von Mexikanern geprägt. Wenn internationale Studenten oder Forschende sich nach Sisal verirren, kommen sie meistens aus Südamerika. Dementsprechend wird fast ausschließlich Spanisch gesprochen, Englisch sprechen die Wenigsten.

Mein Arbeitsmittelpunkt war so gut wie immer das Labor für marine Naturstoffe, in dem sich sowohl die Büros der Professoren und Studenten, die analytischen Geräte als auch die Laborbänke befanden. Dort arbeitete ich die meiste Zeit mit meinem Professor (Hauptansprechperson) und mit anderen Studenten zusammen.

Bild 3: Die Universität im Sonnenuntergang. Rechts zu sehen ist eine der Fischaufzuchtshallen.

Bild 4: Anthopleura Texaensis im Aquarium. Das Gift aus den Nesselzellen der Tentakel war Grundlage der Forschung.


Inhaltliches zum Praktikum
Meine Forschungsaufgaben bestanden zunächst aus der Extraktion von Neurotoxinen (Neuropeptiden und Zytolysinen) aus dem Giftcocktail der Nesselzellen (Nematocysten) der Seeanemonenspezies Anthopleura Texaensis. Einer im Golf von Mexiko auftretenden relativ kleinen Seeanemonenart. Später folgte auch die Analyse von Sedimentproben aus regionalen Cenotes (mit Grundwasser gefüllten und häufig durch Höhlensystemen verbundenen Kalksteinlöcher) auf Rückständen von Hygieneartikeln, wie verschiedenen UV-Filtern aus Sonnencremes.

In den ersten beiden Monaten bestand meine Arbeit aus dem Auftrennen des Nesselzellenextraktes und der Isolation der aktiven Komponenten. Hierbei wurden zunächst die Tentakel der Seeanemonen in unterschiedliche Lösemittelmittel (sowohl organische als auch wässrige Lösemittel) gelegt, um die Nesselzellen auszulösen und das Gift freizulassen. Danach wurden verschiedene Extraktions- und Filtrationsmethoden angewandt, um das Extrakt nach Größe und Polarität der aktiven Stoffe zu fraktionieren. Nach jedem Zwischenschritt wurde die Aktivität der einzelnen Fraktionen an lebenden Krabben getestet, welche zuvor am Strand gefangen werden mussten. Fortgefahren wurde dann nur mit den aktiven Fraktionen. Schlussendlich wurden die aufgetrennten Extrakte mittels HPLC (High Pressure Liquid Chromatography) und LC- MS (Liquid Chromatography Mass Spectrometry) analysiert.

Bild 5: Solid Phase Extraction des Rohextraktes aus dem Gift der Seeanemonen.

Leider gelang es mir während meines Aufenthaltes nicht, ein neues unbekanntes Neuropeptid aus dem Gift der Seeanemone Anthopleura Texaensis zu identifizieren. Zwar erhielt ich einige vielversprechende aktive Fraktionen, allerdings war es mir nicht möglich diese genauer zu analysieren. Zu diesem Zeitpunkt fiel das LC-MS aus und konnte bis zum Ende meines Praktikumsaufenthaltes nicht mehr repariert werden. Ohne die massenspektrometrischen Daten der Proben können keine Informationen zu den Strukturen und Summenformeln der aktiven Substanzen erhalten werden.

Bild 7: Ich auf der Suche nach Krabben. Geisterkrabben in ihrem natürlichen Habitat.

Darum wechselte ich im letzten Monat meines Aufenthaltes zu der Analyse von Sedimentproben aus Cenotes auf Rückständen von UV-Filtern aus Sonnencremes. Hierbei wurden zunächst alle löslichen Verbindungen aus dem Sediment extrahiert und vor allem mit Hilfe weiterer Extraktionstechniken von störenden Farbstoffen befreit. Die so erhaltenden Extrakte wurden dann in der HPLC analysiert und mit Hilfe von Standards verglichen. Auf diese Weise konnten in acht von zehn Sedimentproben Rückstände von UV-Filtern in den Cenotes nachgewiesen werden.

 

 

 

 

 

 

 

 

Bild 8: Meine Straße und meine Wohnung in Sisal.


Unterkunft
Die Wohnungssuche gestaltete sich für mich unkomplizierter als gedacht. Mein (Arbeitsgruppenleiter/Professor Soundso) Gastprofessor hatte versprochen, mir bei der Suche nach einer Wohnung in Sisal zu helfen. So ergab sich, dass mir ein Student aus der Arbeitsgruppe anbot, mich in seiner Wohngemeinschaft aufzunehmen. Diesem Angebot kam ich gerne nach, da die Miete selbst für die Verhältnisse vor Ort sehr günstig war – umgerechnet 25 € pro Person im Monat. Wir wohnten dort zu dritt. Die günstige Miete spiegelte sich allerdings auch im Zustand, der Größe und der Ausstattung der Unterkunft wider, Sie war ca. 25 m2 groß, bestand aus einem Raum mit integrierter Küchenzeile und einem von einem Vorhang abgetrennten kleinen Badezimmer. Es gab keine Fliegengitter, kein Warmwasser, keine Betten und nur einer der zwei Deckenventilatoren funktionierte. Der kleine Hinterhof konnte zum Wäscheaufhängen und zur Müllablage genutzt werden. Wir schliefen in Hängematten zu dritt im selben Raum. Ich gewöhnte mich sehr schnell an die Bedingungen und genoss es sogar dort zu wohnen, trotz fehlender Privatsphäre und oft sehr hohen Temperaturen im Wohninnenraum.

Die Wohnung war recht nah am Zentrum Sisals gelegen und nur 50 m vom Strand entfernt. Die Universität war mit dem Fahrrad in zehn Minuten zu erreichen. War es nicht zu heiß, konnte ich zu Fuß gehen, oder auch das Motortaxi nehmen.

Ich kann eine Wohngemeinschaft bei einem längeren Aufenthalt in einer fremden Umgebung nur empfehlen, besonders, wenn man sich schnell in die hiesige Community integrieren möchte. Rückblickend muss ich sagen, dass ich auf das Leben in Mexiko schlecht vorbereitet war. Mir war nicht bewusst, wie wenig Menschen in Sisal Englisch sprechen und wie anders der Alltag dort gestaltet wird. Auf der anderen Seite bin ich trotz der Sprachbarrieren sehr schnell in die Wohngemeinschaft und einen größeren Freundeskreis integriert worden. Und da keiner meiner Mitbewohner Englisch sprach, hatte ich die Gelegenheit, schnell Grundkenntnisse in Spanisch zu erwerben. Insgesamt gab es keine Probleme mit der Kommunikation da mir im spanisch-sprachigen Alltag stets von mexikanischen Freunden geholfen wurde.

Sonstiges & Freizeit

Bild 9: Chichén Itzà.

Sisal liegt abseits der internationalen Touristenströme. Das Speiseangebot ist daher ausschließlich auf mexikanische Vorlieben ausgerichtet, in der eine fleischlose Ernährung wohl unvorstellbar ist. Dennoch gab man sich immer größte Mühe mir etwas Vegetarisches zu geben; was leider meist sehr einseitig war. An der Universität fand ich dann kleine Straßenküche, die auf Bestellung Mittagessen ins Büro brachte. Der Koch war bereit, ein abwechslungsreiches vegetarisches Mittagsessen mit zwei Gängen und selbstgemachtem Fruchtgetränk für umgerechnet 3 € zu liefern.

Bild 10: Ich und ein Kofferfisch in Puerto Morelos.

In Sisal selber gab es keine organisierten Sportangebote. Allerdings traf ich mich regelmäßig zum Basketball, Fußball oder Beachvolleyball mit anderen Studenten und Kindern aus dem Dorf. Die Nähe zum Meer nutzte ich häufig, um abends oder morgens zu schwimmen.

Längere Wochenenden und Feiertage, von denen es in Mexiko recht viele gibt, nutzte ich, um Yukatans Landschaft und Kultur zu erkunden. Dabei hinterließen die Cenotes und die alten Ruinen der Maya einen besonders nachhaltigen Eindruck.

 

 

Bild 11: Cenote No Mozhon und Mayaruinen in Mayapan.

Viele Studierende der Universität Sisal müssen im Zusammenhang mit ihrem Studium oder ihrer Forschung Tauchen lernen. Da die Kosten für einen Tauchschein in Mexiko vergleichsweise recht niedrig sind, entschied ich mich, einen Open Water PADI Tauchschein zu machen. Der Tauchkurs fand in den Cenotes statt, die mir eine neue und unwirkliche Welt offenbarten. Nach erfolgreichem Kurskonnte ich preisgünstig an einem von der Tauchlehrerin begleiteten Tauchtrip in der Karibik Mexikos teilnehmen. Hier befinden sich einige der schönsten Tauchgründe der Welt.

Was ist tunlichst zu vermeiden?
Verliere deine Kreditkarte nicht! Am Ende meines Aufenthalts in Mexiko vergaß ich meine Kreditkarte in einem Bankautomaten. Das hat den restlichen Aufenthalt unnötig kompliziert gemacht. Zum Glück gehört zum kostenfreien Studentenkonto der Deutschen Kreditbank eine umfassende Versicherung für solche Fälle, und ich bekam sehr schnell eine Notfallkreditkarte und Notfallbargeld zugeschickt. An den meisten Bankautomaten fallen Gebühren an, weswegen es zu empfehlen ist, viel Geld auf einmal abzuheben.

Nach der Rückkehr
Das Praktikum in Mexiko habe ich vor allem gemacht, um weitere Aspekte der Meereschemie kennenzulernen. Für den Abschluss meines Chemie-Bachelors benötigte ich nur noch 3 CP, welche mir vor Beginn für das Praktikum zugesichert wurden. Da ich mich zum jetzigen Zeitpunkt noch in den USA befinde, werde ich die Anerkennung der Studienleistung erst nach dem Einreichen des Erfahrungsberichtes abschließen können.

Fazit
Abschließend lässt sich sagen, dass mir der gesamte Mexikoaufenthalt und das Praktikum sehr gut gefallen haben. Ich konnte durchweg positive Eindrücke von Mexiko und den Menschen in Mexiko sammeln. Ich habe die Menschen als hilfsbereit und in den meisten Fällen als weltoffen kennengelernt. Aber es wurde häufig betont, dass Sisal nicht repräsentativ für Mexiko und Yukatan der sicherste Teil Mexikos ist. Trotzdem möchte sehr gerne wiederkommen, um auch andere Teile Mexikos zu entdecken.

Das Praktikum hat nicht alle meine Erwartungen erfüllt. Die Arbeit im Labor war nicht immer gut durchstrukturiert war. Häufig fehlt Geld für Ausrüstung und Projekte und leider hatte ich auch ein bisschen Pech mit den defekten analytischen Geräten. Trotzdem habe ich auch fachlich viel gelernt. Gerade im Bereich Chromatografie konnte ich viele praktische Erfahrungen sammeln. Bei den Versuchen zur Bestimmung der Aktivität der Extrakte an Krabben hatte ich ethische Bedenken. Doch da Alternativen kompliziert, zeitaufwändig und teuer sind, gibt es für die Arbeitsgruppe offensichtlich keine Alternative. In der Zukunft möchte ich jedoch nicht mehr mit Tierversuchen arbeiten.

Das Praktikum hat mich motiviert, mich für einen meereswissenschaftlichen Masterstudiengang zu bewerben. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass Meereschemie sehr von den Methoden der Analytischen Chemie geprägt ist. Mein Wunsch ist es aber, mich umfassender mit den Meereswissenschaften auseinanderzusetzen habe mich daher für den Masterstudiengang Marine Umweltwissenschaften in Oldenburg beworben.

Das Tauchen hat mich nachhaltig beeindruckt. Ich hoffe im Rahmen des Masterstudiums die Befähigung zum Forschungstauchen erwerben zu können.

Zum Abschluss möchte ich noch dem DAAD und der PROMOS-Stiftung, meinem Arbeitsgruppenleiter Professor Sergio Rodrigues und der Gastuniversität danken, die mir den Aufenthalt in Mexiko ermöglicht haben.

Bild 12: Meine Arbeitsgruppe in Sisal.