Das Centre for Research in Psychology, Behaviour and Achievement

Das Centre for Research in Psychology, Behaviour and Achievement (CRPBA) ist ein Forschungsinstitut der Coventry University in England. Es befasst sich mit evidenzbasierten psychologischen Interventionen in verschiedenen Themenbereichen, wie z. B. Lese- und Rechtschreibfähigkeiten von Kindern, (sexueller) Gewalt, Identität und Kognition (http://www.coventry.ac.uk/research/areas-of-research/psychology-behaviour-achievement/psychology/). Um diesen Forschungsthemen nachzugehen, ist das CRPBA in verschiedene Teams eingeteilt. Mein Praktikum fand in der Forschungsgruppe Identities and Resilience in Communitites and Organisations (IRCO) statt. IRCO beschäftigt sich beispielsweise viel mit dem Thema Nationalstolz und forscht zu aktuellen Themen wie dem Empfinden kollektiven Stolzes während Fußballmeisterschaften oder dem Einfluss nationaler Identität auf das Brexit-Referendum. Forschung, die sich mit Resilienz befasst, behandelt unter anderem den Umgang von Gemeinden mit Naturkatastrophen (http://www.coventry.ac.uk/research/areas-of-research/psychology-behaviour-achievement/ideritities¬and-resilience-in-communities-and-organisations-irco/). Die Tätigkeiten des Instituts werden hauptsächlich über E-Mail kommuniziert, aber es finden regelmäßig Meetings statt, sowohl innerhalb der Forschungsteams, als auch teamübergreifend. Diese gewährleisten die gute Kommunikation von Informationen und Partizipation aller Mitarbeiter. Die meisten Mitarbeiter haben ihren festen Arbeitsplatz, allerdings gibt es seit kurzem auch mehrere sogenannte Hot Desks, die von jedem Mitarbeiter benutzt werden können und somit ein ortsunabhängiges Arbeiten („location independent working”) ermöglichen. Auch ist es möglich, von zu Hause aus zu arbeiten. Praktikanten haben keine eigenen Schreibtische, sodass sie auf diese Angebote zurückgreifen können. Unbezahlte Praktikanten haben Vetrauensarbeitszeit. So können sie ihren Arbeitstag selbstverantwortlich und flexibel gestalten und zusätzlich zum „Wo” auch noch das „Wann” bestimmen. Somit ist es auch möglich, die zahlreichen Angebote der Universität für die Mitarbeiter zu nutzen und zum Beispiel Fachvorträge und Seminare zu besuchen. Allgemein ist die Arbeitsatmosphäre sehr locker. Großraumbüros sorgen für kurze Wege, um spontane Meetings zu organisieren. Zeitweise kann es durch die große Anzahl der Leute etwas lauter werden, aber die meiste Zeit ist es dennoch möglich konzentriert zu arbeiten.

Das Gebäude des CRPBA befindet sich, wie die meisten Universitätsgebäude, sehr zentral in der Innenstadt, sodass es leicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder zu Fuß zu erreichen ist. Die wichtigsten Universitätseinrichtungen, wie Hörsaalgebäude, die Bibliothek oder die Mensa, sind vom CRPBA fußläufig zu erreichen. Ende des Jahres 2017 soll das CRPBA in ein moderneres Gebäude ziehen, welches sich aber auch in unmittelbarer Nähe befindet.

Praktikumsaufgaben

Als Praktikantin hatte ich sehr oft die Möglichkeit vollkommen eigenständig zu arbeiten. Es wurden mir zwar keine eigenen kompletten Projekte, allerdings unabhängige Teilaufgaben innerhalb verschiedener Projekte zugewiesen. Da es zeitweise drei Praktikanten zeitgleich gab, wurden uns auch Aufgaben zugewiesen, die wir als Gruppe bearbeitet haben, sodass wir uns innerhalb dieser Gruppe selbstorganisieren konnten. Der Umfang der Aufgaben variierte stark. So gab es sowohl Aufgaben, die innerhalb von wenigen Stunden bzw. wenigen Tagen erledigt werden konnten, als auch solche, die die gesamte Praktikumszeit über dauerten. Da ich als Psychologie-Studentin mit den APA-Richtlinien vertraut bin, gehörten zu meinen ersten Aufgaben die Überprüfung und das Korrekturlesen eines Fachbuch-Manuskripts meines Praktikumsbetreuers und verschiedener Artikel für einen Tagungsband der International Society of Theoretical Psychology (ISTP), um somit die baldigen Veröffentlichungen voran zu treiben. Desweiteren habe ich bei der Durchführung einer Replikationsstudie geholfen, sowie beim Eintragen der entsprechenden Daten. Eine anspruchsvollere Aufgabe war das Kodieren von Emotionsausdrücken für eine Studie über Emotionen und Stolz bei Marathonläufern. Hierfür musste ich Aufnahmen von Läufern Bild für Bild untersuchen und mittels einer Kodierhilfe die Ausprägungen bestimmter Gesten und Mimiken bestimmen, welche auf Stolz oder Scham hinwiesen. Um eine angemessene Reliabilität der Einschätzungen zu gewährleisten, musste ich diese Technik einüben und regelmäßig mit den weiteren Kodierern abgleichen. Das größte Projekt, an dem ich mitwirken durfte, war eines über Corporate Social Responsibility (CSR). Dieses Forschungsthema wurde von der Universität mit dem Ziel ausgeschrieben, das Verständnis der Unternehmen von CSR zu verstehen und als Dienstleister für CSR-Lösungen den lokalen Unternehmen zur Verfügung zu stehen. Hierfür habe ich als Mitglied des Forschungsteams geholfen, die Forschungsfragen zu spezifizieren und einen Zeitplan zu erstellen. Meine Aufgabe in dem Projekt bestand darin, Internetrecherche zu den CSR-Strategien britischer Aktiengesellschaften zu betreiben und nach vorher festgelegten Kriterien auszuwerten. Auf dieser Auswertung aufbauend sollen qualitative Interviews mit britischen, vornehmlich lokalen, Unternehmen, wie z. B. Jaguar Land Rover, durchgeführt werden. Das Projekt dauert noch immer an. Leider war mein Praktikum schon vorbei bevor die Interviewphase angelaufen ist, sonst hätte ich auch Interviews führen dürfen.

Coventry

Coventry ist eine sehr überschaubare Stadt, die man innerhalb eines Tages komplett besichtigen kann. Neben der Kathedrale, die einerseits aus einer Ruine und andererseits aus einem modernen Neubau besteht, gibt es noch ein Kunstmuseum und das Transport Museum. Allerdings ist Coventry sehr zentral gelegen, sodass von dort sehr leicht ganz England erkundet werden kann. Schöne Ausflugsziele in der unmittelbaren Gegend sind z. B. Birmingham, Warwick Castle, Kenilworth Castle, Royal Leamington Spa, Shakespeares Geburtsort Stratford-upon-Avon und die Universitätsstadt Oxford. London ist sogar auch nur eine knappe Stunde mit dem Zug entfernt. Außerdem hat Coventry sehr viele schöne Pubs und Bars, sodass es abends nicht langweilig wird. Generell gibt es in Coventry alles, was man braucht. In der Innenstadt gibt es alle möglichen bekannten Ketten (sogar einen Ikea) und viele internationale Restaurants sind im sogenannten World Food Quarter zu finden. Auch sonntags haben die Geschäfte geöffnet. Als Student oder Bewohner eines Studentenheims kann man kostenlos das Fitnessstudio der Universität benutzen, wo man auch Fußball- und Basketballfelder oder Tischtennisplatten buchen kann. Das städtische Sportzentrum mit Schwimmbad befindet sich auch direkt neben der Universität und bietet für Studenten günstige Kurzmitgliedschaften.

Unterkunft

Meine Unterkunft habe ich über FutureLets (http://www.thefuturelets.org.uk/) gefunden, die Wohnungsvermittlung der Coventry University, die auch für die Studentenwohnheime der Universität zuständig ist. Über E-Mail-Kontakt habe ich nach einer Kurzzeitunterkunft für drei Monate gefragt. Hier sollte man sich so früh wie möglich melden. Mir konnte leider nur für zwei Monate ein Zimmer in einer Sechser-WG im Wohnheim Singer Hall angeboten werden. Für den letzten Monat habe ich ein Zimmer über AirBnB gesucht und habe eines nahe der Innenstadt in einer studentischen Wohngemeinschaft gefunden. Die Singer Hall ist nur etwa fünf Minuten vom CRPBA entfernt und besteht aus einem großen Gelände mit vielen zwei- bis dreistöckigen Reihenhäusern. Mein WG-Zimmer verfügte über ein Bett, einen Schreibtisch, mehrere Schränke und Regale und ein Waschbecken. In der Wohnung waren eine große, für sechs Personen ausgelegte Küche, zwei Toiletten, eine Dusche und eine Badewanne. Das eigene Zimmer konnte abgeschlossen werden. Da alle Zimmer in dieser Wohnung für Kurzaufenthalte gedacht waren, hatte ich viele wechselnde Mitbewohner aus allen möglichen Teilen der Welt, was einen ausführlichen interkulturellen Austausch ermöglicht hat, z. B. in Form von internationalen Dinnern. Die Gemeinschaftsräume wurden regelmäßig gereinigt und es gab einen 24h-Notfalldienst, den ich beispielsweise anrufen konnte, als das Warmwasser einmal nicht funktionierte. So war das Problem innerhalb weniger Stunden gelöst. Im Hauptgebäude sind Briefkästen, Waschmaschinen und Trockner zu finden. Die Mieten in Coventry sind meines Erachtens sehr hoch. Die finanzielle Beteiligung von Erasmus konnte nur einen Teil davon decken.

Resümee und Empfehlungen

Ein dreimonatiges Forschungspraktikum zu absolvieren, war meiner Meinung nach ein sehr guter Weg, um einen Einblick in die Universitätsarbeit zu kriegen, wenn man sie als Möglichkeit für das spätere Berufsleben in Erwägung zieht. Der Zeitraum ist lang genug, um einerseits mehrere Facetten der Arbeit kennenzulernen und andererseits ganze Projekte in ihrer vollen Länge mitverfolgen zu können. Forschungsarbeit wird sich vermutlich durch die Vorgaben wissenschaftlicher Standards nicht allzu sehr von der in Deutschland unterscheiden, sodass die Erfahrungen im Ausland auch gut auf eine mögliche Universitätskarriere in Deutschland transferiert werden könnten. Da, wie so häufig, auch in der psychologischen Forschung Englisch die wichtigste Sprache ist, war es für mich sinnvoll, das Praktikum in einem englischsprachigen Land zu absolvieren, um mehr praktischen Umgang mit der Sprache zu erhalten, sowohl im privaten, als auch im akademischen Kontext.

Mein Praktikum war nicht an ein spezielles Projekt gebunden, sondern ich wurde dort eingesetzt, wo ich helfen konnte. Das hat mir einerseits erlaubt, in so viele verschiedene Bereiche des Instituts wie möglich Einblicke zu erhalten, allerdings sorgte es auch dafür, dass nicht alle Aufgaben wirklich sinnvoll und produktiv waren. Deswegen würde ich in Zukunft vor Antritt eines Praktikums genau mit meinem Praktikumsbetreuer klären, welche Tätigkeiten und Aufgaben das Praktikum beinhaltet, wie verantwortungsvoll ich im Praktikum handeln darf und möchte und welche Kompetenzen von mir erwartet werden.

Der Aufenthalt in England war für meine Verhältnisse sehr teuer und trotz finanzieller Unterstützung dank Erasmus+ war es für mich ein Luxus, den ich mir gegönnt habe. Die Miete für ein Wohnheimzimmer in Coventry hat mich doppelt so viel gekostet wie die Miete für meine Wohnung in Osnabrück. Auch das Essen in der Universitätsmensa ist mehr als doppelt so teuer wie in der Bremer Mensa. Die restlichen Lebenskosten (Lebensmittel, Bar- und Kinobesuche) entsprechen allerdings in etwa jenen in Deutschland und sind nur unwesentlich höher. Sich ein Zimmer in einem Wohnheim zu besorgen war eine sehr schnelle und unkomplizierte Lösung. Wenn ich früher mit der Wohnungssuche angefangen hätte und mir mehr Mühe bei der Suche von privaten Unterkünften gemacht hätte, hätte ich unter Umständen etwas Kostengünstigeres gefunden. Allerdings bin ich so dem Risiko entgangen, eine unerwartet niedrige Wohnqualität vorzufinden. Die Wohnheime haben akzeptable qualitative Standards und bei Beschwerden ist immer jemand zu erreichen, der sich um die Bewohnerbelange kümmert.

Zusammenfassend war mein Praktikumsaufenthalt ein voller Erfolg. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht und auch wenn manche meiner Aufgaben einen eher monotonen Charakter hatten, habe ich trotzdem viel gelernt. Besonders das CSR-Projekt, bei dem ich mich sehr viel in die Thematik einlesen musste, hat mich dazu animiert, mich auch darüber hinaus mit dem Thema CSR zu beschäftigen und mich für die Berufe in diesem Bereich zu interessieren. Sogar für meine Masterarbeit habe ich Anregungen bekommen. Mein Praktikumsbetreuer war ein sehr sympathischer und umgänglicher Arbeitgeber, der sich viel Mühe gegeben hat, das Praktikum so flexibel und abwechslungsreich wie möglich für mich zu gestalten und auch viel Freude daran hatte, mir Tipps für Wochenendausflüge zu geben, um das Land kennenzulernen und die ich sehr gerne angenommen habe.