Als Teil meines Anglistikstudiums war ein Auslandsaufenthalt obligatorisch. Dieser konnte entweder als ein Auslandssemester oder ein Auslandspraktikum absolviert werden. Ich entschied mich aufgrund meiner Studiensituation für ein Auslandspraktikum und fing im Winter 2019/20 an dieses zu organisieren. Da mein Abschluss ein Bachelor of Arts mit Lehramtsoption werden soll, entschied ich mich auf eine Stelle als Fremdsprachenassistent zu bewerben. Das Aufgabenfeld dieses Berufes ist es an eine ausländische Schule zu gehen und die Schüler beim Deutschlernen für zwölf Stunden pro Woche zu unterstützen.

Somit bewarb ich mich für den Zeitraum Oktober 2020 bis Mai 2012 um eine Stelle im Vereinigten Königreich. Doch wie jeder andere Mensch wurde auch ich durch die Pandemie überrascht und geprägt. Das kommende Praktikum sollte durch die Pandemie bedingt und äußerst sonderbar werden: Man konnte aufgrund des ‚Social Distancing‘ fast keine privaten Kontakte knüpfen, Ausflüge in andere Städte war zeitweise per Gesetz verboten, und der zweimalige Selbsttest auf COVID-19 pro Woche wurde zur Routine. Nichtsdestotrotz blicke ich nicht mit einem negativen Gefühl auf mein Praktikum in England zurück. Denn trotz strikter Regeln, einer Metropole im Ausnahmezustand und einer eigenen Infektion mit COVID-19 hatte ich die Chance einen Einblick in eine andere Kultur zu gewinnen, Menschen zu treffen und mich nicht von Umständen unterkriegen zu lassen, indem man Gelegenheiten mehr wertzuschätzen lernte.

Mein Praktikum durchlief drei Stadien: Die Phase vor dem Lockdown von Oktober bis Weihnachten, der Lockdown von Januar bis März und die Zeit nach dem Lockdown von März bis Mai.Ende September 2020 kam ich in eine Stadt, die gerade einen warmen und sonnigen Sommer durchlebt hatte. Oft hörte ich die Aussage, dass das Wetter bis zu dem Wochenende vor meiner Ankunft hervorragend gewesen sei. Doch ab meine Einreise wurde es kälter. Durch die Beobachtung des Infektionsgeschehens in Europa hatte ich schlimme Befürchtungen vor dem kommenden Winter. Doch ich erinnerte mich, dass ich mich entschlossen hatte trotz der Pandemie meine Stelle als Fremdsprachenassistent anzutreten. Meine Stelle wurde über den pädagogischen Austauschdienst und dem British Council vermittelt. Ich sollte im äußersten Südwesten des Großraumes Londons in Sutton meine Stelle antreten.

Bezüglich meiner Wohnunterkunft hatte ich mir vorab überlegt, dass mir ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft suchen würde, um ein soziales Leben in der Unterkunft zu haben und gegebenenfalls Kontakte über meine Mitbewohner zu knüpfen. Darüber hinaus entschloss ich mich eine Unterkunft zu suchen, die näher am Zentrum von London liegt, um nicht in einem eventuellen Lockdown in der Vorstadt eingeschlossen zu sein. Diese beiden Entscheidungen ermöglichten es mir trotz der sehr strengen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie mein Auslandspraktikum zu Ende zu führen. Zur Organisation des Praktikums habe ich vorweg eine Wohngemeinschaft auf spareroom.co.uk gesucht. Dies war etwas schwierig, da ich nicht sehr viele Rückmeldungen erhielt und es bei etwaigen Gesprächen über Skype schwierig war eine sympathische Beziehung zu den Menschen aufzubauen. Ich hatte allerdings Glück und fand liebevolle Mitbewohner in einer kleinen Wohnung in Brixton, welches aufgrund einer Direktverbindung per Zug nach Sutton ideal gelegen war.

Aufgrund meiner Erfahrungen des Lebens in Metropolen hat sich gezeigt, dass die möglichen Nahverkehrsverbindungen in der Nähe des Wohnortes essenziell sind. Ich musste schließlich noch ein britisches Bankkonto eröffnen und eigentlich eine Sozialversicherungsnummer beantragen, deren Ausstellung aufgrund der Pandemielage nicht möglich war. Für das Erasmusstipendium schloss ich noch eine Auslandskrankenversicherung ab. Das Vereinigte Königreich war zwar im Herbst 2020 bereits kein Mitglied der Europäischen Union mehr, allerdings galt noch das EU-Recht in einer Übergangsphase bis zum Ende des Jahres und ich konnte ohne weitere Formalitäten meine Stelle antreten.

Ich arbeitete an zwei verschiedenen Schulen: Die Sutton High School (SHS), die eine private Mädchenschule ist, und die Sutton Grammar School (SGS), die eine öffentliche, bis zur Sixth Form (die Oberstufe), Jungenschule war. Die beiden Schulen und die dortigen Erlebnisse waren stets sehr kontrastreich. Die SHS war eine kleinere Schule, die hauptsächlich von im näheren Umkreis Suttons wohnenden Mädchen aus der Mittelklasse besucht wurde. Die SGS war eine größere Schule, die einen äußerst guten Ruf genoss und deshalb von Schülern aus ganz London besucht wurde.

Während die erste eher familiärer wirkte, machte die zweite einen elitäreren Eindruck. In der SHS wurde ich mit offenen Armen empfangen und in der SGS eher allein gelassen. Den Hauptteil meiner Arbeitszeit verbrachte ich, jeweils vier Stunden in beiden Schulen, mit Schülern der Oberstufe. Für diese Stunden gestaltete ich eigene Materialien, die sich an den Themen für die A-Level orientierten. Mir wurden in beiden Schulen weitgehende Freiheiten gelassen, wie ich die Stunden mit den Deutschlernenden gestaltete. Diese wurden Einzeln in der SHS und in Zweier- bis Dreiergruppen in der SGS von mir unterrichtet. Darüber hinaus habe ich in der SHS mit Schülerinnen der Jahrgänge 7-11 gearbeitet. Mit ihnen arbeitete ich während ihrer regulären Deutschstunden neben der Phonologie, Satzstruktur, Grammatik und soziolinguistischen Einblicken an der Kompetenz des freien Sprechens.

Meine Freizeitgestaltung war sehr unterschiedlich und dadurch bestimmt was die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zuließen. Ich traf eine gute Entscheidung als ich gleich zu Anfang meines Praktikums ein Fahrrad kaufte. Einerseits sind Nahverkehrstickets in das Zentrum von London sehr teuer und andererseits waren Joggen, Fahrradfahren und ein das Einkaufen von Lebensmitteln die einzigen legitimen Gründe den eigenen Wohnsitz zu verlassen. In dieser Zeit war mein Architekturreiseführer ein wichtiger Begleiter, da London eine Stadt mit einer besonderen architektonischen Geschichte ist und das Betrachten der vielen unterschiedlichen Gebäude die einzige legale Möglichkeit einer kulturellen Erfahrung war.

Daneben war es sehr wertvoll, dass ich mich ausgezeichnet mit meinen Mitbewohnern verstand und wir uns während dieser Phase eine schöne Zeit machen konnten. Da alle von ihnen aus englischsprachigen Ländern stammten, war das Zusammenleben wesentlich für die Weiterbildung meiner Sprachkompetenzen. Bezüglich der Pandemiesituation erlebte ich einen Rückschlag zum Jahreswechsel. Die Kent-Variante begann sich im Dezember zu verbreiten. Ich plante über die Weihnachtsferien meine Familie in Deutschland zu besuchen und zwei Tage nach meinem Flug wurden Reisebeschränkungen erlassen. Diese Beschränkungen und der folgende Lockdown verhinderten bis Anfang März, dass ich in das Vereinigte Königreich zurückkehren konnte.

Während dieser Zeit musste ich mir die Methoden zum Onlineunterricht über Microsoft Teams aneignen und meine Schüler von Deutschland aus unterrichten. Ab dem 08. März wurden die Schulen in England wiedereröffnet und ich konnte nach einem Flug, drei Tests auf COVID-19 und meiner zweiten Quarantäne wieder in Persona unterrichten. In der Zeit außerhalb des Lockdowns war London offensichtlich eine Stadt mit vielen Möglichkeiten. Zwischen den einzigartigen Museen, charmanten Programmkinos, erstklassiger Gastronomie und dem allgemeinen Treiben in einer multikulturellen Metropole eröffneten sich viele Chancen für das Erleben. Nichtsdestotrotz war es quasi unmöglich Kontakte zu knüpfen, da die Kontaktbeschränkungen, die während meines Aufenthalts galten, dies stets verhinderten.

In eine fremde Kultur zwischen Lockdowns und Brexit einzutauchen war in keinem Fall leicht. Ich war insgesamt sechs Wochen in Quarantäne und hatte eine Zeit lang mit den Folgen meiner Erkrankung an COVID-19 zu kämpfen. Trotzdem konnte ich mich durch das Praktikum akademisch, persönlich und professionell weiterentwickeln. Es erfüllt mich mit Stolz, dass ich dieses Erlebnis durchgestanden zu haben und vor allem den Kindern in Sutton den Zugewinn an Wissen und Sprachkompetenzen in einer auch für sie schwierigen Phase ermöglicht haben zu können. Im Vergleich zu den vorherigen oder den folgen Sprachassistenten habe ich nur wenige Menschen und London nicht richtig kennenlernen können. Dafür habe ich nach vielen Fahrradtouren eine gute Orientierung in der Stadt und eine intensivere Beziehung zu den Bezugspersonen, die ich getroffen haben. Dementsprechend habe ich eine höchst außergewöhnliche Erfahrung machen können, während einige in der Familie und Freunde nur das Homeoffice erlebten. Durch das ERASMUS Stipendium konnte ich Kosten, die besonders durch notwendige Tests und erhöhte Reisekosten entstanden decken.