Aufbauend auf unserem Blogbeitrag “Wilhelmshaven – Das neue Hamburg?” haben wir das Gespräch mit dem Bundestagsabgeordneten Uwe Schmidt (SPD) gesucht. Uwe ist gelernter Hafenfacharbeiter und zog 2017 über das Direktmandat im Wahlkreis Bremen II – Bremerhaven in den Deutschen Bundestag ein. Hinsichtlich seiner Biographie, in der Häfen immer eine Rolle gespielt haben, setzt er sich dort natürlich stark für Hafenpolitik ein – unter anderem im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur.
Nach einer kurzen Einführung von Jonas fragen wir Uwe, wie er den Wettbewerb zwischen den vermeintlichen Konkurrenten Wilhelmshaven und Hamburg einschätzt. Die mögliche Konkurrenz der beiden Seehäfen haben wir ja auch schon in unserem Blogbeitrag ausführlich dargestellt. Zu unserer Überraschung räumt Uwe dem Wettbewerb gar keine so große Rolle ein, sondern legt den Fokus eher auf Hafenkooperation – zwischen den Deutschen Seehäfen, der Nordrange oder gar allen europäischen Häfen. Zu der hafenpolitischen Kooperation der Nordrange haben unsere KommilitonInnen Carlotta und Paul ja auch schon einen sehr interessanten Podcast veröffentlicht, den ihr hier finden könnt. Die Rolle der Bremischen Seehäfen im europäischen Wettbewerb hat auch Jan schon in seinem Blogbeitrag näher beleuchtet, zu dem ihr hier gelangt. Den europäischen Gedanken hat auch Uwe immer wieder aufkommen lassen, sieht er in einer europäischen Kooperation doch den einzigen Weg, in Zukunft mit dem hafenwirtschaftlich aufstrebenden China mithalten zu können. Im Podcast haben wir vor allem den Hafen von Piräus thematisiert, der von der chinesischen Staatsreederei COSCO betrieben wird und der Nordrange ökonomisch gefährlich werden könnte. Dieser gehört zu der neuen Seidenstraße, über den Jan auch einen hier lesbaren Blogbeitrag geschrieben hat.
Im Outro fassen Jonas und ich im Dialog die wesentlichen Kernaussagen des Gesprächs mit Uwe noch einmal zusammen und beichten unsere größten Überraschungen. Der Podcast bedeutet einen großen Erkenntnisgewinn unsererseits, gingen wir doch noch in unserem Blogbeitrag von einer großen Konkurrenz zwischen den deutschen Seehäfen aus. Uwe hingegen betont die Kooperation und kämpft in der Politik sogar für eine europäische Staatsreederei, die es mit COSCO aufnehmen kann. Wir stellen also fest: Wilhelmshaven ist nicht das neue Hamburg, sondern Kooperation der neue Wettbewerb!
Danke für den tollen Podcast! Im Interview geht es nochmal um viele Themen, die im Laufe des Seminars eine wichtige Rolle gespielt haben. Also ein wriklich guter Abschluss unserer 8-teiligen Hafencast-Serie!
Besonders spannend find ich, dass im Gespräch mehrfach das Verhältnis von Staat und Markt thematisiert wird, ohne dass danach aber explizit gefragt wurde. Einerseits konstatiert Uwe Schmidt eine gewisse Autonomie der Märkte bzw. Ohnmacht staatlicher Regulierung (“Die Warenströme lassen sich nicht lenken”). Andererseits fordert er an vielen Stellen vehement eine stärkere Regulierung zu europäischen Bedingugen ein. Schließlich zeigt das Beispiel der chinesischen Staatsreederei COSCO und die Idee einer möglichen gemeinsamen europichen Staatsreederei, dass Markt und Staat empirisch auch keine klar abgegrenzten Sphären sind. Politikwissenchaftlich und politiökonomisch ist das sehr spannend und anschlussfähig für verschiedene Theorieperspektiven …
Mir gefällt auch bei diesem Podcast wieder sehr gut (ähnlich wie bei Podcast #7), dass sich durch die Rechechre und eigene Datenerhebung merklich die ursprüngliche Einschätzung verändert, also der Forschungsprozess wirklich zu einem Erkenntnisprozess führt. Gut, dass das im Outro nochmal explizit angesprochen wird. Es ist ganz ratsam in jedem Forschungsprozess immer mal wieder zu reflektieren, wie und warum ich die Position der Forschenden zu den anfänglichen Annahmen ändert.
Könnnt ihr vielleicht noch etwas zur Interviewsituation sagen (auch das reflektieren wir ja in diesem Forschungsseminar regelmäßig): Wie habt ihr euch beim Gespäch gefühlt? Was hat gut funktioniert und was war eher schwierig? Wie war der Zugang? Was hat euch überrascht?
Das Interview mit Uwe Schmidt war mein erstes überhaupt. Dass ich Uwe schon vorher kannte, hat die Situation auf jeden Fall einfacher gemacht, nervös war ich trotzdem. Während der Aufnahme dachte ich, dass ich trotz Aufregung nich relativ langsam und klar rede, beim Anhören hat sich dieser Eindruck schnell geändert. Ich habe auf jeden Fall gelernt, dass man vor allem in rein auditiven Medien schon wirklich so langsam reden muss, dass es einem während der Aufnahme schon fast komisch vorkommt. Ich habe in der letzten Woche noch einen Podcast mit Carsten Sieling aufgenommen und definitiv aus den Erfahrungen mit Uwe lernen können. Im Sieling-Podcast gefällt mir mein eigener Auftritt noch einmal viel besser. Übung macht also den Meister!
Beim Gespräch war ich auf jeden Fall froh, mit einem echten Profi zu arbeiten. Reden kann Uwe einfach, darum musste ich mich also nicht sorgen. Schwer fiel mir dabei, im Kopf die Struktur zu wahren und gleichzeitig einen Dialog mit Uwe zu führen. Ein besseres Multi-Tasking, mit dem ich einerseits den roten Faden wahren und trotzdem spontan bzw. tiefer auf Uwes Aussagen eingehen könnte, wäre auf jeden Fall von Vorteil – ist aber eben auch wieder “nur” Übungssache.
Die Zugang fiel mir sehr leicht, weil ich mich schon seit Jahren mit diesen Themen auseinander setze, hier war es also teilweise ein Heimspiel. Die Partnerarbeit verlief sehr harmonisch, auch weil wir die Aufgabenbereiche klar getrennt haben. So konnte ich mein Vorwissen zur Thematik einbringen, während Jonas die Arbeit mit seiner technischen Expertise sehr erleichtert hat. Inwiefern es bzgl. der Technik Überraschungen, Probleme oder Erfreuliches gab, kann er besser beantworten als ich.
Es freut mich, dass ihr aus der Podcast-Produktion was für die künftige Arbeit mitnehmt und dass ihr erste Interviewerfahrungen sammeln konntet. Erste Forschungserfahrungen in einem relativ geschützten Raum zu ermöglichen war ja eines meiner Lehrziele. Schön, dass das geklappt hat!
Ich kenne das Gefühl aus eigenen Interviews sehr gut, das es manchmal schwer ist gleichzeitug dem Gesagten zu folgen und sich auf die nächsten Fragen zu konzentrieren. Das ist eine besondere Herausforderung bei narrativen Interviews, bei denen man sich auch wirklich stark auf das Gegenüber einlassen muss. Hier ist ein guter Leitfaden mit klaren Stichworten das A & O. Aber egal wie gut die Vorbereitung war, es konmt doch ganz oft anders, als gedacht. Das können doch bestimmt auch andere Seminarteilnehmer*innen bestätigen, die auch Interviews geführt haben, oder?
Zum Thema Staatsreedereien ist mir noch eingefallen, dass natürlich auch die großen europäischen Containerreedereien Maersk (Dänemark), MSC (Italien/Schweiz) und CMA CGM (Frankreich) umfangreiche staatliche Fördrungen erhalten, auch wenn sie anders als COSCO in privatem Eigentum sind. Solche großen Unternehmen, die gleichzeitig die logistische Infrastruktur des globalen Kapitlismus, werden oft als national champion gefördert und erfahren eine besondere Behandlung. Mehr dazu in diesem spannden Artikel aus der Le Monde diplomatique: https://monde-diplomatique.de/artikel/!5688408