Lerneinheit 8: Hafenpolitik

Der Hafen hat in Bremen Verfassungsrang: Art. 38(2) der Bremischen Landesverfassung verpflichtet die Wirtschaft zur besonderen Pflege von „Seehandel, Seeschiffahrt und Seefischerei“ als Aufgabe im nationalen Interesse. Wie wir schon gesehen haben, ist die Eigenständigkeit Bremens historisch eng mit seiner Rolle als Hafenstadt verknüpft. Es ist daher auch wenig überraschend, dass die Häfen in Landespolitik eine wichtige Rolle spielen und die Hafenpolitik in der Freien Hansestadt ein institutionalisiertes Politikfeld mit eigenem Senatsressort und Bürgerschaftssausschuss ist. In dieser Lerneinheit geht es um die Akteure und Inhalte der Bremischen Hafenpolitik, ihre Verbindungen im Mehrebenesystem der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union sowie um Ansätze der Hafenkooperation.

Was ist Hafenpolitik und handelt es sich dabei wirklich um eigenes Politikfeld? Die Literatur zu diesem Thema ist relativ dünn. Hafenpolitik taucht in den einschlägigen Standardwerken zur Politikfeldanalyse so gut wie nie als eigenständiges Feld auf und wird in der politikwissenschaftlichen Betrachtung meist unter Wirtschafts- oder Verkehrspolitik subsumiert. Überschneidungen gibt es natürlich auch mit Stadtentwicklungspolitik (siehe Lerneinheit 7) und Arbeitsmarktpolitik (siehe Lerneinheit 9). Bei der Definition von Hafenpolitik könnten wir uns eigentlich ganz einfach machen: Hafenpolitik ist Politik, die die Häfen zum Gegenstand hat. Das ist zwar nicht falsch, aber auch nicht sonderlich hilfreich, ist doch der Begriff der Politik alles andere klar und unumstritten. Aus Ihrem Politikstudium sollten sie verschiedene Politikbegriffe und –dimensionen (policy, polity, politcs) kennen, die Sie auf die Hafenpolitik anwenden können. Aus meiner Sicht geht es bei Politik (und damit auch bei Hafenpolitik) nicht nur um die Herstellung allgemeinverbindlicher Entscheidungen und die Verteilung von Ressourcen, sondern zentral auch um das Austragen von Interessenkonflikten und die Konkurrenz verschiedener Bedeutungszuschreibungen. Diese beiden konflikthaften und diskursiven Elemente von Politik werden aber häufig vom Problemlösungsbias der Policy-Forschung und der Governance-Perspektive ausgeblendet.

Ein weites Verständnis von Hafenpolitik schaut aber nicht nur auf die untermittelbare institutionalisierte Entscheidungsfindung, sondern auch auf die ihr vor- und nachgelagerten Prozesse der Interessensvertretung und diskursiven Deutung. Dass es in der Hafenpolitik scheinbar weniger Kontroversen gibt als in anderen Politikfeldern, ist daher auch schon ein wichtiger und erklärungsbedürftiger Befund. Hier kommen wieder die Hafennarrative ins Spiel, über die wir schon gesprochen hatten. Häfen schreiben sich oft in besonderer Weise in die kollektive Identität einer Stadt ein und bekommen daher etwas Unantastbares: Die Grundsatzfrage, ob ein Hafen gut für eine Stadt ist und ob er gefördert werden muss, wird oft gar nicht mehr gestellt. Mit den Einbrüchen in Schifffahrt und Hafenwirtschaft nach der Wirtschafts- und Finanzkrise ab 2008 rückten die Häfen stärker in das politische Bewusstsein. Die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Häfen wurde zu einem zentralen Ziel von Landes-, Bundes- und europäischer Politik (Buss 2018: 112).

Hafenpolitik ist ein zentraler Bestandteil der schon besprochenen Hafengovernance, geht aber über Fragen der konkreten Steuerung und Regulierung der Hafenaktivitäten hinaus. Insbesondere ist Politik im Gegensatz zu Governance immer eine öffentliche Angelegenheit. In der Politikfeldanalyse gibt es eine Bandbreite verschiedener Theorien zur Erklärung bestimmter policies (also Politikergebnisse). Dazu gehörten z.B. sozioökonomische Theorien, Machtressourcentheorien, die Parteiendifferenzthese, institutionalistische Theorien und die Internationalisierungs Hypothese. Diese Theorien erklären bestimmte politikfeldspezifische Entscheidungen mit unterschiedlichen Faktoren. Politische Prozesse (politics) werden analytisch mit Hilfe des Policy Cycle in verschiedene Phasen unterteilt, die dann einzeln untersucht werden können: Problemdefinition, Agenda Setting, Politikformulierung, Politikimplementierung und Politikevaluierung (aus der schließlich mit einer Problemredefinition ein neuer Zyklus entstehen kann). Versuchen Sie doch mal bei einem beliebigen hafenpolitischen Thema (z.B. Hafenausbau, Hafenkooperation, Hafengebühren, Verkehrsanbindung) diese Phasen zu identifizieren!

Typisch für die meisten Politikfelder, wie auch die Hafenpolitik, ist die Einbindung in ein poltisches Mehrebenensystem, in dem die Entscheidungsfindung auf verschiedene interdependente Ebenen aufgeteilt ist. Hafenpolitik wird in der Kommune (Stadtgemeinde Bremen, Bremerhaven), auf der Landesebene (Freie Hansestadt Bremen), auf der Bundesebene und auf der europäischen Ebene betrieben. Oft überschneiden sich Regelungskompetenzen, sodass eine Zusammenarbeit der Ebenen oder eine besondere Interessensvertretung einer Ebene gegenüber den nächst höheren notwendig wird. Die Bremischen Landesvertretungen in Berlin und Brüssel dürften sich regelmäßig mit hafenpolitischen Fragen beschäftigen.

Auf der Landesebene gibt es eine Vielzahl von hafenpolitischen Institutionen und Akteuren. Die Bremische Bürgerschaft (das Landesparlament) bildet einen Ausschuss für die Angelegenheiten der stadtbremischen Häfen (zu denen auch das stadtbremische Überseehafengebiet in Bremerhaven gehört). Im Senat (die Landesregierung) bilden die Häfen ein Ressort, das aber i.d.R. mit anderen Politikfeldern zusammen von einer senatorischen Behörde verantwortet wird (zurzeit Häfen & Wissenschaft). Auf der Hafenverwaltungsseite agieren das Hansestadt Bremisches Hafenamt und bremenports als Hafenmanagementgesellschaft. Daneben gibt es eine Reihe von Interessensverbänden, die versuchen auf die Hafenpolitik Einfluss auszuüben von der Handelskammer Bremen über die Initiative stadtbremische Häfen und die Bremische Hafenvertretung bis hin zum BUND Bremen (siehe Liste mit Links unter Forschungsdaten). Auf der Bundes- und Europaebene agieren dann entsprechende Dachverbände.

Eine zunehmend wichtige hafenpolitische Frage ist nach der Hafenkooperation (Krämer 2015a,b). Im zunehmenden internationalen Wettbewerb wird die Zusammenarbeit zwischen den Nordländern immer wichtiger. Gleichzeitig, will keine Hafenstandort Anteile an die benachbarten Konkurrenten verlieren. Bremen scheint unter den Nordländern besonders kooperationsfreudig zu sein, auch weil es oft nur begrenzt lokale Handlungsspielräume gibt. Der JadeWeserPort in Wilhelmshaven zeigt sowohl die Möglichkeiten als auch die Grenzen der Hafenkooperation auf, hat sich doch Hamburg aus dem Projekt zurückgezogen und bleibt der Erfolg des Hafens bisher hinter den Erwartungen zurück. Oft bleibt es bei der Hafenkooperation bei politischen Absichtserklärungen, wie ein aktuelles Deutschlandfunk Feature von Felicitas Boeselager und Axel Schröder (Februar 2020) zeigt.

Zur Erforschung der Hafenpolitik bieten sich eine Reihe von Forschungsdaten an. So können Sie in der Parlamentsdatenbank der Bremischen Bürgerschaft nach Plenar- und Ausschussprotokollen sowie Anfragen zu den Häfen suchen. Auch mit Wahlprogrammen und Koalitionsverträgen können verschiedene parteipolitische Positionen und hafenpolitische Kontroversen gut rekonstruiert werden. Zeitungsarchive und weitere politische Dokumente (z.B. Hafenkonzepte) sowie Interviews mit den politischen Akteuren können weitere hilfreiche Quellen sein.

Blogbeiträge zu dieser Lerneinheit:

 Literatur

  • Buss, Klaus-Peter (2018): Branchenanalyse Hafenwirtschaft. Entwicklungslinien des Hafenwettbewerbs und Herausforderungen der öffentlichen Akteure. Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung.
  • Krämer, Iven (2015a): Die deutschen Seehäfen im Fokus überregionaler Entwicklungspolitik. Eine Folgenabschätzung zum Nationalen Hafenkonzept. Frankfurt: PL Academic Research.
  • Krämer, Iven (2015): Hafenpolitik mit Fokus auf Kooperation. In: Hansa 152 (9), S. 100-104.

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