International Women‘s Day — Feministischer Kampftag

Wie jedes Jahr fand vergangene Woche am 8. März der internationale Frauentag statt und wie jedes Jahr wurden auf den Social Media-Accounts diverser Politiker fleißig Blumenbilder gepostet und sogenannte „starke Frauen“ gefeiert. Schnell scheint es beim Betrachten dieser Bilder, als gäbe es im Grunde keine Geschlechterungerechtigkeit mehr – als sei der Weltfrauentag nunmehr nichts als eine Art valentinstagsähnlicher, kommerzialisierter Feiertag, an dem es ausreicht, wenn die Männer den Frauen eine Rose in die Hand drücken und einmal „danke für alles“ sagen.

Aber worin liegt denn der Sinn des Weltfrauentags? Und welche Probleme gibt es noch im Bereich der Geschlechtergerechtigkeit?

Fangen wir mit den Basics an: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“, so heißt es in Art. 3 Abs. 2 des deutschen Grundgesetzes. Und weiter: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Besonders dieser zweite Satz ist eine unerlässliche Ergänzung – denn nur dadurch, dass im Grungesetz festgehalten ist, dass Männer und Frauen mit Einführung dieses Artikels 1949 auf dem Papier gleichberechtigt sind, heißt das schließlich noch lange nicht, dass sie es über Nacht auch plötzlich in der Realität waren. Für fast dreißig weitere Jahre brauchten Frauen, die berufstätig sein wollten, die Erlaubnis ihres Ehemannes, für mehr als vierzig weitere Jahre war sogar die Vergewaltigung in der Ehe straffrei. Also wurde 1994 (vor gerade einmal dreißig Jahren!), der zweite Satz hinzugefügt. Mit ihm verpflichtete sich die Regierung, aktiv daraufhinzuarbeiten, dass möglichst bald nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis von einer vollkommenen Gleichberechtigung der Geschlechter gesprochen werden kann.

Und wie läuft das so?

Nun, schauen wir uns einmal die Fakten an: Der Anteil von Politikerinnen im deutschen Bundestag liegt bei gerade einmal 35% – nicht gerade viel, wenn man bedenkt, dass diese 35% einen Bevölkerungsanteil von 50% repräsentieren sollen. Denn während einige Parteien selbstauferlegte Frauenquoten zwischen einem Drittel und der Hälfte ihrer Vertreter*innen befolgen, lehnen unter anderem CDU und FDP eine solche Quote ab, was sich auch in ihren Frauenanteilen deutlich bemerkbar macht. Es stellt sich also die Frage, wie über aktuelle Themen im Bereich der Geschlechtergerechtigkeit, wie der Strafbarkeit von Schwangerschaftsabbrüchen, Frauenquoten in Führungspositionen oder dem Gender Pay Gap produktiv und ausgeglichen diskutiert werden soll, wenn die Personengruppe, die von diesen Themen am stärksten betroffen ist, nicht ausreichend vertreten ist. Und auch abseits des Bundestages liegt noch ein langer Weg vor uns, bis Frauen in der Gesellschaft tasächlich Männern gleichgestellt sind. So sind 71,1% der Betroffenen häuslicher Gewalt Frauen und fast jeden dritten Tag kommt es in Deutschland zu einem sogenannten Femizid, also einem Tötungsdelikt, bei dem das weibliche Geschlecht des Opfers im Rahmen patriarchaler Geselkschaftsstrukturen eine Rolle gespielt hat, da sie von ihrem aktuellen oder ehemaligen Partner getötet wurde. Allzu oft werden Femizide noch verharmlosend als „Familiendramen“ oder „Eifersuchtstaten“ betitelt und so in ihrer Bedeutung für die Gesellschaft heruntergespielt. Die Angst vor sexistisch motivierten Gewalttaten ist bei vielen Frauen allgegenwärtig – angefangen bei verbaler sexueller Belästigung auf offener Straße (was in Deutschland nicht per se strafbar ist), über körperliche Übergriffe nach dem Clubbesuch bis hin zu Stalking. In Führungspositionen in der Wirtschaft sind Frauen unterrepräsentiert und dass sie im Bewerbungsverfahren noch immer oft unter meist vorgeschobenen Gründen diskriminiert werden (Sie könnten ja schwanger werden!), ist längst ein offenes Geheimnis. Und hier wurde auf soziale, unterschwellige Misogynie sowie die häufige Doppelbelastung von Frauen durch zusätzliche Care-Arbeit noch gar nicht eingegangen – ihr seht: Das Thema könnte zahlreiche Artikel füllen.

Doch selbst, wenn all das einige immer noch nicht von der Notwendigkeit eines Frauentages überzeugen kann, ist zu bedenken, dass es sich um einen internationalen Frauentag handelt. Und selbst dann, wenn man nur auf die gesetzliche Gleichberechtigung (wie sie eben in Deutschland herrscht) schaut, ergibt sich ein schockierendes Bild; von 190 Ländern ist eine solche Gleichstellung auf dem Papier in nur 14 Ländern existent. Vielerorts werden Frauen noch immer aufs Härteste diskriminiert, physisch und seelisch verletzt, ohne dass sie auf den Schutz oder die Hilfe des Staates hoffen dürfen. Alleine für diese Frauen und Mädchen ist ein Weltfrauentag von Bedeutung.

In feministischen Kreisen hat der Weltfrauentag aus diesen Gründen auch schon länger den Namen „feministischer Kampftag“ bekommen; dieser soll verdeutlichen, dass es sich nicht um einen Feiertag handelt, sondern um einen Tag des Aktivismus, der zum Anlass genommen wird, um verstärkt auf bestehende Missstände aufmerksam zu machen und auf Demonstrationen oder über Online-Aktionen verstärkt gemeinsam nach politischem und sozialem Fortschritt zu streben.

Statt also Blumen zu verteilen und anzunehmen, wäre es für einige Politiker vielleicht eher an der Zeit, Frauen endlich richtig zuzuhören, ihre Sorgen und Probleme ernstzunehmen und das Versprechen aus Artikel 2 des Grundgesetzes weiter einzulösen – damit wir eines Tages in einer Gesellschaft leben können, in der alle Geschlechter tatsächlich mit den gleichen Chancen, Rechten und dem gleichen Respekt leben können.

 

 

Quellen:

Tagesschau

Bundesministerium des Inneren und für Heimat

Deutscher Bundestag

Bundeszentrale für politische Bildung

Grundgesetz

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