Interview mit „Ein sicherer Hafen“
Wenn der Winter in Deutschland die Böden vereist und das Nahrungsangebot knapp wird, bedeutet das für viele heimische Wildtiere den Beginn einer Phase im Energiesparmodus. Sie ziehen sich zurück und zehren in den kommenden Monaten von einem vorher angelegten Vorrat oder Fettpolstern. Während Tiere wie das Eichhörnchen Winterruhe halten, das heißt zwischendurch immer wieder wach werden, um die vorher sorgfältig versteckten Nüsse auszubuddeln und Energie zu tanken, fallen Tiere wie der Igel in einen tiefen Winterschlaf, der nur selten unterbrochen wird. Durch eine stark gesenkte Atem- und Herzfrequenz fällt die Körpertemperatur der kleinen Tiere stark ab und sie verschlafen die kalten Monate bei geringem Energieaufwand. Doch leider geht es dem Igel, genau wie vielen anderen Wildtieren in Deutschland, gar nicht gut; der Igelbestand in Deutschland sinkt stetig. Jedes Jahr fallen hunderttausende Igel auf deutschen Straßen den Autos zum Opfer, finden in zugepflasterten Kiesgärten keinen Lebensraum und verhungern, erkranken oder erfrieren aufgrund des sinkenden Nahrungsangebots in den Städten.
Magdalena Hentschel hat sich ehrenamtlich dem Tierschutz verschrieben – ohne zwischen Haus-, Nutz- und Wildtieren zu unterscheiden. Auf ihrer Instagramseite @ein.sicherer.hafen lässt sie ihre Follower an ihrer Arbeit mit allerlei hilfsbedürftigen Tieren teilhaben. Wir haben uns mit ihr über ihr Engagement unterhalten.
EULe: Hallo Magdalena, auf deiner Instagramseite zeigst du häufig Einblicke in deine ehrenamtliche Arbeit als Betreiberin einer Wildtierambulanz, besonders häufig sind bei dir Igel zu sehen. Aktuell ist für Igel ja eigentlich Winterschlafzeit, dennoch sind sie gelegentlich wach anzutreffen. Brauchen diese Igel Hilfe? Woran kann man generell erkennen, ob ein Igel Hilfe braucht?
Magdalena: Grundsätzlich gibt es einige Faustregeln. Wenn ein Igel
- bei Schnee
- Temperaturen deutlich unter 8°C
- Mit weniger als 300g Körpergewicht
- Bei Tageslicht
- Wackelig / torkelnd
- Von Fliegen umschwärmt
- Oder auf der Seite liegend
gefunden wird sollte man immer handeln.
EULe: Was kann man als Laie tun, wenn man einen hilfsbedürftigen Igel findet?
Magdalena: Wenn man einen hilfsbedürftigen Igel findet, sollte man ihn in einem geheizten Raum im Haus unterbringen. Dazu nimmt man einen Karton oder eine Kunststoffbox und legt diese mit Zeitungspapier aus. Dann macht man dem Igel eine sehr heiße Wärmflasche, die man mit einem Handtuch umwickelt. Wenn man keine Wärmflasche hat, kann man alternativ auch zwei leere PET-Flaschen mit Klebeband zusammenkleben, mit sehr heißem Wasser befüllen und ebenfalls mit einem Handtuch umwickeln. Da drauf setzt man dann den Igel.
Er muss so viel Platz in der Box haben, dass er die Wärmequelle eigenständig verlassen kann. Man deckt ihn dann mit einem zweiten Handtuch zu. Die Box oder den Karton stellt man am besten in die Badewanne oder Dusche. Igel sind wahre Ausbruchstalente und wenn er da ausbrechen sollte, kommt er nicht weit.
Wenn der Igel untergebracht ist, wie beschrieben, sollte man unbedingt sofort eine igelkundige Stelle kontaktieren, um den Igel vorzustellen. Eine Liste für ganz Deutschland findet man auf www.pro-Igel.de und für Bremen ist ein guter Ansprechpartner das Netzwerk Igelfreunde. In jedem Fall sollte man unbedingt darauf achten, sich einen Sachkundenachweis, die Erlaubnis vom Veterinäramt oder Nachweise über entsprechende Fortbildungen zeigen zu lassen. Die Igel haben nur diese eine Chance, die richtige Hilfe zu erfahren und daher ist es wichtig, dass sie an sachkundiger Stelle landen.
EULe: Welche Vorsichtsmaßnahmen sollte man hinsichtlich der Hygiene treffen? Können Igel Krankheiten übertragen?
Magdalena: Grundsätzlich kann jedes Tier Krankheiten beziehungsweise Parasiten übertragen. Das kann auch jeder kranke Mensch, der Infekte oder Parasiten hat. Beim Igel reicht – wie bei den meisten Tieren – die Einhaltung von normalen Grundregeln der Hygiene aus.
EULe: Wie kann man Igel und andere Wildtiere das Jahr über (und besonders jetzt im Winter) noch präventiv unterstützen?
Magdalena: Wir haben 80% der heimischen Insekten ausgerottet. Für den Igel als eigentlich reinen Insektenfresser ist das eine Katastrophe. In seiner Verzweiflung macht er sich über Schnecken und Regenwürmer her. Diese sind Zwischenwirte für viele Innenparasiten, die den Igel dann relativ zügig sehr krank machen können.
Wir brauchen unbedingt mehr offene, naturnahe Gärten. In diesen sollten weder Mähroboter laufen noch sollte Gift eingesetzt werden. Insekten brauchen Laub und abgestorbene Pflanzenteile, in denen sie ihre Eier ablegen und sich verstecken können. Auch als Nahrungsquelle sind Totholz, verblühte Pflanzenteile und Ähnliches nicht zu unterschätzen.
Anmerkung der EULe: Anregungen dazu, wie ihr den Insekten und damit auch den Igeln helfen könnt, findet ihr in diesem und diesem Artikel.
Parallel dazu sollte man Igel – genau wie Vögel und Eichhörnchen – das ganze Jahr über zufüttern. Jeder Igel, der leicht und ohne großen Aufwand an geeignete Nahrung kommt, frisst automatisch weniger Schnecken – ein wichtiger Beitrag zum Erhalt seiner Gesundheit. Für ausführliche Erklärungen bezüglich geeigneter Maßnahmen kann man sich auf der Internetpräsenz www.netzwerk-igelfreunde.de informieren. Unter dem Reiter „Merkblätter“ findet ihr alles in handlicher und übersichtlicher Form.
EULe: Du gründest aktuell auch einen eigenen Lebenshof. Welche Tiere finden bei dir einen Platz und woher kommen sie?
Magdalena: Ich habe einen Hof im Bremer Umland gekauft, auf dem aktuell Pferde, Schweine, Hunde, Katzen, Hühner, Tauben und Puten leben. Auf der Wildtierstation befinden sich zurzeit nur Igel. In den Sommermonaten werden aber auch oft Mäuse, Maulwürfe, Marder und Eichhörnchen gebracht.
EULe: Wird der Hof auch für Besucher geöffnet? Wenn ja, wo wird er zu finden sein?
Magdalena: Es besteht bereits jetzt die Möglichkeit sich an Helfertagen einzubringen. Mittwochs und sonntags können Interessierte vorbeikommen, mit anpacken bei Projekten, bei der Versorgung der Tiere helfen und so den Hofalltag ein wenig kennenlernen. Der Hof befindet sich in Riede. Für die Teilnahme an Helfertagen ist eine kurze Anmeldung per WhatsApp oder Mail erforderlich.
EULe: Wann rechnest du mit der Eröffnung deines Lebenshofs?
Magdalena: Eigentlich ist hier alles schon in vollem Gange. Auf dem Hof leben aktuell fast 200 Tiere (von denen natürlich ein guter Teil gerade im Winterschlaf ist). Es kommen immer wieder mal Helfer zu den Helfertagen. Die Tiere hatten schon Besuch von Kindern und Familien und es gab schon die ersten kleinen tiergestützten Interventionen.
EULe: Wie kann man dich und deine Arbeit unterstützen?
Magdalena: Wer meine ehrenamtliche Arbeit unterstützen möchte, kann zu den Helfertagen kommen – das ist das Schönste an dem Projekt: es kann wirklich jeder mitmachen. Wir können für jeden eine Aufgabe finden, die er bewältigen und mit der er einen echten Beitrag leisten kann. Man kann auch Sachspenden für die Tiere abgeben, indem man beispielsweise getrocknetes Brot oder Dosenmais spendet (ein Lieblingsessen der Ferkel). Und natürlich ist es auch möglich, den Lebenshof online zu unterstützen, z.B. indem man dem Projekt auf Social Media folgt, wichtige Beiträge teilt, etc.
Sobald die Vereinsgründung durch ist, kann ich demnächst auch Spendenquittungen ausstellen.
EULe: Gibt es noch etwas, was du unseren Lesern mitgeben/sagen möchtest?
Magdalena: Versucht, eure Träume umzusetzen, auch wenn es aussichtslos erscheint. Und: Jeder von uns kann einen Unterschied machen auf dieser Welt. Jeden Tag.
Vielen Dank an Magdalena für dieses Gespräch!
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