„Und jetzt die Scheibenwischer“ – Ein Alligatoah Konzert zu Zeiten von Corona

Ein kurzer Blick in den Kalender verrät uns: Wir haben immer noch 2020, ein Blick in die Nachrichten: Wir haben immer noch eine Pandemie. Doch in den vergangenen Wochen haben wir uns Stück für Stück mit den Umständen arrangiert, wir sind kreativ geworden, haben uns der Situation angepasst. So passiert es zur Zeit in den verschiedensten Bereichen des Lebens. Restaurants liefern und stellen ihre Tische auf Abstand, Autokinos erleben ihren zweiten Frühling. Doch neben dem Filme gucken im eigenen Wagen ist ein weiterer Trend auf dem Vormarsch: Autokonzerte. Verschiedene Spielstätten für Autokinos öffnen seit ein paar Wochen für Konzerte der besonderen Art. So geschehen zum Beispiel in Hannover. Ein paar Impressionen von Alligatoahs drittem Konzert vor Opels, Audis und VW´s.

Es ist 18 Uhr an einem Freitagabend vor den Toren eines Autokinos in Hannover. Auf einem riesigen Parkplatz warten wir mit hunderten anderen Autos auf den Einlass. Wie bei einem normalen Konzert gilt also auch hier: Wer in die erste Reihe möchte muss früh da sein und viel Zeit mitbringen. Um 20 nach Sechs, 10 Minuten vor dem offiziell angekündigten Einlass, geht es aufs Gelände, da sich die Schlange der wartenden Autos schon bis auf die anliegende Straße reicht. Nach und nach füllt sich der Konzertplatz vor der großen Bühne, die tatsächlich mehr nach Konzert, als nach Kino aussieht. Schon jetzt fallen einem einige Autos direkt ins Auge. Statt Schilder hoch zuhalten haben einige Besucher große Plakate auf ihre Motorhauben gelegt, einige haben sogar ihr ganzes Auto angemalt. Während sich der Bereich vor der Bühne unter dem Licht der Abendsonne füllt kommt fast so ein bisschen was wie Festivalfeeling auf. Irgendwo hat jemand seine Anlage ganz laut aufgedreht und beschallt damit das Autokino, auf den Beifahrersitzen werden die ersten alkoholischen Getränke geöffnet. Um kurz vor 8 erscheint auf den großen Leinwänden, welche sich links und rechts der Bühne befinden der Hinweis das Autoradio auf die Frequenz 93,5 zu stellen. Es folgen ein paar allgemeine Hinweise zum verlauf des Konzertabends. Das Auto darf nur alleine und mit Maske verlassen werden, die Fenster müssen zu 80 Prozent geschlossen bleiben, die Besucher sollen aufs hupen verzichten. Letztere Regel wird bereits beim Betreten des Voracts Dazzle in hohem Bogen über Bord geworfen. Die Fahrerinnen und Fahrer hauen auf ihr Lenkrad was das Zeug hält, während Dazzle mit seinen Songs für Stimmung sorgt und das Publikum immer wieder zum rythmischen hupen animiert. Nach knapp 30 Minuten ist die Zeit für den Voract rum und gerade einmal eine Viertelstunde später fährt Alligatoah vor. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Im senfgelben Oldtimer (passend zum eigenen Outfit) wird der selbsternannte Schauspielrapper durch die Reihen der Konzertbesucher bis vor die Bühne kutschiert. Nach dem ersten Song, der alleine auf der Gitarre vorgetragen wird, betritt die vierköpfige Band, ebenfalls in senfgelb, die Bühne und legt los.

Was nun folgt ist, wie jede Alligatoah Show, laut, unterhaltsam, lustig und auch immer ein bisschen skurril. Der Sänger und seine Mitmusiker manövrieren gekonnt durch alte und neue Songs. Alligatoah selbst sucht immer wieder die Interaktion mit dem Publikum. Mal singt er eine Melodie vor, welche nachgehupt werden soll, applaudiert wird ebenfalls mit hupen oder blinken. Irgendwann ruft er „Und jetzt die Scheibenwischer“ und überall auf dem Gelände beginnt es zu quietschen. Nach über 2 Stunden, einem langen Zugabenblock, viel gehupe und geblinke und einem gemeinsamen Song mit Vorkünstler Dazzle ist das Konzert schließlich vorbei. Als wir beim verlassen des Platzes mehrere ADAC Wagen sehen, sind wir sehr froh, dass unsere Autobatterie die letzten Stunden ohne Probleme überstanden hat. Das Fazit: Selten haben wir ein Konzert mit so gutem Sound und einer so entspannten Toilettensituation erlebt. Als einmaliges Erlebnis allemal den Besuch wert. Trotzdem freuen wir uns schon jetzt drauf, wenn man wieder „echte“ Konzerte besuchen darf.

 

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