Tagebucheintrag: „Ich fühle mich erdrückt“

Es ist Mittwoch Morgen, ich wache fünf Minuten vor meiner ersten online Vorlesung auf.

Nicht so schlimm, ich verstecke mich im Zoom-Call sowieso hinter dem kleinen schwarzen Viereck mit meinem Namen drauf. Die Vorlesung zieht ziemlich an mir vorbei. Mitgeschrieben? Nein, ich habe mich mehr damit beschäftigt wie ich die kahle Wand in meinem Zimmer weniger traurig aussehen lassen könnte, schließlich muss ich jeden Tag darauf starren. Zum 6. Mal schlürfe ich jetzt von meinem Laptop zum Kühlschrank, gucke rein, nehme mir nichts und setze mich wieder an den Laptop und versuche den Text zu verstehen den ich für mein nächstes Seminar brauche.

Wird nichts, keine Motivation. Ob ich mal eine Runde draußen spazieren gehen soll? Alleine? Nee, aber mit wem könnte ich denn raus? Meine Freundin, die bei ihrer Mutter wohnt die Risikopatientin ist? Also doch nicht raus.

Ich versuche etwas Neues zu finden was ich machen kann, die Langeweile ist unerträglich geworden. Sämtliche Mandalabücher sind bereits ausgemalt, die Lieblingsbücher sind gelesen und den Social Media Trends zu folgen versuche ich gar nicht erst, ich mag kein Bananenbrot.

Ich ziehe von einem Zimmer ins nächste um und mustere diese vier Wände die schon vor Wochen angefangen haben immer mehr und mehr mich zu mustern und zu erdrücken.

Ich will mich ausruhen von dem anstrengenden Uni-Material, aber ich weiß nicht wo.

In meinem Zimmer, wo mein Laptop mit mehr Hausaufgaben schon auf mich lauert?

Im Wohnzimmer wo noch die Vorlesungsmitschriften von gestern liegen?

Oder vielleicht in der Küche wo sich die benutzten Kaffeetassen türmen, die ich jeden Tagen neu befülle, um die Energie zu finden meine Aufgaben zu erledigen.

Ich scheine keinen Rückzugsort mehr zu haben, keinen Ort mehr an dem ich alles abschalten kann. Alles wovon ich mich vor der Corona-Pandemie zuhause erholen konnte nach einem langen Tag, ist scheinbar in meine Privatsphäre eingedrungen und lauert hier an jeder Ecke auf mich. Der Druck Sport zu machen liegt in Form einer Yogamatte im Wohnzimmer, der Leistungsdruck schreit mich förmlich von meinen Laptop aus an und der Druck auf Social Media aktiv zu sein grüßt mich jedes Mal, wenn ich mein Handy entsperre.

Ich will hier weg, aber wohin? Mein ganzes Leben ist in meine vier Wände eingezogen und ich fühle mich erdrückt von meinen neuen Mitbewohnern.

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