Tagebucheintrag: „Ich fühle mich frei in diesen vier Wänden“

Es ist Mittwoch Morgen, ich stehe etwas früher auf als ich muss und mache mir einen Kaffee.

Ich öffne alle Fenster und lasse die frische Luft rein. Gleich habe ich eine online Vorlesung, ich bereite mich mental auf den Inhalt vor, setze mich vor den Laptop und schalte meine Kamera an. Ich würde auch nicht gehen eine Wand von anonymen Rechtecken sprechen wollen.

Nach der Vorlesung gibt es erstmal etwas zu Essen, dadurch, dass ich nicht zur Uni fahren muss, habe ich umso mehr Zeit mir etwas Leckeres zum Frühstück zu machen. Ich liebe es, dass ich mir meinen Unialltag selber einteilen und strukturieren kann, dadurch habe ich viel mehr Freiheit und kann in meinem Tempo arbeiten, ohne mich von links und rechts stressen zu lassen. Natürlich gehört damit auch viel mehr Selbstdisziplin dazu, aber damit kann ich leben, ich bin ja nicht die Einzige und kann mich immer mit meinen Kommiliton:innen vernetzen. Ich darf nicht vergessen, dass alle gerade in der gleichen Situation sind, dass ich nicht alleine bin mit meinen Sorgen. Nach dem ersten Schwung Uni mache ich erstmal ein bisschen Yoga und bewege mich. Ich fühle mich entspannt, das ist mein Ausgleich und meine Auszeit dazu, dass die Uni in meine Wohnung eingezogen ist. Mein Zuhause ist mein Tempel geworden, gerade jetzt, wo ich so viel Zeit hier verbringe. Ich sehe mein Zuhause intensiver und nehme jede kleine Ecke, jede Dekoration und jede Beule in der Wand viel mehr wahr. Ich versuche es mir in meiner Wohnung so schön zu machen wie ich kann, denn hier verbringe ich meinen gesamten Alltag inzwischen. Hier fühle ich mich wohl, hier ist meine Welt. Zuhause zu sein tut mir gut, Zeit mit mir selbst zu verbringen tut mir gut. Ich fühle mich frei in diesen vier Wänden, weil ich weiß, dass ich die Freiheit und das Privileg habe hier sein zu dürfen in dieser schweren Zeit, was viele nicht von sich behaupten können. Deshalb bin ich dankbar und nutze diese Zeit zuhause, die ich nun habe, so gut wie ich kann. Und wenn ich sie mal nicht so gut nutze, dann ist das auch okay, denn ich weiß morgen ist ein neuer Tag und eine neue Chance.

Tagebucheintrag: „Ich fühle mich erdrückt“

Es ist Mittwoch Morgen, ich wache fünf Minuten vor meiner ersten online Vorlesung auf.

Nicht so schlimm, ich verstecke mich im Zoom-Call sowieso hinter dem kleinen schwarzen Viereck mit meinem Namen drauf. Die Vorlesung zieht ziemlich an mir vorbei. Mitgeschrieben? Nein, ich habe mich mehr damit beschäftigt wie ich die kahle Wand in meinem Zimmer weniger traurig aussehen lassen könnte, schließlich muss ich jeden Tag darauf starren. Zum 6. Mal schlürfe ich jetzt von meinem Laptop zum Kühlschrank, gucke rein, nehme mir nichts und setze mich wieder an den Laptop und versuche den Text zu verstehen den ich für mein nächstes Seminar brauche.

Wird nichts, keine Motivation. Ob ich mal eine Runde draußen spazieren gehen soll? Alleine? Nee, aber mit wem könnte ich denn raus? Meine Freundin, die bei ihrer Mutter wohnt die Risikopatientin ist? Also doch nicht raus.

Ich versuche etwas Neues zu finden was ich machen kann, die Langeweile ist unerträglich geworden. Sämtliche Mandalabücher sind bereits ausgemalt, die Lieblingsbücher sind gelesen und den Social Media Trends zu folgen versuche ich gar nicht erst, ich mag kein Bananenbrot.

Ich ziehe von einem Zimmer ins nächste um und mustere diese vier Wände die schon vor Wochen angefangen haben immer mehr und mehr mich zu mustern und zu erdrücken.

Ich will mich ausruhen von dem anstrengenden Uni-Material, aber ich weiß nicht wo.

In meinem Zimmer, wo mein Laptop mit mehr Hausaufgaben schon auf mich lauert?

Im Wohnzimmer wo noch die Vorlesungsmitschriften von gestern liegen?

Oder vielleicht in der Küche wo sich die benutzten Kaffeetassen türmen, die ich jeden Tagen neu befülle, um die Energie zu finden meine Aufgaben zu erledigen.

Ich scheine keinen Rückzugsort mehr zu haben, keinen Ort mehr an dem ich alles abschalten kann. Alles wovon ich mich vor der Corona-Pandemie zuhause erholen konnte nach einem langen Tag, ist scheinbar in meine Privatsphäre eingedrungen und lauert hier an jeder Ecke auf mich. Der Druck Sport zu machen liegt in Form einer Yogamatte im Wohnzimmer, der Leistungsdruck schreit mich förmlich von meinen Laptop aus an und der Druck auf Social Media aktiv zu sein grüßt mich jedes Mal, wenn ich mein Handy entsperre.

Ich will hier weg, aber wohin? Mein ganzes Leben ist in meine vier Wände eingezogen und ich fühle mich erdrückt von meinen neuen Mitbewohnern.

Social Media Umfrage

Um unsere Fragestellung richtig beantworten zu können müssen wir nicht nur unsere Ansichten, sondern auch die Ansichten anderer mit einfließen lassen. Hierzu haben wir im ersten Schritt eine Umfrage mit dem Story Tool des sozialen Netzwerkes Instagram gemacht. Diese haben wir an 116 Menschen im Alter von 18-30 gerichtet, also die Altersgruppe die wir wohl am Besten mit sozialen Medien erreichen konnten.

In diesem Beitrag wollen wir die Antworten auf die Umfrage vorstellen und dadurch einfach ein erstes Meinungsbild aufbauen und eine kleinen Einblick in die Köpfe der Teilnehmer gewähren.

1.Frage: Hast du das Gefühl, dass seit dem ersten Lockdown der Begriff „Zuhause“ bzw. was „Zuhause“ bedeutet sich für dich geändert hat?

Dies war eine Ja / Nein Abstimmung bei der insgesamt 74 Personen abgestimmt haben.

39% haben für Ja und 61% für Nein gestimmt.

Das Ergebnis dieser Abstimmung hat uns sehr überrascht, da wir Blogmitglieder, aufgrund unserer eigenen Erfahrungen, der Ansicht waren, dass die Meisten diese Frage mit Ja beantworten würden. Das zeigt uns noch einmal deutlich, warum es notwendig ist auch andere Meinungen in unsere Forschung miteinzubeziehen.

2.Frage: Falls du gerade mit „Ja“ geantwortet hast: Was hat sich deiner Meinung nach für dich verändert?

Hier haben wir viele ähnliche Antworten bekommen und diese zu zwei Themengebieten zusammengefasst.

Dankbarkeit & „Zuhause-Gefühl“:

„[Zuhause] ist ein Gefühl von Geborgenheit und nicht ein Gebäude oder Raum.“

„Nur weil man alleine wohnt sind nicht die eigenen vier Wände das Zuhause, sondern dort wo die Familie ist.“

„Es ist nicht selbstverständlich ein Zuhause mit lieber & gesunder Familie zu haben.“

„Man schätzt kleinere Dinge am Zuhause viel mehr.“

„Mehr Zeit für die Familie und das „Zuhause-Gefühl“ hat sich dadurch verstärkt.“

„Ich bin mittlerweile gerne zuhause und habe mich neu & anders an das „zuhause sein“ gewöhnt.“

Tätigkeiten Zuhause:

„Sich wohler fühlen und auf jeden Fall mehr [zuhause] machen, produktiver sein.“

„Ich mag es, alles getrennt zu machen: Lernen in der Bibliothek, trainieren im Gym usw. Mein Zimmer war zum chillen und schlafen gedacht, jetzt ist alles dort.“

„Gleiches Umfeld für Arbeit und Freizeit.“

„Man hat gemerkt wie wenig man vorher zuhause war.“

„Ich hab mich viel mehr mit Ordnung und Struktur zuhause beschäftigt.“

3.Frage: Hast du in der Zeit seit dem ersten Lockdown angefangen vermehrt Dinge zuhause zu tun, die vorher nicht zuhause sondern wo anders, nicht so viel zuhause oder gar nicht zuhause gemacht hast?

Dies war eine Ja / Nein Abstimmung bei der insgesamt 75 Personen abgestimmt haben.

65% haben für Ja und 35% für Nein gestimmt.

Das Ergebnis fanden wir nicht überraschend, da wir uns mit den zugehörigen Erklärungen, die in der nächsten Frage folgen, gut identifizieren können.

4.Frage: Falls du gerade mit „Ja“ geantwortet hast: Was sind das für Dinge, die du nun neuerdings zuhause machst, die du normalerweise nicht (dort) machen würdest?

Bei dieser Frage haben wir quasi identische Antworten bekommen, die sich so zusammenfassen lassen können:

„Sport, Workout, Training“

„Lernen – sonst in der Bibliothek/Uni oder in Cafés“

„Kochen“

„Vorlesungen, Seminare“

„Arbeiten (Home Office)“

„Intensiv aufräumen“

„Freunde über Zoom treffen“

„Erste Dates“

„Viele Gesellschaftsspiele spielen“

„Neue Beschäftigungen finden: Malen, zeichnen, Instrument oder Sprachen lernen“

5.Frage: Fühlst du dich freier in deinen Entscheidungen oder fühlst du dich eher eingeschränkt?

Dies war wieder eine Abstimmung bei der insgesamt 59 Personen abgestimmt haben.

17% haben für „Freier“ und 83% für „Eingeschränkter“ gestimmt.

In der sechsten und letzten Frage haben wir nach den Gründen gefragt, warum sich die Teilnehmer freier/eingeschränkter fühlen. Interessant fanden wir vor allem die Antworten derjenigen, die für „Freier“ gestimmt haben.

6.Frage: Warum fühlst du dich freier bzw. eingeschränkter?

Stimmen für „Eingeschränkter“:

„Einschränkungen in der Freizeit (Lockdown)“

„Weniger Möglichkeiten sich auszuleben“

„Ich denke viel mehr darüber nach was für Konsequenzen meine Entscheidungen haben.“

„Man kann nicht alles machen was man möchte, da man zum Wohl Aller diese Eingeschränktheit akzeptieren muss.“

„Viele Dinge die mich am glücklichsten machen sind im Moment geboten.“

„Es wird schnell langweilig, alles ist jeden Tag gleich, da fehlt dann die Motivation.“

„Man kann Freunde/Familie nicht mehr so einfach sehen durch die Kontaktbeschränkungen.“

„Eingeschränkter in spontanen Entscheidungen, der soziale Ausgleich im Alltag fehlt.“

Stimmen für „Freier“:

„Weil ich lernen und Vorlesungen besuchen kann wann ich will.“

„Meiner Meinung nach ist es teilweise schon fremdbestimmt, aber wenn man die Zeit richtig nutzt ist es einem frei gegeben wie man sie verbringt und Zeit ist meiner Meinung nach Luxus.“

„In der Uni fühle ich mich freier.“

„Ich habe viel mehr Kontrolle, z.B. in der Schule.“

„Ich fühle mich freier in meiner Zeiteinteilung, vor Allem im Bezug auf mein Studium.“

 

Für uns war es sehr interessant die Meinungen unserer Gleichaltrigen zu sehen, besonders die, die nicht unserer Ansicht entsprechen.

Welches Fazit ziehen wir jetzt aus dieser Umfrage?

Es hat sich ganz klar Zuhause etwas verändert seit dem Beginn der Corona Pandemie.

Was sich genau verändert hat und wie, das ist so divers und individuell wie all die Teilnehmer unserer Umfrage.