Die Rolle Bremer Kaufleute bei der kolonialen Expansion

Das Wahlmotto der Bremer Kaufmannschaft: „Buten un binnen, wagen un winnen“ ziert den Schütting

Die Geschichte Bremens und seiner Kaufleute ist eng mit der des Kolonialismus verwoben. So haben Bremer Kaufleute sowohl aktiv am Sklavenhandel teilgenommen (Rössler 2016, 83), sind als Pflanzer in Erscheinung getreten (Rössler 2016, 102–5), waren reichlich am Handel mit Kolonialwaren wie Kaffee, Kakao und Tabak beteiligt (Rössler 2016: 75) und mit Hilfe von Alfred Lüderitz wurde die erste deutsche Kolonie von einem Bremer Kaufmann gegründet (Conrad 2008: 26). Somit stand Bremen mit im Herzen des deutschen Kolonialhandels und war ein Ankerpunkt beim Aufbau der deutschen Kolonien, Schutzgebiete genannt. Gleichzeitig tut sich Bremen mit seinem kolonialen Erbe schwer, wie in diesem Beitrag nachgelesen werden kann.

Bremens Kaufleute haben bereits früh an der Verteilung von Kolonialwaren teilgenommen. War die Hanse am direkten Dreieckshandel nicht beteiligt, stellte sie ein großes Netz an Kaufläuten bereit, die die Kolonialwaren bei den Kolonialmächten kauften und dann in das restliche Europa transportierten und damit eine sehr ertragreiche Unternehmung betrieben (Rössler 2016: 77–78).Von 1793 ausgehend vervierfachte sich der Handel zwischen Deutschland und England in den nächsten 5 Jahren, Kolonialwaren wiesen dabei ein Volumen von drei Vierteln auf (Weber 2009: 47). Gleichzeitig war deutscher Handel gleichzusetzen mit der Hanse, war doch die überwiegende Anzahl der Kaufläute in ihr vertreten (Zeuske 2006: 175). Bremen bildete hier eines der Zentren des damaligen Welthandels, der gleichzusetzen ist mit dem Handel von Kolonialwaren (Rössler 2016: 75). Nachdem die Vereinigten Staaten ihre Unabhängigkeit erreicht hatten, begann mit Bremen und seinen Kaufleuten der Direkthandel zwischen den beiden Kontinenten zu erblühen. Dieser Handel war anfänglich noch von einer großen Auswahl unterschiedlichster Waren gegenzeichnet, verengte sich aber mit der Zeit auf die gängigen Kolonialwaren und bedeutete für die Stadt und ihre Kaufleute zunehmenden Wohlstand (Schulz 2002: 461–463).

Bremens Kaufleute waren aber auch wesentlich direkter im Kolonialgeschäft involviert. So haben sich einige Kaufläute, die in die Kolonien gegangen sind, um dort eigene Handelshäuser zu eröffnen, dazu entschlossen in das ertragsreiche Geschäft mit Plantagen einzusteigen. Als zwei Beispiele dienen hier zum einen der Kaufmann Jacob Friedrich Wilckens, der auf Jamaika eine Kaffeeplantage gegründet hat, (Rössler 2016: 82) zum anderen die Kaufläute Richard Fritze, Wilhelm August Fritze und Constantin Alexander Fritze, die auf Kuba eine Zuckerplantage erwarben (Rössler 2016: 96–97). Wilckens war bereits früh mit den Aufgaben eines Pflanzers bekannt gemacht worden. Nachdem Wilckens nach La Rochelle ausgewandert ist und in eine bedeutende Handelsfamilie eingeheiratet hat, deren Geschäfte aber zum Erliegen kamen, ist Wilckens nach Saint Domingue ausgewandert und übernahm die Verwaltung über eine Kaffeeplantage seines Schwiegervaters. Als Wilckens aufgrund der Sklavenaufstände, die durch die Gleichstellung aller Menschen unabhängig der Hautfarbe ausgelöst wurden (Rössler 2016: 76–79), von Saint Domingue floh, siedelte er sich auf Jamaika an. Auf Jamaika gründete er mit dem Einsatz von Sklaven eine neue Kaffeeplantage, wo er seine Bestrebungen von Saint Domingue fortsetzen konnte (Rössler 2016: 82). Die Geschichte der Kaufläute Fritze beginnt mit Philipp Richard Fritze, der in der Firma von seinem Onkel Wilhelm August Fritze das Kaufmannshandwerk gelernt hat, und nun dieses in dessen Handelshaus in Trinidad de Cuba vertiefen sollte. Hier begann er sich schnell für die Plantagen- und Sklavenbetrieb zu interessieren, wofür Fritze auch immer wieder Erkundungen vornahm. Nach mehreren personellen Veränderungen im Unternehmen des Onkels und dem Ausscheiden von Fritze aus eben diesem, beschlossen Philipp Richard Fritze Wilhelm August Fritze und Constantin Alexander Fritze ein eigenes Handelshaus auf Kuba zu gründen. (Rössler 2016: 94–96). Durch mehrere zufällige Verstrickungen, die sich um den Pflanzer Justo German Cantero drehen, der seine Zahlungsfähigkeit verlor, kam nun dieses frisch geründete Handelshaus in den Besitz der Zuckerplantage Buena Vista (Rössler 2016: 98, 100).

Zuletzt wird aber besonders ein Bremer Kaufmann für immer mit dem Kolonialismus in Verbindung bleiben. Der Tabakwarenhändler Alfred Lüderitz hat die erste deutsche Kolonie im heutigen Namibia begründet (Conrad 2008: 26). Im Kaiserreich wurden diese Schutzgebiete genannt, da sich Bismarck an einem System wie der Britische Ostindien-Kompanie orientieren wollte (Conrad 2008: 22). Diese Kolonie, Deutsch-Südwestafrika, wurde 1884 mittels eines Betruges von Lüderitz an dem Nama und dessen Kaptein Josef Frederiks gegründet. Dies geschah dadurch, dass Lüderitz den mit Vollmachten ausgestatteten, Heinrich Vogelsang ein Stück Land an der Küste Namibias kaufen lies. Für Frederiks nicht ersichtlich und von Lüderitz und Vogelsang absichtlich verheimlicht, waren die Längenangaben im Vertrag keine Englischen Meilen (1,6 km) sondern Deutsche Meilen (7,5 km). Bald schon zeigte sich das die Kolonie für Lüderitz wirtschaftlich nicht stemmbar war, weshalb sie von der Deutschen Kolonialgesellschaft für Südwestafrika 1885 übernommen wurde (Mamzer et al. 2016: 17). Letztlich führte die deutsche Herrschaft zum Genozid an den Hereo und Nama zwischen 1904-1907 (Castro Varela/Dhawan 2015: 31).

Aus der Sicht des Postkolonialismus betrachtet zeigt die starke Verflechtung der Bremer Kaufleute und damit der Stadt Bremen direkten wie auch indirekten Handel mit den Kolonien. Nur durch den Handel mit Kolonialwaren konnte Bremen den Rang und Bedeutung im damaligen wie auch heutigen Welthandel erlangen (Schulz 2002: 461–464) und damit eine stabile Basis bilden und beginnend mit den 40er Jahren des 19. Jahrhundert eine Transition vom den Kolonialhandel zum Direkt- und Überseehandel vollziehen (Schulz 2002: 491). Gleichzeitig hat Bremen auch inländisch vom Kolonialismus profitiert, denn auch das verarbeitende Gewerbe konnte mit den auf den Plantagen produzierten Gütern wie z.B. Zucker und dessen Veredelung Gewinne erzielen (Rössler 2011: 69). Etwas das sich bis weit in das 20. Jahrhundert hinein gezogen hat wie an der Kaffee-HAG gesehen werden kann. All dies haben die Kaufleute aus Bremen ermöglicht, indem sie einerseits Handelshäuser in den Kolonien errichtet haben, eigene Plantagen besaßen und letztlich an der Gründung deutscher Kolonien beteiligt waren. Diese koloniale Epoche spiegelt sich auch bis heute wider, so versteht sich Bremen bis heute als „Kaffeehauptstadt“ (Bremen.online o. J.), sowie in Kunst die den Handel mit Kolonialwaren romantisiert.

Literaturverzeichnis

  • Bremen.online (o. J.): Kaffeegeschichte – Kaffeehauptstadt Bremen hat Pionierrolle. Text abrufbar unter: https://www.bremen.de/leben-in-bremen/kulinarisch/kaffeegeschichte (Zugriff am 29.07.2020).
  • Castro Varela, María do Mar/Dhawan, Nikita (2015): Postkoloniale Theorie Eine kritische Einführung. Postkoloniale Theorie, Bielefeld: transcript Verlag.
  • Conrad, Sebastian (2008): Das deutsche Kolonialreich. In: Deutsche Kolonialgeschichte. München: C.H.Beck, 22–38.
  • Mamzer, Anna/Schöck-Quinteros/Witkowski, Mareike (Hrsg.) (2016): Bremen – eine stadt der kolonien? Bremen: Universität Bremen – Staats-und Universitätsbibliothek.
  • Rössler, Horst (2011): Vom Zuckerrohr zum Zuckerhut – Die Familie Böse und die Bremer Zuckerindustrie. In: Elmshäuser, Konrad/Brinkhaus, Jörn/Nimz, Brigitta/Schleier, Bettina (Hrsg.), Bremisches Jahrbuch / hrsg. in Verbindung mit d. Historischen Gesellschaft Bremen vom Staatsarchiv Bremen. 90. Aufl. Bremen: Geffken & Köllner, 63–94.
  • Rössler, Horst (2016): Bremer Kaufleute und die transatlantische Sklavenökonomie. In: Elmshäuser, Konrad/Brinkhaus, Jörn/Nimz, Brigitta/Schleier, Bettina (Hrsg.), Bremisches Jahrbuch / hrsg. in Verbindung mit d. Historischen Gesellschaft Bremen vom Staatsarchiv Bremen. 95. Aufl. Bremen: Geffken & Köllner, 75–106.
  • Schulz, Andreas (2002): Vormundschaft und Protektion. Vormundschaft und Protektion, 95. Aufl. Berlin, Boston: DE GRUYTER.
  • Weber, Klaus (2009): Deutschland, der atlantische Sklavenhandel und die Plantagenwirtschaft der Neuen Welt. In: Journal of Modern European History, 7 (1), 37–67.
  • Zeuske, Michael (2006): Deutsche als Eliten in Lateinamerika (19. Jahrhundert). Regionen, Typen, Netzwerke und paradigmatische Lebensgeschichten. In: Deutsche Eliten in Übersee (16. bis frühes 20. Jahrhundert). St. Katharinen: SCRIPTA MERCATURAE VERLAG, 173–206.

2 Gedanken zu „Die Rolle Bremer Kaufleute bei der kolonialen Expansion

  1. Wird die Rolle der Kaufleute in der kolonialen Ausbeitung eigentlich innerhalb der Stadtgesellschaft und der Bremer Wirtschaft diskutiert bzw. reflektiert? Sie widerspricht ja deutlich dem gepflegten Image der ehrlichen und ehrenhaften Kaufleute, das eine große Rolle in der lokalen kollektiven Identität zu spielen scheint.

    • Auf seitens der Bremer Stadtgesellschaft würde ich sagen geschieht dies nur minimal, mir sind in meinen Recherchen zu allen Essays keine besondere kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit begegnet, wie z.B. in der im Essay verlinkten Internetseite (https://www.bremen.de/leben-in-bremen/kulinarisch/kaffeegeschichte) wird kein Bezug auf die eigene koloniale Vergangenheit genommen. Aber auch so scheint mir auf diese Epoche kein all zu großer Wert gelegt zu werden bezüglich der Aufklärung. In wie weit das in der Wirtschaft ein Thema ist weiß ich nicht aber würde ich die These in den Raum stellen das wenn niemand etwas davon gehört hat das es zu wenig diskutiert wird.

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