Die Actien-Gesellschaft „Weser“ (A. G. Weser) war Anfang der 1970er Jahre die größte bremische Werft. Insgesamt rund 8.000 Menschen waren hier zu jener Zeit beschäftigt. Etwa 5.000 arbeiteten am Standort Bremen und rund 3.000 in der Seebeckwerft in Bremerhaven (Heseler/Kröger 1983: 36). Die Großwerft hatte in Deutschland einen Marktanteil von fast 30 Prozent, was einem Weltmarktanteil von 2,3 Prozent entsprach (Thiel 2007: 172). Gerade mal zehn Jahre später wurde die A. G. Weser geschlossen. In diesem Beitrag wird aufgezeigt, wie es zum Aufstieg und zum Untergang der Werft kam. Der Fokus liegt hierbei vor allem auf den politischen Rahmenbedingungen und Konfliktlinien.
Im Jahr 1843 gründeten Heinrich Leonhardt und Carsten Waltjen die Eisengießerei und Maschinenfabrik „Waltjen & Leonhardt“. Das an der Stefanikirchweide gelegene Unternehmen stellte den Anfang der 140-jährigen Firmengeschichte der A. G. Weser dar. Hier wurden zunächst diverse metallische Produkte hergestellt. So umfasste die Produktpalette des Unternehmens beispielsweise Heizungen, eiserne Gartenmöbel, Wendeltreppen, Schubkarren und Dachfenster (Thiel 2005: 11; Kuckuk et al. 1988: 30). Drei Jahren nach der Firmengründung vollzog der Unternehmen mit der Fertigung des Schiffes den Einstieg in den Schiffbau (Thiel 2005: 12). Es folgten weitere Aufträge zum Bau von Schiffen – unter anderem vom Norddeutschen Lloyd (Thiel 2005: 13-17).
Ein Konsortium aus 17 bremischen Großkaufleuten und Reedern, die im Überseehandel und in der Schifffahrt tätig waren, übernahm 1872 das Unternehmen und wandelte es in eine Aktiengesellschaft um – die Actien-Gesellschaft „Weser“ war gegründet. Ziel des Konsortiums war es, aus dem Betrieb eine bremische Großwerft zu machen (Thiel 2005: 20-26; Kuckuk et al. 1988: 31). In der Folge erhielt die A. G. Weser Aufträge für immer größer werdende Schiffe, weshalb das Werftgelände erweitert werden sollte. Um dies zu realisieren, siedelte sich die Werft zu Beginn des 20. Jahrhundert in Gröpelingen an der Einfahrt zum Freihafen II (später Überseehafen) an.
Während des Ersten und Zweiten Weltkrieges, profitierte die A. G. Weser von diversen Rüstungsaufträgen. Nachdem 1950 das durch die Alliierten verhängte Schiffbauverbot weitgehend aufgehoben wurde, nahm die A. G. Weser 1951 mit 2.000 Arbeitern wieder den Bau von Hochseeschiffen auf (Kuckuk et al. 1988: 42). Viele Schiffe wurden während des Krieges zerstört oder mussten abgegeben werden. Dementsprechend boomte der Schiffbau in den Nachkriegsjahren (Heseler/Kröger 1983: 35).
Angeschoben durch ein Sonderinvestitionsprogramm konzentrierte sich der Gröpelinger Standort der A. G. Weser ab 1963 auf die Fertigung von Großtankern (Kuckuk et al. 1988: 43). In der Folge setzte sowohl weltweit als auch bei der A. G. Weser ein regelrechter Tankerboom ein. Spielte der Bau von Großtankern und Massengutschiffen bis dahin eine untergeordnete Rolle, lag der Anteil an den Schiffablieferungen deutscher Werften 1975 bei 50 Prozent (vgl. Heseler 1988: 212). Dieser Boom fand jedoch ein jähes Ende. Neben wachsender Konkurrenz durch Werften in Südostasien, die kostengünstiger produzieren konnten – nicht zuletzt aufgrund der starken DM –, trafen die bremische Großwerft die Ölpreiskrisen Mitte und Ende der 1970er Jahre hart. Bestellungen von Großtankern wurden storniert, umgewandelt oder nicht abgenommen. Gleichzeitig gingen keine neuen Aufträge für neue Großtanker mehr ein (Thiel 2007: 183-191; Heseler 1988: 213). Die A. G. Weser nahm daraufhin Abschied vom ihrer Monostruktur und warb Aufträge für andere Schiffstypen, wie beispielsweise Containerschiffe und Mehrzweckschiffe, an (Thiel 2007: 193-194). Aber auch hier war die Nachfrage, bedingt durch Überkapazitäten am Markt, eher gering (Thiel 2007: 191-204; Heseler 1988: 212).
Die Anzahl der Schiffsfertigstellungen in Deutschland ging bis zum Jahr 1980, im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 1975 bis 1977, um ca. 68 Prozent zurück – weltweit um rund 38 Prozent (CDU 1982: 9). Deutschlandweit wurde ein Viertel aller Werftarbeiter entlassen (CDU 1982: 24). Die Anzahl der Beschäftigten der A. G. Weser am Standort Gröpelingen wurde zwischen 1975 und 1980 von 5.000 auf 2.800 fast halbiert (Strath 1987: 27). Die norddeutschen Bundesländer konnten die daraus resultierenden Belastungen nicht allein tragen und riefen den Bund zu Hilfen auf (Schmurr 1996: 69-160; Wolf 2017). Die 1979 eingeführten Auftragshilfen von Bund und Ländern für die Werften kündigte der Bund jedoch 1981 einseitig auf (Wolf 2017: 128-129). Vielmehr investierte der Bund einseitig in die Howaldtswerke-Deutsche Werft AG (in Schleswig-Holstein und Hamburg), an der er durch den Bundeskonzern Salzgitter beteiligt war (Schmurr 1996: 144).
Ab 1980 wurden erste Ideen geäußert, die beiden bremischen Großwerften A. G. Weser und Bremer Vulkan zu fusionieren. Diese wurden zunächst verhalten von der SPD-Regierung vorgebracht, die dafür anfänglich von der Opposition kritisiert wurde (Schmurr 1996: 53-69). Nur ein Jahr später wurden mögliche Fusionsszenarien offen in der Bremischen Bürgerschaft diskutiert. Je länger die Schiffbaukrise anhielt, umso mehr Parteien waren der Auffassung, dass eine Fusion mehrerer bremischer Werften die geeignetste Lösung wäre, um Überkapazitäten abzubauen und somit den Schiffbaustandort Bremen zu erhalten (Schmurr 1996: 52, 69-160; Thiel 2007: 205-210). Aufgrund heftiger Proteste von Arbeitnehmerseite wurden diese Pläne jedoch zunächst verworfen (Thiel 2007: 205-210).
Im Bundes- und Bürgerschaftswahljahr 1983 spitzte sich die Lage zu. Insbesondere die niedrigeren Löhne und die hohen Subventionen in anderen Schiffbaunationen wirkten sich negativ auf die Entwicklung des deutschen Schiffbaus aus (CDU 1982: 17-18,56.65; Thiel 2007: 200; Heseler 1983: 113-114). Gleichzeitig war die Bundesregierung nicht dazu bereit, die niedrigen deutschen Subventionen für den Schiffbau zu erhöhen (Schmurr 1996: 69-160; Heseler 1983: 108-112, Thiel 2007: 199-200). Im Februar 1983 benötigten die beiden bremischen Großwerften 200-300 Millionen DM. Die Investoren und Anteilseigner der beiden Werften konnten diese Summe nicht aufbringen (Schwarz 1983a). Bremens damaliger Bürgermeister Hans Koschnick (SPD) fuhr daraufhin nach Bonn, um Unterstützung von der Bundesregierung (CDU/CSU und FDP) zu erhalten (Weser Kurier 1983a; Schwarz 1983b). Bundeswirtschaftsminister Lambsdorff (FDP) lehnte jedoch Soforthilfen ab und forderte von Bremen ein Sanierungsprogramm für die bremischen Werften als Voraussetzung für weitere Unterstützungen des Bundes (Weser Kurier 1983b; siehe hierzu auch Schmurr 1996: 122-142).
Im Juni 1983 wurde bekannt, dass der A. G. Weser Anschlussaufträge für das Folgejahr fehlten und damit der Betrieb in Bremen nicht gesichert war (Weser Kurier 1983c). Nur wenige Tage später einigten sich die Vorstände der beiden bremischen Großwerften auf ein grobes Konzept zur Fusion der beiden Werften. Voraussetzung für eine Fusion war jedoch eine finanzielle Unterstützung des Bundes (Weser Kurier 1983d). Diese blieb aus, woraufhin sich zunächst Thyssen-Bornemisza (Hauptanteilseigner des Bremer Vulkan) und später auch Krupp (Hauptanteilseigner der A. G. Weser) aus dem Schiffbaugeschäft zurückzogen (Gerling 1983; Strath 1987: 42-45). Der Bund forderte jetzt für Hilfszahlungen, dass die neue Werft „auf dem Markt nachgefragte Schiffe zu wettbewerbsfähigen Bedingungen ohne Verluste produzieren kann“ (Schmurr 1995: 144). Dies war unter den damaligen Wettbewerbsbedingungen am Weltmarkt nicht zu leisten. Die Werftenfusion wurde daraufhin abermals verworfen.
Unabhängige Untersuchungen der bundeseigenen Treuhand AG kamen im August 1983 zu dem Ergebnis, dass es das betriebswirtschaftlich Günstigste wäre, die A. G. Weser zuschließen und dafür andere bremische Werften zu fusionieren. Bremen hatte seit 1975 bereits 200 Millionen DM in seine Werften investiert, was maßgeblich den Schuldenstand verschlechtert hatte (Strath 1987: 42-43; Barfuß 2016). Die absehbaren zusätzlichen hohen finanziellen Belastungen, die auf Bremen durch den Rückzug der Anteilseigner der A. G. Weser und dem Bremer Vulkan zukamen, zwangen die Politik, eine Entscheidung zu treffen. Koschnick, selbst ehemaliges Mitglied des Betriebsrates der A. G. Weser, verkündete am 29. August 1983, dass eine Schließung der A. G. Weser unabwendbar sei (Weser Kurier 1983e; Heseler 1988: 222; Thiel 2007: 205).
Kurz vor der Bürgerschaftswahl im September 1983 besetzen Arbeiter der A. G. Weser daraufhin das Firmengelände, um so Druck auf die Politik auszuüben (Ziegenfuß et al. 1984). Ihr Plan ging jedoch nicht auf. Bei der Bürgerschaftswahl gewann Koschnicks SPD die absolute Mehrheit und konnte ihr Wahlergebnis sogar verbessern, woraufhin die Werftarbeiter ihre Besetzung beendeten und das letzte Schiff der A. G. Weser fertigstellten (Statistisches Landesamt Bremen [o. J.]). Dieses lief am 6. Oktober 1983 vom Stapel (Weser Kurier 1983f). Zum Ende des Jahres 1983 wurde die Werft endgültig geschlossen. Die verbliebenen 2.000 Beschäftigten am Gröpelinger Standort wurden entlassen (vgl. Kuckuk et al. 1988: 46).
Trotz Zusammenlegung seiner Werften, Kapazitätsabbaus und hoher eigener Investitionen erhielt Bremen auch in den Folgejahren keine Mittel von der Bundesregierung zur Umstrukturierung des bremischen Schiffbaus (Heseler 1988: 223). Auf dem Werftgelände der A. G. Weser wurde später der Space Park errichtet. Heute beherbergt dieser Gebäudekomplex das Einkaufzentrum Waterfront.
Der Untergang der A. G. Weser zeigt zum einen, dass die Verantwortung zum Erhalt der Arbeitsplätze von privaten Anteilseignern immer weiter auf den Staat übertragen wurde. Gewinne wurden in guten Zeiten mitgenommen, Verluste vergemeinschaftet. Zum anderen wird der Machtkonflikt zwischen den unterschiedlichen politischen Ebenen und Parteien deutlich. Hier bestehen Anknüpfungspunkte für weitere Forschung. Die deutsche Schiffbaukrise veranschaulicht auch, dass die norddeutschen Bundesländer versuchen, gemeinsam ihre Interessen in der Hafenpolitik gegenüber dem Bund und anderen Ländern durchzusetzen. Dies kann heute ebenso beobachtet werden, beispielsweise bei Infrastrukturprogrammen (Buss 2018: 118-121). Dies eröffnet ebenfalls Möglichkeiten für weitere Forschungsarbeiten. Schlussendlich war die Schließung der A. G. Weser eine politische Entscheidung, die als Teil eines größeren Strukturwandels der bremischen Wirtschaft und deutschen Schiffbaubranche in den 1980er Jahren zu verstehen ist.
Literatur
- Barfuß, Karl Marten (2016): Strukturkrise, Arbeitslosigkeit und Staatsfinanzen in Bremen von Mitte der 1970er Jahre bis zur Jahrtausendwende. Bremisches Jahrbuch hrsg. in Verbindung mit der Historischen Gesellschaft Bremen vom Staatsarchiv Bremen, Band 95, 230-254.
- Buss, Klaus-Peter (2018): Branchenanalyse Hafenwirtschaft. Entwicklungslinien des Hafenwettbewerbs und Herausforderungen der öffentlichen Akteure. Study Nr. 402 der Hans-Böckler-Stiftung. Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung.
- CDU (1982): Beitrag zur deutschen Schiffbau- und Werftenpolitik. Bremen: Christlich-Demokratische Union (CDU).
- Gerling, Wigbert (1983): Thyssen spielt nicht mit: Werften-Fusion auf Eis. In: Verdener Nachrichten am 13.08.1983. Text abrufbar unter: https://verlag.weser-kurier.de/plus/archiv/ansicht/a/msdcx_filestore_archive/2011/10-11/7c/2a/file61s9kjz2d7rp2twc7mb.jpg (Zugriff 19.06.2020).
- Heseler, Heiner (1983): Der Subventionsdschungel. In: Heseler, Heiner/Kröger Hans Jürgen (Hrsg.), „Stell Dir vor, die Werften gehören uns…“. Hamburg: VSA-Verlag, 106-115.
- Heseler, Heiner/Kröger Hans Jürgen (1983): Aufstieg und Niedergang des deutschen Schiffbaus. In: Heseler, Heiner/Kröger Hans Jürgen (Hrsg.), „Stell Dir vor, die Werften gehören uns…“. Hamburg: VSA-Verlag, 21-50.
- Heseler, Heiner (1988): Vom Tankerboom zum Werftenverbund – der Schiffbau in Bremen von 1975 bis 1988. In: Kuckuk, Peter/Roder Hartmut (Hrsg.) Von der Dampfbarkasse zum Containerschiff. Werften und Schiffbau in Bremen und der Unterweserregion. Bremen: Steintor, 210-229.
- Kuckuk, Peter/Roder, Hartmut/Scharf, Günter (1988): Spanten und Sektionen. Werften und Schiffbau in Bremen und der Unterweserregion im 20. Jahrhundert. 3. Aufl. Bremen: Seintor.
- Schmurr, Carl Heinz (1996): Werftenpolitik in Bremen nach 1945. Eine Dokumentation der Debatten in der Bremischen Bürgerschaft. Bremen: Universität Bremen.
- Schwarz, Winfried (1983a): Vulkan-Vorstand gibt die Pleite zu. In: Die Norddeutsche am 14.02.1983. Text abrufbar unter: https://verlag.weser-kurier.de/plus/archiv/ansicht.php/a/msdcx_filestore_archive/2011/10-11/c3/6d/file61s84qytmeb1a2xg8l9h.jpg (Zugriff am 19.06.2020).
- Schwarz, Winfried (1983b): Koschnick will heute in Bonn Weg für Verhandlungen ebenen. In: Die Norddeutsche am 17.02.1983. Text abrufbar unter: https://verlag.weser-kurier.de/plus/archiv/ansicht.php/a/msdcx_filestore_archive/2011/10-11/2e/e9/file61s8h5x1ax15i9ccb7g.jpg (Zugriff am 19.06.2020).
- Statistisches Landesamt Bremen [o. J.]: Bremen Infosystem. Wahlen. Bürgerschaftswahlen. Abrufbar unter: http://www.statistik-bremen.de/bremendat/statwizard_step1.cfm (Zugriff am 196.06.2020).
- Strath, Bo (1987): The Politics of De-Industrialisation. The Contraction oft he West European Shipbuiling Industry. London [u. a.]: Croom Helm.
- Thiel, Reinhold (2005): Die Geschichte der Actien-Gesellschaft „Weser“ 1843-1983. Band I 1843-1918. Bremen: Hausschild.
- Thiel, Reinhold (2007): Die Geschichte der Actien-Gesellschaft „Weser“ 1843-1983. Band III 1945-1983. Bremen: Hausschild.
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- Weser Kurier (1983d): Nun doch: Werftenfusion geplant. In: Weser Kurier am 04.06.1983. Text abrufbar unter: https://verlag.weser-kurier.de/plus/archiv/ansicht/a/msdcx_filestore_archive/2011/07-29/0a/3a/file60q4fc7cbbl1ipru3k2d.jpg (Zugriff 19.06.2020).
- Weser Kurier (1983e): AG Weser soll geopfert werden. In: Weser Kurier am 30.08.1983. Text abrufbar unter: https://verlag.weser-kurier.de/plus/archiv/ansicht.php/a/msdcx_filestore_archive/2011/07-29/b2/03/file60q3dxq70452ozsy3no.jpg (Zugriff 19.06.2020).
- Weser Kurier (1983f): Trauerstimmung beim Stapellauf. In: Weser Kurier am 07.10.1983. Text abrufbar unter: https://verlag.weser-kurier.de/plus/archiv/ansicht/a/msdcx_filestore_archive/2011/07-29/77/47/file60q3l0ghtzqru6q1c82.jpg (Zugriff 19.06.2020).
- Wolf, Johanna (2017): Bremer Vulkan. A case study of the West German shipbuilding industry and its narratives in the second half of the twentieth century. In: Varela, Raquel/Murphy, Hugh/van der Linden, Marcel, Shipbuilding and Ship Repair Workers around the World. Case Studies 1950-2010. Amsterdam: Amsterdam University Press, 117-142.
- Ziegenfuß, Hans/Heseler, Heiner/Kröger, Hans Jürgen (Hrsg.) (1984): „wer kämpft, kann verlieren! Wer nicht kämpft, hat schon verloren!“. Tagebuch einer Betriebsbesetzung von Hans Ziegenfuß und Hans Jürgen Kröger. Hamburg: VSA-Verlag.
Vielen Dank für diesen interessanten Beitrag über die AG Weser! War es eigentlich zulässig, dass der Bund die Auftragshilfen zu Gunsten seiner eigenen Beteiligung an der Howaldtswerke-Deutsche Werft AG eingestellt hat? Ein Interessenkonflikt dürfte ja mindestens vorliegen.
Die Proteste der Arbeiter gegen die Fusion waren bestimmt aufgrund ihrer Ängste des Arbeitsplatzabbaus und Einsparungen berechtigt, jedoch hätte möglicherweise eine Fusion und frühere Umstrukturierung der bremischen Werften, der Branche geholfen (Spekulationen meinerseits). Der damaligen bremischen Regierung haben die Arbeiter ihren Unmut über die mögliche Schließung der AG Weser in diesem Video ebenfalls kundgetan. https://www.youtube.com/watch?v=_OU95sWlwB4 (Danke an Herrn Möller für diesen Hinweis.)
Dass die Nordländer auch heute weiterhin gemeinsame Politiken fahren, finde ich angesichts des innerdeutschen Wettbewerbs interessant und erwähnenswert. Ein aktuelles Beispiel ist hier die Wasserstoffstrategie (https://www.golem.de/news/wasserstoffstrategie-drei-nordlaender-werden-reallabor-2006-149203.html).
Inwieweit es sich bei der Abschaffung der Auftragshilfen zu Interessenkonflikten kam, kann ich nur mutmaßen. Jedenfalls war die Bremische Bürgerschaft da nicht gerade begeistert von und auch andere nordliche Bundesländer waren gegen eine Abschaffung. Genaueres müsste man nochmal in den Bundestagsdokument von damals nachlesen.
Ob eine Fusion der beiden Großwerften dazubeigetragen hätte das Werftensterben nachhaltig zu stoppen, wage ich zu bezweifeln. Es hätte es jedoch ggf. verzögern können. Die Überkapazitäten, marktspezifische Nachteile sowie die Verlagerung der Produktion ins konstengünstigere Asien wären meiner Meinung nach nur schwer zu umgehen gewesen. Was nicht zu letzt an der Pleite vom Bremer Vulkan zu erkennen ist.
Man sieht an diesem Beispiel wirklich sehr gut, welche lokale Verwerfungen globale Umbrüche auslösen können und wie hilflos am Ende Landes- und Bundespolitik gegenüber Marktdynamiken und Investorenentscheidungen waren.
Es gab doch auch ein Werftengutachten des Landes zur Frage der Fusion der bremischen Werften oder? Was waren denn damals die Empfehlungen? Kann man das irgendwo noch nachlesen?
In der Tat gab es damals ein Werftengutachten bzw. mehrere Werftengutachten. „Um den Weg in eine bessere Zukunft klarzumachen, bestellten die Bremer bei den drei Wirtschaftsberatungsgesellschaften Knight-Wegenstein, Treuarbeit und Kienbaum zu Mitte Juli 1982 getrennte Gutachten, in denen Lösungsmodelle über eine optimale Wirtschaftlichkeit und eine optimale Beschäftigung der Arbeitnehmer vorgezeigt werden sollen.“ (Der Spiegel 1982).
Leider konnte ich die Werftengutachten nirgendwo finden. Auch im Staatsarchiv bin ich über die Online-Suchmaske nicht fündig geworden. Es wird diese Gutachten jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit irgendwo geben, da sie im Aktenplan der Bremer Verwaltung verzeichnet sind (Aktenplan [o. J.]: 83).
Über den Inhalt lassen sich in den Bürgerschafts-Debatten von ab 1982 Hinweise finden. Einen Überblick gibt auch ein Zeit-Artikel aus dem Oktober 1982 (Köhne 1982). Debatten und Kritik zu der Werftengutachten lässt sich auch in der Betriebszeitung des Bremer Vulkan „Echolot“ finden (stehen im Bremer Staatsarchiv). Das wohl interessanteste Dokument ist der der Bericht des Untersuchungsausschusses „Bremer Vulkan“ von 1998 (Bremische Bürgerschaft 1998). In dem 360 Seiten starken Papier wird die Bremische Schiffbaukrise und insbesondere der Untergang des Bremer Vulkan sehr ausführlich dokumentiert. Hier lassen sich auch Informationen aus den Werftgutachten finden.
Aktenplan [o. J.]. Aktenplan. Der Präsident des Senats. Text abrufbar unter: https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=&ved=2ahUKEwj0-oGs1KbqAhUOCuwKHTePCokQFjAAegQIBBAB&url=https%3A%2F%2Ffragdenstaat.de%2Ffiles%2Ffoi%2F57510%2FAkt-Plan0-043bis045_SKPZentralePlanungEuropa.pdf%3Fdownload&usg=AOvVaw2uWO59AmWjQfV_zqqDP3g3 (Zugriff am 29.06.2020)
Bremische Bürgerschaft (1998): Bericht des Untersuchungsausschusses „Bremer Vulkan“. Drucksache 14 / 1147. Text abrufbar unter: https://www.bremische-buergerschaft.de/uploads/media/uabremervulkan.pdf (Zugriff 19.06.2020).
Der Spiegel (1982): Schlaue Ideen. In: Der Spiegel am 21.06.1982. Text abrufbar unter: https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14343414.html (Zugriff am 29.06.2020)
Köhne, Helgard (1982): Immer SOS von der Küste. In: Die Zeit am 01.10.1982. Text abrufbar unter: https://www.zeit.de/1982/40/immer-sos-von-der-kueste/komplettansicht (Zugriff am 29.06.2020).
Vielen Dank! Das sind tolle Quellen für alle, die sich weiter mit der Werftenkrise in Bremen beschäftigen wollen. Zur Ergänzung könnten auch noch Interviews mit den damals Beteiligten geführt werden. Wäre auf jeden Fall eine spannende Abschlussarbeit.
Noch eine Ergänzung: Ähnlich wie beim Bremer Vulkan („Vulkanesen“) gab es auch unter den ehemaligen AG Weser Arbeiter*innen nach der Schließung eine große Solidarität und Gemeinschaft. Diese Tradition wird heute von dem Verein „Use Akschen“ gepflegt, der im Lichthaus gegenüber der Waterfront beheimatet ist (in der früher die Personalabteilung der AG Weser saß): https://www.ag-weser-bremen.de/use-akschen/
Gab es eigentlich Versuche von ehemaligen Schiffbauer*innen ein neues Unternhemen in Eigenregie aufzubauen (also jenseits des Großschiffbaus)? Gibt es ja heutzutage manchmal bei Firmenpleiten.
Solche Versuche sind mir bei der A. G. Weser leider nicht bekannt. Einige der Schiffbauer sind bei Daimler untergekommen, andere waren auch Jahre später noch arbeitslos. Über Neugründung konnte ich, in der für den Beitrag verwendeten Literatur, leider keine Verweise finden. Dies schließt die Möglichkeit jedoch nicht aus.
Man könnte mal mit dem Verein Use Akschen sprechen, ob es damals zumindets solche Ideen gab …