Wie fühlt es sich an…in Amerika?

„We are now faced with the fact that tomorrow is today. We are confronted with the fierce urgency of now. In this unfolding conundrum of life and history, there „is“ such a thing as being too late. This is no time for apathy or complacency. This is a time for vigorous and positive action.“

 

Am vergangen Montag war der Martin Luther King Day in Gedenken an Martin Luther King Jr. und seine einzigartige  Arbeit gegen soziale Ungerechtigkeit und Unterdrückung. Seine Rede „I have Dream“ 1963 ist bis heute unvergessen und seine Worte im obigen Zitat bis heute zutreffend. Am gleichen Ort fand am Mittwoch die Amtseinführung des neuen Präsidenten Joe Biden statt. Wer die letzten Monate das Geschehen in Amerika verfolgt hat, dachte sich wahrscheinlich genauso oft wie ich einfach nur: What the F… sorry, Hell?

Im Wahlkampf bereits vermischte Donald Trump gerne privates mit politischem und ging dabei unter die Gürtellinie. Während der fast einwöchigen Auszählung der Stimmen wurde es eng für ihn. Er forderte das Abbrechen der Auszählung mit der Unterstellung des Wahlbetruges. Am 6. Januar sollte das Ergebnis der Wahl und der Sieg von Joe Biden im Kapitol formal anerkannt werden. Trumps Anhänger stürmten nach seiner Rede jedoch das Kapitol. Spätestens diese Bilder schockierten die Welt. Ben Rhodes (Ex-Obama-Berater) bezeichnet dies als einen „Angriff auf die amerikanische Demokratie“. Diese Aktion machte ihn zum ersten Präsidenten Amerikas mit zwei Impeachment Verfahren. Wie absurd muss dieses Gefühl für jemanden sein, der nicht nur das ganze Geschehen durch die Medien in Deutschland erlebt, sondern dort lebt? Gewöhnt an deutsche „Normen“ und Abläufe (welche dies auch sein mögen)?

Franziska lebt seit fast 2 Jahren in den USA. Nach ihrem Bachelor in Sprachwissenschaften zog sie in die Bay Area in Kalifornien und begann dort zu arbeiten, aktuell im Home-Office. Für unser Interview warteten wir die Amtseinführung Bidens am Mittwoch ab. Da Trump allerdings lieber golfen ging, statt traditionell bei der Zeremonie dabei zu sein, verlief alles wie geplant ab. Angespannt war Franziska vor der Zeremonie dennoch, denn auch ihr sind die Bilder vom Sturm aufs Kapitol noch präsent. Sie war gerade am Arbeiten und schrieb nebenbei mit einer Kollegin, als sie die Bilder in den Nachrichten sah. An arbeiten war kaum noch zu denken. „Es schockierte mich und machte mich fassungslos. Die Polizei Griff fast gar nicht ein. Vor allem, wenn man es mit den Bildern der BLM-Bewegung vergleicht.“ Wie konnte das passieren? Diese Frage stellte sie sich auch. Hierzu empfahl sie mir den Podcast „Today, Explained“ von Vox. In einer Folge, die den Sturm aufs Kapitol erörtert, wird eben jene Frage behandelt und Mitschnitte aus der Menge eingespielt.
Sie sieht ein Problem in der Gewaltenteilung. „Der Präsident hat zu viel Macht. Wenn seine Partei die Mehrheit im Senat hat, kann er viel bestimmen, entscheiden und durchführen.“ In Amerika gilt außerdem das Zwei-Parteien-System. Wie der Name schon sagt, gibt es nur zwei Parteien: Demokraten und Republikaner. Somit gibt es lediglich von einer anderen Partei Konter, während in Deutschland in solchen Situationen mehrere Parteien sich äußern. Undenkbar sind solche Bilder hier jedoch nicht. Wir beide erinnern uns gut an die Querdenker Demo im August 2020. Auch hier stürmten Teilnehmer_innen ein Staatsgebäude, den Reichstag. Dennoch sei das Gefühl in Amerika anders. In Deutschland besteht die Regierung aus mehreren Parteien. Sie koalieren und schließen Kompromisse. In Amerika gibt es zwar verschiedene Kammern, aber am Ende sind es eben nur zwei Parteien.Wenn man sich in Deutschland schon nicht immer zu 100% von einer Partei vertreten fühlt, dann in den USA erst recht nicht, sagt Franziska. Sie darf zwar als Deutsche nicht wählen aber ihr Partner, Familie und Freunde. Anders als in Deutschland zeigen die meisten offen wen sie wählen und das sie wählen waren durch Fahnen, Autoplaketten und Aufklebern. „Während den Wahlen war die Stimmung sehr angespannt. In meinem Umfeld waren zwar alle für Biden und auch hier in der Bay Area wirkte es so. Hier ist es sehr multikulturell, aber Amerika ist so groß. Etwas Sorge hatte man trotzdem. Als dann endlich verkündet wurde, dass Biden gewonnen hat… das war so eine Erleichterung“, erinnert sich Franziska. Es wurden Autokorsos gestartet, gehupt und auf den Straßen gefeiert.

Generell fällt ihr immer wieder auf, dass Trump-Anhänger viel emotionaler seien. Sie glorifizieren ihn. Das sei bei den Demokraten mit Biden nicht so. Eher käme Kamala Harris dem nahe. Sie ist die erste US-Vizepräsidentin und zudem die erste afro amerikanische und asiatische. Blickt man auf die neuen Minister_innen Plätze, so fällt generell die Diversität auf, verglichen mit den letzten vier Jahren. Das kleinere Übel wählen, dieses Gefühl war diesmal nicht da. Einen Präsidenten für ganz Amerika zu wählen, ist für Franziska ohnehin ein verrückter Gedanke. „Das wäre, als müssten wir für ganz Europa eine einzige Person wählen aus zwei Parteien. Und die soll alle Mentalitäten und Meinungen vertreten. Man vergisst dabei, wie groß die USA sind, dass noch Außengebiete dazu gehören. So oft denke ich mir einfach nur was? Wieso ist das so? Warum wollen sie das nicht? Zbsp. das Konzept des deutschen Gesundheitssystems, wieso wollen so viele das nicht?“.

Auch die Medien sind für Franziska ein Teil des Problems, vor allem während der Trump-Ära. Trump bezog viele Informationen über Fox News und diese wiederum bezogen sich auf ihn. Ein Teufelskreis. Sie seien sein Sprachrohr gewesen, berichteten nicht über große Skandale von ihm und filterten seine Aussagen nicht. Viel mehr leiteten sie seinen Wortlaut direkt weiter. Durch Trump normalisierte sich die radikale Sprache, so Franziska. Auch dadurch wurden Diskussionen mit Trump-Anhängern hitziger. Glück im Unglück: Aufgrund der Pandemie kam sie wenig mit Republikanern generell in Kontakt, da man den Kontakt zu Fremden meidet. Trotzdem würde sie gerne mehr im Alltag auf sie treffen, um ihre Denkweise zu verstehen und aus ihrer eigenen „Bubble“ rauszukommen. Stattdessen versucht sie es über Nachrichten, Texten und Podcast. Es fasziniert und erschreckt sie zugleich.

Und immer wenn sie die Ausschreitungen in den Medien sieht, kann sie es kaum fassen. Es findet alles im selben Land statt, doch gleichzeitig wirkt es für sie so surreal. In der Bay Area wirkt alles viel friedlicher und die Geschehnisse in den Medien wirken so fern… Wie kann das alles ein Land sein?

 

Anmerkung:

Dieser Artikel enthält unbezahlte Werbung (Podcast-Empfehlung) und eigene Meinung. Er wurde nicht von der Universität Bremen verfasst.

 

Quellen:

www.tagesschau.de/ausland/amerika/pence-demokraten-impeachment-103.html
www.eastern.edu/news/mlk
m.tagesspiegel.de/politik/weisses-haus-wird-vorbild-in-corona-pandemie-biden-mitarbeiter-ruecken-tische-auf-abstand-und-tragen-maske/26229376.html

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