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Praktisch ohne Praxis? Vom virtuellen Laboralltag

Seit Beginn der Corona-Pandemie findet der Großteil aller Veranstaltungen der Uni Bremen online statt. Für Vorlesungen mag das ganz gut umsetzbar sein, aber wie sieht das mit den praktischen Elementen des Studiums aus? Wie versucht wurde und wird, die Praxis aus dem Labor nach Hause vor den Bildschirm zu holen, erzählt hier eine Studentin des Fachbereichs 2.


Was studierst du und in welchem Semester?

Ich studiere im dritten Semester Biologie.

Wie sah dein Studienalltag vor der Pandemie aus – wie hoch war der praktische Anteil und wie oft warst du nicht nur im Hörsaal, sondern auch im Labor?

Tatsächlich war das letzte Mal, als wir normal Uni hatten nur das erste Semester und da hatten wir jede Woche ein Praktikum. Das ging ich glaub drei Stunden, das war ein langes Praktikum ein Mal die Woche. Und dann hatten wir noch am Ende des Semesters ich glaube vier Wochen ein Praktikum dazu bekommen und das ging auch so fünf Stunden. Der Praxisanteil war schon höher, aber nicht so hoch, wie er jetzt im dritten hätte sein müssen.

Wie oft konntest du denn seit dem Sommersemester 2020 – also seit Corona begonnen hat – dein Wissen von der Uni praktisch umsetzen, sodass du in Situationen gekommen bist, in denen du beispielsweise irgendetwas mit deinen Händen machen konntest?

Oh, puh, also im Sommersemester hatten wir gar nichts Praktisches. Wir hatten nur in den Semesterferien ein Praktikum, das war auch super schön geplant. Schön kleine Gruppen und ich glaube, dadurch wurde auch der Lerninhalt intensiviert, weil wir viel näher mit den Tutoren arbeiten konnten.

Aber ich persönlich finde, in so praktischen Studiengängen ist es ganz wichtig, auch im Semester in den anderen Modulen das praktische Wissen zu vertiefen. Wir hatten ein Modul, da muss man bestimmte Gerätschaften benutzen und wir müssen ja auch später in unserem Leben bestimmte Gerätschaften benutzen und wenn man das nur über Fotos lernt, hatte man das nie in der Hand und das kann man natürlich nicht vergleichen. Dadurch baut sich sehr viel Unsicherheit auf für die Zukunft, wenn man nicht weiß, kann ich das später – wenn ich das wirklich machen muss – auch wirklich machen? Denn man hat das noch nie wirklich ausprobieren können.

Das verstehe ich gut. Du sagst also, im Sommersemester war quasi gar nichts Praktisches, außer in den Semesterferien. Und wie sieht das dieses Semester aus? Gibt es da mehr praktische Anteile?

Ja, dieses Semester haben sich manche Professoren überlegt, wie sie Praktika machen sollen. Momentan haben wir zwei Praktika und eines dieser Praktika ist halb Zuhause und halb in der Uni. Das funktioniert ganz gut. Ist zwar nicht das Gleiche und ich kann es auch nicht vergleichen, weil ich nicht weiß, wie der Jahrgang davor dieses Praktikum hatte.

Aber ich weiß, dass das andere Praktikum, das eigentlich auch die Schiene ist, in die ich gehen möchte, verkürzt wurde und wir dadurch viel weniger machen konnten. Wir konnten dafür zwei Stunden pro Woche in dieses Praktikum gehen, aber es wurde natürlich auch noch viel ausgelassen. Wahrscheinlich, weil es zu schwierig war, zu planen – ich weiß es nicht genau.

Welche Alternativen zum regulären Labor wurden bzw. werden von Dozierenden angeboten? Was davon hat gut funktioniert, wie du ja schon zum Teil erwähnt hast, und was davon hat weniger gut funktioniert? Kannst du das an Beispielen festmachen?

Ja, also es gibt ja das Praktikum, das in Heimversuche und Praxisversuche eingeteilt ist. Die Heimversuche werden zwar erklärt, aber ich persönlich finde es ein bisschen schwierig, das alleine Zuhause zu erarbeiten, gerade wenn man quasi alles momentan selber erarbeiten muss. Aber mal sehen, wie der Laborversuch wird. Es ist auf jeden Fall ein strukturiertes System.

In einem anderen Praktikum wurden die Inhalte verkürzt, aber trotzdem konnte man ein paar Dinge im Labor machen. Das war schon ganz gut. Mein persönliches Highlight dieses Semester ist tatsächlich die andere Hälfte dieses Labors, es ist quasi wie ein Videospiel, man muss sehr viel selber mitdenken und man sieht durch eine Kamera, die eine Hilfskraft trägt, wie alles gemacht wird und die Studenten geben als Gruppe einer Person Anweisungen und wie diese einzelnen Laborschritte gemacht werden müssen. Man sieht richtig, wie mit diesen Gerätschaften gearbeitet wird. Das ist ein echt spaßiges und gutes System. Man nimmt viel mit und dadurch werden die Inhalte auch nicht verkürzt. Das finde ich eigentlich ganz nett.

Gibt es für dich auch ein Praktikum, das als reines Online-Format umgesetzt werden musste, das für dich aber nicht funktioniert hat? Und wenn ja, warum?

Ja, es gab ein Praktikum, das online umgesetzt wurde, aber in diesem Praktikum wurde meines Wissens nach viel präpariert und ich persönlich wüsste jetzt nicht, wie ich so ein Präparat anfertigen müsste. Wir waren dann zwar vor der Kamera die volle Praktikumszeit anwesend und haben gezeichnet, aber diese ganzen Laborschritte wurden quasi komplett herausgestrichen. Man muss dazu sagen, das war noch im Sommersemester und da musste sehr schnell sehr viel verändert werden.

Wenn ich dir so zuhöre, habe ich den Eindruck, dass du das Gefühl hast, dass Studierende nicht ausreichend auf den Laboralltag vorbereitet werden. Gibt es etwas, das dir im Studienalltag explizit fehlt?

Also, dass Studierende nicht ausreichend vorbereitet werden, würde ich jetzt nicht so allgemein sagen, weil das ja auch sehr vom Menschen abhängt. Ich persönlich lerne am besten aus einer Mischung von Praxis und Theorie. Ich kann mich nicht so lange nur auf theoretische Inhalte konzentrieren und ich kann sie nicht so gut vertiefen, wie wenn ich im Labor bin und mit dieser Aufgabenstellung konfrontiert bin und wirklich sehen kann, was passiert. Das ist ein ganz anderer Lernprozess und ich finde, der ist gerade in solchen praktischen Studiengängen super wichtig.

Idealerweise wäre man auch zu den Vorlesungen anwesend. Das Problem, das ich mit dieser ganzen online Lehre sehe, ist einfach, dass irgendwann die Konzentration nachlässt und man irgendwann sehr müde wird von diesem ganzen „Ich sitze den ganzen Tag vorm PC und dann muss ich arbeiten, dann sitze ich den Rest des Tages am PC – und vielleicht auch noch die Nacht“. Und zumindest mit manchen praktischen Elementen haben wir jetzt die Möglichkeit, zwischendurch mal rauszugehen und wirklich etwas Anderes zu sehen als nur einen Bildschirm mit Folien, der Dozent redet und man hofft, man nimmt das mit, was man braucht. Aber das Wissen, ob das reicht und was man genau machen muss und wie man eine PCR-Maschine benutzt (lacht) ist jetzt nicht wirklich da.

Man weiß ja jetzt noch nicht, wie schnell das alles mit den Impfstoffen gehen wird. Falls es noch so ein Semester geben sollte, was würdest du dir wünschen, was würde dir helfen, um dein Studium zu absolvieren, gerade was die praktischen Anteile angeht?

Ich habe die Möglichkeit, ein Urlaubssemester zu machen. Oder man versucht, in einer Gruppe irgendwie ein Praktikum zu machen und dadurch irgendwelche praktischen Inhalte zu erlernen. Das Problem ist ja nicht nur, dass man für die Uni – also für das Labor selber und für das Protokoll – nicht richtig die Gerätschaften nicht kennenlernt, sondern dass man dann später im Beruf gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Man kann auch gar nicht sagen: „Ja, ich kann das!“. Man sucht ja immer Leute, die Erfahrung haben und wir haben keine Erfahrung. Wir haben nur ein Klausur – und wie viel ist eine Klausur wert? Das frag ich mich sehr oft. Ich würde mir wünschen, dass – so schwer es auch sein mag – man es irgendwie hinbekommen könnte, dass diese praktischen Inhalte vielleicht nochmal gemacht werden können oder nachgeholt, wenn es möglich ist. Oder wenn es überhaupt möglich ist, dass man mehr Wert darauf legt, zu planen, dass diese Praktika stattfinden können.


Vielen Dank an diese Stelle nochmal für das sehr offene und informative Interview!

Ihr studiert auch in einem eher praktischen Studiengang und habt gleiche, ähnliche oder ganz andere Erfahrungen gemacht? Teilt sie mit uns in den Kommentaren oder auf Instagram!

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