Alle Jahre wieder

Es ist wieder soweit.

Wie jedes Jahr öffne ich vorsichtig den Pappkarton mit der Aufschrift “Weihnachtsdekoration” und wickele den kleinen Keramik-Elch vorsichtig aus der Verpackung. Schon gute zehn Jahre war es her, dass ich den Weihnachtselch gekauft habe, und trotzdem ist auf dem matt glänzenden, hellbraunen Dekorationsstück nicht ein Kratzer zu sehen.

Es kam mir wie gestern vor, als ich den kleinen Elch auf einem winzigen Stand im überfüllten Weihnachtsmarkt erblickt habe und mich sofort beschloss, ihn zu kaufen. Elche waren schon immer meine Lieblingstiere gewesen und mit der winzigen roten Weihnachtsmütze zwischen seinem braunen Geweih und dem roten Sattel schien er mir eine perfekte Ergänzung für den Weihnachtsbaumschmuck. Mit seiner roten Nase erinnerte er mich schon damals sofort an Rudolf- den Film sah ich früher als Kind fast jeden Tag im Dezember.

Und so wurde der Elch sofort zu meinem Lieblingsschmuckstück und hang jedes Jahr fast ganz oben am Weihnachtsbaum. So sollte es auch dieses Jahr sein.

Ich suche den Tannenbaum nach einer geeigneten Stelle ab und platziere den Elch schließlich neben einer dunkelroten Christbaumkugel. Die mir nur allzu gut bekannten schwarzen Augen des Elches wecken in mir glückliche Erinnerungen an schon längst vergangene Weihnachten hervor.

Letztes Weihnachten, an dem meine Schwester das erste mal ihren Freund mit nach Hause gebracht hat. Das waren ziemlich chaotische Festtage- nach nur wenigen Stunden hatte er sich mit meinem Großvater in eine politische Diskussion verwickelt und ist anschließend wutentbrannt abgehauen.

Ein anderes Weihnachten- wie lange war das schon her? Fünf, Sechs Jahre?- fiel eine Kerze um und um ein Haar wäre der ganze Tannenbaum niedergebrannt.

Oder das Weihnachten vor drei Jahren, an dem mein damals neu geborener Neffe sein erstes Weihnachtsfest miterlebte- mein Bruder war ganz besessen darauf, das alles perfekt lief.

Mit einem Lächeln befestige ich den Elch mit seinem hellbraunen Bandes an einem dunkelgrünen Tannenzweig. “Die Geschichten, die dieser Elch erzählen könnte”, denke ich, während ich das Band mit einer Schlaufe zusammenknote. “Und die Geschichten, die er noch miterleben wird.”

 

 

Veröffentlicht von

Jana

Jana ist eine Studentin an der Universität Bremen, die Kulturwissenschaften und Kommunikations- und Medienwissenschaften studiert und die nicht gut darin ist, biografische Angaben über sich selber zu schreiben.

3 Gedanken zu „Alle Jahre wieder“

  1. Hallo Jana,
    der Elch ist von mir, deshalb wollte ich mir unbedingt mal den Text dazu angucken.
    Deine Geschichte ist wirklich toll geschrieben. Man kann sich gut in die einzelnen Situationen hineinversetzen und der Text strahlt eine tolle weihnachtliche Harmonie aus 🙂

  2. Hey jana,
    ich liebe die Art & Weise wie du die Beschreibung des Elchs in die Geschichte eingebaut hast! Zu deinem Weihnachsterlebnis, als der Baum fast niedergebrannt wäre: Ich habe das auch mal erlebt. Damals lag es daran, dass mein Vater und ich einen spannenden Film geguckt haben und wir haben nicht bemerkt, dass eine Kerze heruntergefallen war. Seitdem haben wir immer Wasser in Reichweite des Weihnachtsbaums 🙂

    Schöne Weihnachtsgrüße,
    Laura

  3. Hey Jana,

    eine total schöne Geschichte, die du dir um den Elch herum ausgedacht hast. Ich finde die Beschreibung zu Beginn ist dir gelungen und auch die Rückblicke kann man sich gut vorstellen. Mir gefällt es, wie du am Ende auf den auf den Elch eingehst, also welche Geschichten dieser erzählen könnte 🙂

    LG und eine schöne Weihnachtszeit, Mascha

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