» Berührt deine Welt noch meine Welt? «
◊ Die Themenfindung
Das Thema ‚Demenz‘ liegt mir selbst sehr am Herzen. Zwei meiner Großeltern sind an Demenz erkrankt und schlussendlich daran gestorben. Bei ihrem Krankheitsverlauf Zuschauerin gewesen zu sein, hat mich nachhaltig sehr beeinflusst. Für mein Projekt wollte ich ein Thema wählen, das mich selbst berührt und zu dem ich einen persönlichen Bezug habe. Das Thema ‚Demenz‘ erfüllt diese Kriterien.
Was passiert, wenn man alles vergisst, das einem wichtig ist? Wenn die Menschen, die man liebt, zu Fremden und identitätslosen Gesichtern werden? Ich stelle mir Demenz wie Styropor vor, das bei der kleinsten Berührung zu bröckeln beginnt und sich in seine Einzelteile auflöst – die Vorstellung ist irgendwie beängstigend.
Bei meinen Recherchen zu dem Thema bin ich auf viele Erfahrungsberichte von Betroffenen gestoßen, die die einzelnen Stadien der Krankheit schildern und den Demenzprozess abbilden. Doch welche Herausforderungen und Veränderungen die Krankheit mit sich bringt, erfährt man am besten im Gespräch mit den Angehörigen demenziell erkrankter Personen.
◊ Die Herausforderungen
Das Thema ‚Demenz‘ hat viele emotionale Herausforderungen mit sich gebracht. Bei der Wahl des Themas habe ich diese zu Beginn der Projektphase unterschätzt. In vielen Phasen des Erarbeitungsprozesses steckte ich in einem Zweispalt zwischen eigener Emotionalität und Befangenheit und geforderter Professionalität.
Besonders die Interviews mit den Angehörigen demenzkranker Menschen waren manchmal regelrechte Zweikämpfe – nicht aufgrund der Gesprächspartner:innen, sondern wegen des hohen Gefühlsaustausches. Mit der Zeit und der Routine habe ich aber gelernt, dass ein professionell geführtes Gespräch auch Sicherheit und Halt geben kann. Für mich als Gesprächsführende entstand dieses Empfinden durch die immer wiederkehrenden Fragen, die ich in jeder Unterhaltung erneut stellte. Für meine Gesprächspartner:innen entstand diese Sicherheit sicherlich durch die leichte Anleitung der Konversation und die Offenheit, die in jedem Gespräch herrschte. Mir war es in den Interviews wichtig einen Wohlfühlort – einen ’save place‘ – zu kreieren, an dem frei und unvoreingenommen gesprochen werden konnte. Das ist mir gelungen, denn der Austausch war sehr intensiv!
An dieser Stelle auch ein herzliches DANKE an die Sprecher:innen in dem Video, die mir mit so viel Vertrauen und Mut ihre Stimmen geliehen haben!
◊ Der Arbeitsprozess
Die Materialwahl ist mir anfangs sehr schwer gefallen. Wie zeige ich Etwas, das im Kopf passiert? Wie schaffe ich einen Ort für Etwas, das materiell nicht greifbar ist? Ich suchte nach einem Objekt, das sowohl ein Inneres als auch ein Äußeres repräsentieren konnte und das Raum bietet für persönliche Empfindungen und Gedanken. Ich erinnerte mich in diesem Kontext an die Kleiderspinde von früher aus dem Schwimmunterricht, in die wir Schüler:innen unsere persönlichen Gegenstände legten, um sie nicht zu vergessen und sicher zu verwahren. Ich empfand diese Handlung als etwas Vergleichbares mit der Demenz. Damit hatte ich mein Hauptelement gefunden – der Spind ermglichte mir die Krankheit auf unaufdringliche und kreative Weise sichtbar zu machen.
Nach umfangreicher Recherche zu meinem gewählten Thema begab ich mich auf eine Schnäppchenjagd im Internet, um einen geeigneten Kleiderspind für mein Projekt zu finden. Das Angebot war anfangs sehr mau, doch dann landete ich einen Glückstreffer: ein Spind in mintgrün. Ab da kreisten in meinem Kopf die Gedanken ständig um mein Projekt. Ich überlegte, wie ich die einzelnen Stadien der Demenz darstellen konnte, ohne zu figurativ zu sein, und entschied mich letztendlich für gelbe Post-its.
Auf dem Spind ist jeder Klebezettel einzigartig. Keiner gleicht dem anderen. Durch die Gespräche, Recherche und Interviews habe ich sehr viel Inspiration bekommen und konnte mich immer mehr in den Kopf eines demenziell erkrankten Menschen eindenken. Auch Dokumentationen zu dem Thema halfen mir sehr. Ich überlegte mir, was sich eine betroffene Person auf den Haftnotizen notieren würde, um es nicht zu vergessen, und was ein vollkommen gesunder Mensch festhalten würde, um wichtige Dinge in Erinnerungen zu behalten. Die Unterschiede sind doch sehr schockierend. Ich baute mir bei diesen Überlegungen zunächst einen eigenen imaginären Palast aus Post-its in meinem Kopf und übersetzte ihn schließlich in die Realität.
Zuletzt habe ich mit einem Video-Schnittprogramm gearbeitet, das mich so manchen Nerv gekostet hat, und zum Schluss war noch die ein oder andere Nachtschicht nötig, um mein Projekt in angemessener Form zu präsentieren. Ich hoffe, es gefällt Euch!
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