Sprachaufnahmen

Bei der Anfertigung von Sprachaufnahmen geht es zuallererst darum, dass der Informant/die Informantin in möglichst lockerer Atmosphäre möglichst natürlich spricht. Die Inhalte und Themen der Aufnahme sind dabei zweitrangig. Achten Sie vor allem darauf, dass Sie über Themen reden, in denen Ihr Gegenüber auch im Alltag die Sprache oder Varietät nutzt, für die Sie sich interessieren. So ist z.B. ein Gespräch über Politik oft ungünstig, wenn Sie sich für Minderheitensprachen oder Dialekte interessieren, hingegen können Alltagsthemen wie Familie und Haushalt, aber auch Landwirtschaft und Traditionen passend sein.

Wie funktioniert die Datenerhebung?

Zu allererst brauchen Sie ein Konzept! Dazu sollten Sie sich folgende Fragen stellen:

  • Welche Art von Sprache möchte ich aufnehmen?

    Interessant ist alles, was nähesprachliche Merkmale aufweist und damit von der geschrie­benen Standardsprache abweicht, z.B. Regionalsprache(n), Dialekte, Jugendsprache, die Sprache von Einwanderern, …

  • Wie wähle ich den passenden Gesprächspartner aus?

    Wenn Sie etwas über die lokale Varietät herausfinden wollen, wählen Sie jemanden, der  vor Ort geboren ist und möglichst immer dort gelebt hat. Wenn Sie sich für die Sprache der marokkanischen Einwanderer interessieren, fragen Sie jemanden, der in Ma­rokko geboren und dort aufgewachsen ist, und nicht jemanden, dessen Eltern nur von dort stam­men – außer Sie interessieren sich für die Sprache der 2. Generation. Auf jeden Fall sollten Sie Personen befragen, die die betreffende Varietät als Muttersprache sprechen. Oft empfiehlt es sich, eher ältere Informanten und Informantinnen zu wählen, wenn Sie sich für die lokalen Sprachformen interessieren. Versuchen Sie z.B. auf einem Bouleplatz oder in einem Café mit Menschen ins Gespräch zu kommen, oder fragen Sie KomilitonInnen oder andere Bekannte, ob Sie mit de­ren Eltern oder Großeltern sprechen können.

  • Wie schaffe ich es, dass mein Informant oder meine Informantin auch die von mir gewünschte Varietät benutzt?

    Sprechen Sie über Themen, bei denen ihr Gegenüber normalerweise die Varietät benutzt, die Sie aufnehmen wollen. Wenn Sie sich für Jugendsprache interessieren, reden Sie z.B. über Graffiti oder Popmusik, wenn Sie Dialekt aufnehmen wollen, sprechen Sie über Landwirtschaft oder lokale Bräuche. Versuchen Sie außerdem herauszufinden, bei welchen Themen der Informant emo­tional beson­ders eingebunden ist, denn durch die Wahl eines solchen Themas wird er/sie nicht so viel dar­über nachdenken, wie er/sie spricht und Sie erhalten spontane Sprache. Fragen Sie nach einer Situation, in der der Informant einer besonderen Gefahr ausgesetzt war, z.B. Hochwasser oder andere Naturereignisse, Unfälle, Krank­heiten oder Geburten. Sam­meln Sie Rezepte oder fragen Sie nach lokalen Bräuchen wie Festen oder landwirtschaftlichen Tätigkeiten (Ernte, Tierhaltung) und der Jagd.

  • Wichtig: Informieren Sie Ihren Gesprächspartner oder Ihre Gesprächspartnerin unbedingt vorher darüber, dass Sie die Unter­haltung aufzeichnen. Lassen Sie sich schriftlich eine Einwilligung geben, dass die Auf­nahme (natürlich anonymisiert) in der Lehre und Forschung verwendet werden darf. Wenn Ihr Ge­sprächspartner oder Ihre Gesprächspartnerin mit einer Verwendung durch Dritte nicht einverstanden ist, akzeptieren Sie dies und fragen, ob Sie selbst aus der Aufnahme in einer Hausarbeit oder Abschluss­arbeit zitieren dürfen. Viele Informanten freuen sich auch, wenn Sie ihnen eine Kopie der Aufnahme zur Ver­fügung stellen, insbesondere wenn Sie einen (bedrohten) Dialekt aufgezeichnet haben.

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