Als ich am Donnerstag, den 09.12. um circa 15:45 Uhr den Supermarkt bei mir um die Ecke betrete, gehe ich zunächst zur Theke des Bäckers, um mir einen Kakao zu holen. Vor mir stehen zwei ältere Damen, die beide jeweils einen Latte Macchiato bestellen und dann zu einem der Tische im kleinen Café gehen. Ein Mann möchte Kuchen kaufen und fragt deshalb die Verkäuferin nach den verschiedenen Sorten. Lächelnd und mit viel Geduld erklärt sie ihm, was sie heute verkaufen. Nachdem der Herr bezahlt und sich bedankt hat, wendet sie sich mir zu. Ich bestelle also und bezahle dann. Sie fragt mich nach meinen Impfnachweis, da ich mich ebenfalls in das Café setzen möchte und ich zeige ihn ihr. Daraufhin bemerkt sie fröhlich, dass es ja sehr praktisch sei, dass ich meinen Personalausweis in meiner Handyhülle aufbewahre. Ich bejahe dies und sie gibt mir den Kakao. Sie duzt mich während dieses Gespräches.
Ich setze mich an einen Tisch von dem aus man einen guten Blick auf den Eingang des Ladens, sowie die Obst- und Gemüseregale, die Salatbar, die Kühlschränke und die Fleischtheke hinten im Laden hat. Außerdem überblicke ich einen Teil der Deko- und Pflanzenabteilung. Direkt am Eingang steht ein Stapel Kisten voller Mandarinen sowie ein Aufsteller des Disney-Films „Encanto“ mit diversen Zitrusfrüchten. Ich höre leise Weihnachtsmusik spielen.
Am Tisch neben mir sitzen die beiden älteren Damen und unterhalten sich. Leute in schwarzen Hemden oder Blusen, auf deren Kragen der Name des Supermarktes gestickt ist laufen immer wieder zwischen den Regalen her. Die meisten von ihnen räumen Waren ein.
Zunächst kommen vor allem ältere Leute in den Laden, manche mit Einkaufswagen oder Körben, andere ohne und sie schlendern durch die Gänge oder gehen zielstrebig mit ihren Einkaufslisten auf bestimmte Regale zu. Einige wollen nur zum Bäcker, manche nur in den Laden, wieder andere kombinieren beides miteinander.
Nun betritt ein junger Mann den Laden und geht konsequent nach hinten durch. Nach ihn kommt ein Mann herein, der keine Maske trägt und geht in die Richtung des Bäckers. Eine Frau mittleren Alters sieht sich die Pflanzen und Vasen an und ein Mann betrachtet die Äpfel in der Auslage genauer. Als nächstes kommt eine junge Frau mit einem Zettel in der Hand und geht direkt zum Gemüseregal, wo sie stehen bleibt und sich umsieht und dann noch ein Mann ohne Maske, der am Bäcker vorbei, vermutlich zum Pfandautomaten geht. Einer der Männer in einem schwarzen Hemd redet mit einem Mann in blauem Pullover, der etwas bei sich trägt, von dem ich zunächst vermute, dass es ein Klemmbrett ist. Es stellt sich aber als Tablet heraus. Er tippt darauf herum und gibt etwas ein. Ein älterer Mann geht auf die Tür zu. Er trägt ein Netz mit Mandarinen und einen Karton Zündwolle unter dem Arm und bleibt vor den anderen Mandarinen stehen, um sie sich anzusehen. Dann verlässt er den Laden. Der Mann mit dem Tablet tippt weiter Sachen ein, während er sich verschiedene Waren anguckt und dann verschwindet er aus meinen Sichtfeld in Richtung Bäcker. Der Mann, mit dem er vorhin noch geredet hat, geht nun mit einem Zettel in der Hand zum Aufsteller und überprüft die Zitronen, während ein anderer, jüngerer Mann im schwarzen Hemd einen Einkaufswagen voller Brennholz nach draußen fährt. Ihm folgt eine junge Frau mit einer Gießkanne in der Hand. Eine Frau in Sportkleidung betritt den Laden und nach ihr zwei Männer in weißer Arbeitskleidung, auf deren Rückseite der Name einer Maler-Firma gedruckt ist. Sie gehen ebenfalls sehr zielstrebig durch den Laden. Ein weiterer junger Mann mit Kopfhörern kommt herein und nach ihm eine junge Frau, ebenfalls mit einem Kopfhörer im Ohr. Zwei Leute unterhalten sich über einen Artikel aus einem der Regale und legen ihn dann wieder zurück. Dann kommt ein junges Paar mit Einkaufswagen herein, sieht sich um und geht dann zum Obst. Leute verlassen den Laden entweder mit ihrem Einkauf noch im Wagen oder schon in Tüten und Körbe verpackt. Wer nur wenige Teile gekauft hat trägt diesen unter dem Arm oder in der Hand.
Am Ende meiner Beobachtungszeit hat eine der Frauen neben mir ihren Kaffee ausgetrunken und die andere hat noch ein halbvolles Glas. Ich gehe zur Theke und stelle meine leere Tasse dort ab. Die Verkäuferin bedankt sich und wünscht mir einen schönen Nachmittag, was ich erwidere. Dann verlasse ich den Supermarkt.
Um diese Uhrzeit an einem Werktag gehen überwiegend diejenigen einkaufen, die keine festen Arbeitszeiten haben, also Rentner oder Studenten. In der kurzen Zeit, in der ich da war, habe ich überwiegend ältere Leute gesehen, die vermutlich das letzte Tageslicht nutzen wollten, um Lebensmittel zu besorgen. Die jungen Menschen, die da waren, haben fast alle einen oder sogar beide Kopfhörer in den Ohren. Das ist etwas, was die Älteren nicht tun. Jugendliche und junge Erwachsene sind damit aufgewachsen, dass sie immer und überall Musik, Podcasts oder Hörbücher hören können und haben sich so daran gewöhnt, dass sie selbst (oder vielleicht besonders) in Situationen, in denen sie möglicherweise mit anderen Menschen interagieren müssen, Kopfhörer im Ohr haben. Außerdem waren auch Leute mit Kinderwagen im Laden. Sie sind vielleicht grade in Elternzeit und können deswegen die weniger hektische Umgebung an einem Donnerstagnachmittag nutzen, da sie vermutlich schon gestresst genug sind. Dann muss man nicht auch nur von anderen Leuten im Supermarkt überrannt werden. Eine andere Gruppe Menschen sind diejenigen, die Pause oder Feierabend haben und noch eben schnell einkaufen wollen, wie beispielsweise die beiden Männer, die bei einem Maler-Betrieb arbeiten. Sie kommen häufig direkt von der Arbeit, weil es Zeit spart und man somit nach Hause kann, ohne noch irgendetwas erledigen zu müssen.
Die Leute in den schwarzen Hemden waren die Mitarbeiter des Supermarktes, die ihren täglichen Beschäftigungen nachgegangen sind. Regale auffüllen, Waren überprüfen, Sachen umräumen und auch Blumen gießen sind Aufgaben, die man als Kunde häufig gar nicht wirklich mitbekommt oder über die man nachdenkt, aber natürlich werden sie erledigt. Die Verkäuferin beim Bäcker war sehr entspannt, da nicht viele Kunden da waren. So konnte sie sich für jeden etwas Zeit nehmen, um höflichen Small Talk zu betreiben. Dass sie mich geduzt hat, hat mich zuerst irritiert, weil ich in letzter Zeit sehr häufig mit „Sie“ angesprochen werde. Es hat mich aber nicht gestört, sondern ganz im Gegenteil und sie wirkte dabei auch nicht herablassend, sondern sehr freundlich. Von dem Mann im blauen Pullover dachte ich zunächst, er wäre möglicherweise ein Vorgesetzter des anderen Mitarbeiters, oder der Manager des Ladens. Er machte den Eindruck, als würde er sich alles ziemlich genau ansehen, weshalb ich denke, dass er etwas überprüft hat. Vielleicht war er auch vom Amt und hat die Einhaltung bestimmter Vorschriften kontrolliert.
Die beiden Frauen am Tisch neben mir, waren wahrscheinlich gute Freundinnen, die sich auf einen Kaffee getroffen haben. Ich habe nicht gehört, worüber sie geredet haben (und das wollte ich auch nicht), aber ich denke sie haben sich über ihre Woche ausgetauscht und was in letzter Zeit so passiert ist. Vielleicht machen sie das öfter.
Laut Augé wäre dieser Supermarkt wohl ein Nicht-Ort. Die Leute gehen hin, um einzukaufen und wieder zu gehen. Die wenigsten wollen verweilen, während das zugehörige Café schon schwieriger zu definieren ist. Ich saß dort, um meine Beobachtungen zu machen und dann zu gehen, die Frauen am Tisch nebenan wollten dort Zeit verbringen und sich unterhalten. Da die Zuordnung von Orten und Nicht-Orten immer etwas subjektives ist, ist es schwer zu sagen, welches von beidem vor allem das Café, für manche aber auch der Supermarkt ist. Alles in Allem kann ich sagen, dass ich in der kurzen Zeit viele Dinge gesehen habe, die ich sonst nicht mitbekomme oder beachte und es war sehr interessant zu sehen, wie Menschen einkaufen und welche Angewohnheiten sie dabei haben.