Archive for Dezember, 2020

wilde Gedanken in Ostfriesland

Gerade saß ich noch im Stau und habe mich darüber aufgeregt, dass jemand mir die Vorfahrt genommen hat. Nun sitze ich hier im Einkaufszentrum und versuche diesen Text zu schreiben. Ich habe einen intensiven Ohrwurm von Fynn Kliemanns “Eine Minute”. Ich denke an dieses Lied, während ich hier sitze und mir Sachen aufschreibe, die ich höre. “Was passiert schon in einer Minute”. Interessant, denn wenn ich das auf mich projiziere, denke ich an Vieles, was in einer Minute passieren könnte. Ich höre, wie ein Mann auf einem Holzstück einen Namen oder einen Satz eingraviert. Neben mir sitzen zwei Menschen die sich über unterschiedliche Dinge unterhalten. Ich verstehe gar nichts, denn die Lautstärke in diesem Supermarkt ist zu hoch, um überhaupt die Möglichkeit zu haben, etwas zu verstehen. 

Ich höre die Hintergrundmusik in diesem Einkaufszentrum und frage mich, wer alles zu dieser Musik singen würde, gar tanzen würde. Es verwirrt mich, dass in Einkaufszentren Musik läuft. Beachtet überhaupt jemand die Musik? Stell dir vor, du bist Musiker und schreibst Lieder über dein Leben oder eine Beziehung und es wird in einem Supermarkt gespielt, wo keiner richtig zuhört. Ich bin selbst Musiker und könnte es mir nicht einmal vorstellen, wenn meine Musik von so vielen Menschen gehört werden würde. Alle Menschen hier sehen gleich aus. Sie tragen alle relativ ähnliche Jacken und Stiefel. Außerdem tragen alle hier Masken. Finde ich sehr gut, andererseits finde ich es schade, dass ich bekannte Gesichter nicht erkennen kann oder, dass ich deren Gefühlslage anhand deren Augen verstehen soll. 

So langsam wird mir warm. Bei 5 Grad Celsius sitze ich ungern draußen und ich bin sehr dankbar, dass überhaupt eine Bank im Einkaufszentrum frei ist. Vor mir steht ein Paar. Sie schauen sich traurig an. Die Dame verliert eine Träne und ich denke, dass etwas schlimmes passiert ist. 

Da ich hier im Einkaufszentrum sitze und nicht einkaufe, warte ich auf den Moment, indem die Security kommt und mich raus bittet. Was soll ich diesem Menschen dann sagen? Dass ich einen Text für mein Studium schreibe und nicht hier bin, um Internet anzuzapfen? Viele Menschen schauen mich beim Vorbeigehen an. Vielleicht denken sie, dass ich ein Schriftsteller bin und gerade dabei bin, meinen neuesten Roman zu schreiben. Sollte ich das der Security auch sagen? Dass ich eigentlich auf der Suche nach Inspiration bin und eine Schreibblockade in Corona-Zeiten versuche zu vermeiden? 

Es ist laut. Ich höre das Rattern von den Einkaufswagen und spüre dabei wie die Wagen über die Fließen geschoben werden. Ein konstantes „Piepsen” begleitet mich. Es ist super irritierend. Das Pärchen, was neben mir saß, ist nun gegangen. Jetzt sitzt ein Mann neben mir, der laut telefoniert. Sein Handy Lautsprecher ist auch sehr laut und ich kann dem Gespräch folgen. Es ist ein typisches Gespräch zu dieser Zeit: “Ich habe keine Lust mehr auf Masken”, “Mich nervt es, dass ich einen Einkaufswagen nehmen muss, nur um ein Paket Käse zu kaufen” und “Ja, ich vergesse nicht, eine Flasche Glühwein mitzubringen”. 

Vielleicht werde ich ja noch jemanden, den ich kenne, begegnen. Wird das Gespräch wohl genauso verlaufen? Ich weiß es nicht. Rege ich mich dann auch über die Einkaufswagen- und Maskenpflicht auf? 

Ein riesiger Weihnachtsbaum steht ein paar Meter von mir entfernt. Er ist schön geschmückt und sieht umwerfend aus. Ich bin kein großer Fan von Weihnachten, aber die geschmückten Bäume geben mir ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit. Das Geschrei eines Babys zerrt mich aus meinen Gedanken und ich muss hinschauen, ob ihm etwas zugestoßen ist. Das Baby hat den Schnuller fallen gelassen. Vor mir, hinter mir, links und rechts von mir sind auf einmal Einkaufswagen. Ein Junge schleift mit dem Schuh über den Boden, während der  Mann der Holz Gravierungen macht, weiterhin auf dem Stück Holz Namen eingraviert. Weiter entfernt lachen zwei Frauen. Das gefällt mir. Sie haben Spaß beim Einkaufen. Ob sie sich verabredet haben? Ich werde es nie wissen. 

Die Maschine, die genutzt wird, um Holz zu gravieren, ist sehr laut. Sie klingt fast wie ein Zahnbohrer. Ich rieche das verbrannte Holz und ich genieße es. Nun ist jemand in den Supermarkt gegangen und die Alarmanlage vom Eingang ist angegangen. Der nächste Mann setzt sich zu mir und beginnt auch zu telefonieren. Telefonieren die Menschen immer wenn sie einkaufen gehen oder telefonieren sie auch zuhause so viel? Zapfen die vielleicht das Internet? Über die Einkaufszentrum-Musikanlage läuft nun ein Lied, welches ich auch kenne. Ich würde jetzt aufstehen und mitsingen bzw. mittanzen, aber da ich in einer kleinen Stadt wohne, ist es wohl besser, wenn ich hier sitzen bleibe, denn sonst würde morgen jeder über mich sprechen und wenn ich extra Pech habe, würde ich in der Zeitung stehen oder gar auf irgendwelchen Social Media auffindbar sein. 

Die Security ist schon ein paar Mal an mir vorbei gelaufen. Noch hat niemand was gesagt. Warum habe ich denn auch das Gefühl, dass jemand mir etwas sagen würde? Ich trage meine Maske, habe einen Wagen und halte Abstand. 

Eine Frau bringt Briefe weg und schaut dabei in die Menge. Viele Menschen schauen mich sehr komisch an. Mir fällt auf, dass viele Kunden Klopapier und Taschentücher kaufen. Viel Wasser wird auch gekauft. Die Kunden hier tragen alle schwarz. Keiner trägt bunte Farben, nur dunkle. Schwarz, Grau, Braun und Dunkelblau. 

Eine Frau winkt jemandem zu. Die Person die gemeint ist, merkt es aber nicht. Ob es absichtlich ist? Sie wartet auf die andere Person, steht breitbeinig da und schaut nervös in die Menge. Ein Mann läuft an mir vorbei und schiebt seinen Wagen. Dabei klappert er dauernd an dem Sitz, indem man Kinder reinsetzen kann. Fällt es denen auf, dass sowas Lärm erzeugt? Ein weiteres Kind weint und bittet um Kaffee. Dieses Kind sieht aber aus, als ob es noch kein Kaffee trinken darf. Die Mutter lacht und gibt dem Kind ein Trinkpäckchen. Meinen ersten Kaffee habe ich mit 17 getrunken und fand den nicht genießbar. Ein Mann fährt einer Frau von Hinten in die Hacken. Er entschuldigt sich mehrmals und sie versichert ihm, dass alles gut ist, und dass er sich keine Sorgen machen muss. Wenn jemand mir in die Hacken fahren würde, würde ich mich tierisch darüber aufregen. Es gibt nichts, was schmerzvoller ist, als sowas. 

Zwei ältere Damen freuen sich über eine Zeitschrift die die Beiden soeben erworben haben. Meine Oma hatte auch solche Zeitschriften gekauft. Die habe ich überall bei ihr in der Wohnung gefunden und ich habe die Eine oder Andere auch gerne gelesen. Ich meine, wer würde sich denn nicht für Klatsch und Tratsch der Royal Family interessieren! Eine weitere ältere Dame feilt sich die Fingernägel vor mir. Ich finde es sehr ekelhaft. Sowas würde ich eher Zuhause machen, wo ich nicht beobachtet werde. Jemand ist gegen meinen Einkaufswagen gefahren. Dieser Jemand hat sich auch direkt entschuldigt und lief kurz danach weiter. Es könnte sein, dass mein Wagen im Weg steht, aber ich habe den extra so nah wie möglich an mich gestellt. Naja, man sollte nicht nur beim Autofahren nach vorne schauen. 

Eine junge Frau läuft an mir vorbei und lächelt mich mit ihren Augen an. Ich lächle zurück und überlege kurz, ob sie denkt, dass ich vielleicht ein Schriftsteller bin. Gibt es Schriftsteller die mit 21 Jahren schon einen Roman geschrieben haben? Wäre verrückt. Ich habe mich noch nie für Romane interessiert. Vielleicht habe ich den Einen oder Anderen gelesen, aber Bücher waren noch nie mein Ding. Das ist lustig, denn ich sitze diagonal zu einer kleinen Buchhandlung. Dort habe ich auch schon mal ein Buch für eine Freundin gekauft. In dem Buch geht es um Freundschaft, die sich auf einem Weinberg in Italien entwickelt.

Steht gerade mein ehemaliger Chef vor mir? Er heißt Gordon und vor ein paar Monaten wurde ich entlassen, da sein Restaurant pleite ging. Ich habe es genossen in seinem Restaurant zu arbeiten. Es war ein traditionelles ostfriesisches Restaurant. Das Essen war jetzt nicht der Knaller, aber die Atmosphäre bei der Arbeit war toll. 

Die Security läuft schon wieder an mir vorbei und schaut mir dabei direkt in die Augen. Er kann mir doch gerne was sagen! So langsam glaube ich, dass ich eine Antwort für ihn habe, falls er mich ansprechen würde. 

In meinem Kopf läuft immer noch das Lied von Fynn Kliemann. Und der laute Mann neben mir telefoniert immer noch. Er bedankt sich gerade für das schöne Gespräch, aber kommt nicht so ganz zum Ende. Es kommen weitere Witze und er lacht. Mit wem er wohl so lange telefoniert? Seine Frau kann es auf jeden Fall nicht sein, denn er meinte gerade selbst, dass die noch im Laden mit den Kindern sei. 

Hier sind überwiegend ältere Menschen am einkaufen. Ab und zu schiebt ein junger Mensch einen Wagen an mir vorbei. Am Eingang des Ladens gibt es einen Pfandautomat. Ich höre das Klirren der Flaschen. 

Ich habe Kopfschmerzen, denn neben mir ist ein Schuhladen. Hier werden Gummistiefel verkauft und die stinken nach Plastik. Ich hasse es. Meine Gedanken schweifen in meine Kindheit zurück. Ich erinnere mich an mein erstes Paar Pantoffeln. Die habe ich zusammen mit einer Zeitschrift bekommen. Da die Pantoffeln so sehr gestunken haben, haben wir die für drei Wochen in den Schuppen gestellt, da es nicht mehr auszuhalten war. Und die Pantoffeln haben genauso gerochen wie der Laden bzw. die Gummistiefel neben mir. 

Nun ist es 18:20 Uhr und ich saß seit einer Stunde so wie ich jetzt sitze. Dementsprechend habe ich leichte Rückenschmerzen und Gesäßschmerzen. 

Da ich in einer kleinen Stadt wohne denke ich oft, dass ich überall jemanden treffen könnte, den ich kenne. Aber so ist es nicht. Alle Menschen hier sind mir fremd und komischerweise sehen alle Menschen gleich aus. ich glaube, dass ich einen Mann schon vier Mal gesehen habe. Das kann aber nicht sein, ich meine, wer würde denn so lange in einem Einkaufszentrum sitzen? Abgesehen von mir natürlich. 

Wenn die Türen von dem Einkaufszentrum sich öffnen, kommt ein leichter Geruch von Zigaretten in den Laden. Ich mag den Geruch. Viele Menschen finden den Geruch eklig und abartig, aber da ich selbst Raucher bin, finde ich den Geruch angenehm. Meine Maske riecht auch etwas nach Rauch. 

So langsam wird der Laden leerer. „Es ist Essenszeit!“, denkt sich der durchschnittliche Deutscher. Schnell noch etwas einkaufen und dann nach Hause fahren zum Abendessen. Ich mache mir schon Gedanken, über den Stau durch den ich fahren muss, um nach Hause zu kommen. Ich überlege schon, welches Lied ich anmachen werde. Ich bemerke, dass ich keine Filter mehr habe für meine Zigaretten und beende hiermit den Text und laufe in den Laden. 

Ich muss noch etwas hinzufügen. Ein Mann ist aus Versehen rückwärts gegen eine Glasschale gelaufen und die fiel zu Boden und war in tausend Stücke. Es war ein lauter Knall und für eine kurze Zeit war der ganze Laden still und wie gelähmt. Die Zeit habe ich kurz genossen.

– Finn

5 comments Dezember 13th, 2020

Über Müll und Kälte

 

(Seit etwas über einem Jahr arbeite ich in einem Restaurant. Bis zum Studienbeginn, war ich so ziemlich jeden Tag da, immer zwischen 50 und 60 Stunden die Woche, um mir meine Wohnung und mein Studium finanzieren zu können. Dies hatte natürlich zur Folge, dass es irgendwann mein zweites Zuhause wurde. Nach dem ersten C-Lockdown verließ ich mich naiver Weise auf den Gedanken, dass wir nicht noch einmal so lange schließen würden. Mit der Kurzarbeit konnte man sich natürlich über Wasser halten, aber das Kollegium nicht regelmäßig sehen zu können sowie die körperliche Belastung fehlten mir unheimlich. Als wir wieder öffneten stand der Sommer vor der Tür. Er forderte uns, es war überfüllt und kein einziger Tisch blieb länger als 5 Minuten unbesetzt. Ich lief mir Wasserblasen über diese Zeit und rauchte sehr viel. Über die Monate wurde es dann immer ruhiger. Wir teilten die Schichten lockerer ein, waren teilweise nur zu zweit im Laden, wenn wir Schlussdienst machten und redeten über diesen stressigen Hochsommer, der uns so erschöpft hatte. Die Wochen vergingen und mit der Kälte ereilte uns auch die zweite Schließung.        Ich war das letzte Mal Anfang November da, als ich mir meine Gehaltsabrechnung des vorherigen Monats abholte und genau deswegen entschloss ich mich heute wieder dahin zu fahren, wo ich eigentlich mein ganzes Jahr verbracht habe.)

Ich parke mein Auto um kurz nach 9 auf dem großen grauen Parkplatz der Waterfront in Gröpelingen. Meist stehe ich ganz hinten, weil die frische Luft, wie auch heute, so angenehm kühl ist und nach Süßwasser riecht. Hier ist es außerdem ruhiger. Andere Menschen sehe ich kaum. Es ist windiger als ich dachte, die Möwen fliegen tiefer als sonst. Ich laufe an den Leinwänden des Kinos vorbei und ein älteres Paar kommt mir mit einem kleinen Hund entgegen, welcher zuerst geradewegs auf mich zugelaufen kommt, dann aber zurückgerufen wird. Als er kehrt macht, bewegt er seine kleinen Beinchen so schnell, dass es beinahe so aussieht, als würde er knapp über den Boden schweben. Die Frau trägt eine rote Winterjacke, ihr Mann allerdings nur einen dunkelgrünen Pulli, was merkwürdig ist, der Wind kommt mir mittlerweile so kalt vor, dass ich schon Kopfschmerzen bekomme. Worüber sie sich unterhalten kann ich nicht gut verstehen, aber ich bin noch anschließend darüber verwundert, wieso mir die Dame einen so strengen Blick zugeworfen hatte. Nach ihnen kam mir niemand mehr entgegen und ich betrachtete die restlichen Minuten des Weges über das chinesische Restaurant, was anscheinend schon länger geschlossen war. Eine der Türen ist durch einen Schlauch am Boden einen Spalt breit geöffnet und ich werfe einen zögerlichen Blick hinein. Ich kann nur hunderte von Stühlen und Tischen erkennen, welche quer durch den Raum verteilt gestapelt sind. Von der Decke hängen noch die Kabel der Deckenleuchten. Ich ziehe aus Interesse an der Tür um zu versuchen, ob sie sich öffnen lässt. Sie ist allerdings verkeilt und bewegt sich kein Stück.          Als ich ankam, sieht die Terrasse so ungewohnt leer aus. Drei schwere Bänke stehen noch draußen und unter ihnen liegt Verpackungsmüll von McDonalds und Subway. Ich lasse meinen Blick schweifen und bemerke die überfüllten Mülleimer am Wasser. Über ihnen schreiende Möwen, welche sich um Essensreste streiten. Ein paar von Ihnen sitzen auf dem Dach der Beach-Bar und als ich beschließe auf sie zuzulaufen, bemerke ich, dass auch die Holzstühle mittlerweile nicht mehr draußen stehen und der Sand über die Zeit begann dicht zuwuchern. Es sind immer noch keine anderen Menschen zu sehen. Noch nicht einmal Pärchen, welche mit ihrem gemeinsamen Hund spazieren gehen.    Als ich mich wieder auf das Restaurant zubewege, beschließe ich einen Blick hineinzuwerfen. Während ich mich leicht gegen die Glaswand lehne, halte ich mir meine Handflächen links und rechts neben die Augen um mehr erkennen zu können und sehe hinten am Centereingang ein paar Briefe auf dem Boden liegen, welche meine Kollegen über die letzten Tage wahrscheinlich durch die kleine Öffnung der Glastür geworfen haben. Der Boden sieht sauber aus. Auch die Tische stehen in der gewohnten Ordnung und haben die Barcode-Karten auf sich stehen. Hinten an der Bar befindet sich noch die halbleere Flasche Desinfektionsmittel, die ich das letzte Mal dort benutzt hatte, neben einen großen Haufen alter Speisekarten. Die Flaschenwand scheint allerdings schon eine Staubschicht zu haben. Ich gehe ein paar Meter nach rechts um in die dunkle Küche blicken zu können. Die Glasscheibe, welche sie von dem Kaffeetresen trennt, scheint keinerlei Schlieren zu haben. Ich entferne mich von der Scheibe und Blicke zur Servicestation, welche am linken Haupteingang steht. Als ich einen Blick hineinwerfe ist zu erkennen, dass sie vollkommen leer ist. Keine extra Mülltüten für den Behälter oder Wasserschalen für Hunde. Neben der Station steht der große Standaschenbecher mit 6 Zigarettenenden drinnen. Der darunterliegende Mülleimer ist komischerweise leer und als ich das eingedellte Gitter des Aschenbechers berühren möchte fällt mir auf, wie durchgefroren meine Hände aussehen, weswegen ich sie wieder in meinen Taschen verschwinden lasse und beschließe zu meinem Auto zu gehen. Stehen bleibe ich noch ungefähr 5 Minuten und blicke auf die lange Glasfront. Erinnerungen schießen mir durch den Kopf und obwohl mir es hier so vertraut ist, kommt es mir unter diesen Umständen doch so fremd vor.

 

Vivien

1 comment Dezember 13th, 2020

Zeit für mich

Der Hauptbahnhof ist nur wenige Gehminuten von mir Zuhause entfernt. Ich wollte mir eigentlich dort ein paar Minuten Zeit für das Beobachtungsprotokoll nehmen. Doch als ich die große Straße vor meiner Haustür überqueren will, schießen zwei Krankenwagen und ein Polizeiauto mit heulenden Sirenen an mir vorbei. Es wird gehupt, die meisten Autofahrer versuchen den herannahenden Sanitätern und Polizisten auszuweichen, doch auf der stark befahren Straße ist das nicht so einfach. Natürlich will auch in dem Moment eine Straßenbahn die Straße überqueren und bremst abrupt. Im Inneren kann ich zwei ältere Fahrgäste sehen, die von dem Halt von ihren Sitzen gerutscht sind. Es ist wirklich ein absolutes Chaos.

Um niemanden aufzuhalten, habe ich mich dazu entschieden, auf einem anderen Weg zum Bahnhof zu laufen. Also mache ich auf dem Absatz kehrt und laufe eine Nebenstraße entlang.

Hier ist es schon wesentlich ruhiger, obwohl ich den Lärm der Hauptstraße noch leicht wahrnehmen kann. Es riecht nach frischer Wäsche, aber auch nach Müll. Ich glaube heute werden die Restmülltonen geleert. Es ist eine seltsame Mischung, und so wirklich gefallen tut sie mir nicht.

Ich laufe weiter in Richtung der Wallanlagen, an einem Altenheim vorbei und schon ist es komplett still um mich herum.

Ich sehe schon das Wasser und höre die Enten schnattern. In weiterer Entfernung sehe ich die anliegenden Häuser. Die Wallanlagen befinden sich mitten in der Stadt und doch ist niemand zu sehen oder zu hören. Es ist der komplette Kontrast zu den Geräuschen die mich die letzten Minuten umgeben haben. Für einige Sekunden schließe ich meine Augen und atme die frische Luft ein. Es riecht nach Natur und Herbst. Es tut richtig gut aus dem Stadttrubel raus zukommen.

Ein leichter Wind bringt die Blätter zum rascheln und eine weiß-blaue Plastiktüte fliegt an mir vorbei. Die Wallanlagen sind umrandet von einigen Bäumen. Man sieht, dass die Anlage angelegt wurde, aber sie wird nicht zu sehr gepflegt. Sie hat noch einen natürlichen Charme.

Ich schaue nach links und rechts und entscheide mich entgegen des Uhrzeigersinns zu laufen. Die ersten Minuten kommt mir niemand entgegen. Ich bin ganz alleine, umgeben von Vogelgezwitscher und ein paar Enten, die auf mich zugeschwommen kommen.

Die Parkbänke sind leider alle ganz feucht, sonst hätte ich mich irgendwo hingesetzt. Aber der kleine Spaziergang tut mir so gut. Es fühlt sich an, als wäre meine Seele befreit.

Ich begegne nur einem Pärchen. Beide tragen Handschuhe, der Mann zusätzlich noch eine dunkelgraue Mütze. Die Frau hat ihre blonden Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Beide schauen mir nicht in die Augen, als sie schnell an mir vorbei laufen. Das kann ich ihnen auch nicht verübeln. Mit Corona ist im Moment nicht zu spaßen und alle sind vorsichtig. Ich laufe einmal ganz um die Anlage und bin überrascht, dass ich sonst niemandem begegnet bin.

Um ehrlich zu sein habe ich total vergessen weiter zum Hauptbahnhof zu laufen. Ich verbringe fast eine Stunde an den Wallanlagen und mache mich danach schnell auf den Weg nach Hause. Die Dezemberkälte ist mir langsam aber sicher in die Knochen gekrochen und ich kann kaum erwarten, mich mit einer Tasse Tee aufzuwärmen.

 

Christin

1 comment Dezember 11th, 2020

Schau genau hin

Diese Woche haben wir uns, neben den richtigen Zitieren und  wie man Angaben zu Literaturhinweisen korrekt schreibt, auch schon ein bisschen mit der teilnehmenden Beobachtungsaufgabe beschäftigt. Unsere Aufgabe ist es, uns einen Ort unserer Wahl auszuwählen und ungefähr für eine Viertelstunde zu beobachten. Bei der Beobachtung ist es vor allem wichtig, auch alle Sinne zu berücksichtigen. Klingt erst einmal einfacher, als es eigentlich ist.

Hier könnt ihr einmal meine Beobachtung lesen und vielleicht fällt euch ja auch schon die ein oder andere Interpretation ein, die dann der nächste Schritt bei der teilnehmenden Beobachtung wäre, bevor es zu einer Schlussfolgerung kommt.

Dienstag,08.12.2020  11:45 Uhr

Ich schaue aus meinem Fenster auf eine relativ große Kreuzung, Ecke Friedrich-Ebert-Straße und Gastfeldstraße in der Neustadt. Mir fällt sofort auf, dass es ziemlich  laut ist, obwohl mein Fenster geschlossen ist. Ständig halten Autos an den Ampeln und fahren wieder an, dazu kommt die Tram Richtung Universität bzw. Flughafen die in regelmäßigen Abständen vorbeifährt. Daran muss ich mich erst noch gewöhnen. Aber nicht nur Autos überqueren die Kreuzung, sondern auch Fußgänger und Fahrradfahrer. Ich sehe einen Mann, der mit seinem Hund spazieren geht und gerade bei der Ecke beim Brillenladen ist. Mir fällt auf, dass es relativ leise ist wenn die Ampeln rot sind, es entsteht eine kurze Ruhepause. Ein Rentner mit Rollator wartet vorm dem Bäcker, der von meinem Fenster aus auf der linken Seite der Kreuzung liegt. Es ist keine Schlange vor dem Bäcker, dennoch wartet er draußen. Kurze Zeit später bringt ihm eine Verkäuferin seine Bestellung an die Tür und er macht sich langsam wieder auf den Rückweg. Die Tram Richtung Universität kommt vorbeigefahren. Zwei Frauen, die aus der Tram kommen gehen schnell und hektisch über die noch grüne Ampel. Ein großes Polizeiauto steht an der roten Ampel, neben dem Blumenladen. Mir fällt auf das der Himmel grau-blau ist und die Sonne nicht mehr so scheint, wie heute morgen.

Ich sehe wieder den Rentner mit dem Rollator, der neben dem Bäcker ein Pause auf seinem Rollator macht. Mir ist warm in meinem Zimmer, weil die Heizung aufgedreht ist, aber draußen sind alle in warme Jacken, Mützen etc. eingepackt. Muss kalt sein heute. Ich rieche auch nichts von draußen, weil mein Fenster zu ist und kann auch die kalte Luft nicht spüren. Ich denke mir, dass es bestimmt nach Winter riecht. Ich gucke in die anderen Wohnungen rein und sehe in dem Haus links von mir einen Mann vor seinem Computer sitzen, er sieht sehr beschäftigt aus. In den anderen Wohnungen sehe ich keine Menschen, sondern nur Gardinen oder Weihnachtsdekoration. Der Rentner geht mit seinem Rollator langsam und gebückt weiter, doch nach ungefähr 15m macht er an der Ecke beim Brillenladen, der direkt gegenüber von meinem Blinkwinkel ist, wieder eine Pause. Er wirkt erschöpft. Schon wieder steht ein großes Polizeiauto an der Kreuzung, diesmal aber neben dem Brillenladen. Dann sehe ich einen Polizist auf einem Fahrrad, der zum Bäcker fährt, wo auch der Rentner mit dem Rollator war. Er geht in den Laden rein und kommt auch ziemlich schnell wieder raus und fährt weiter Richtung Flughafen. Bei dem anderen Bäcker, der sich links von mir an einer Ecke der Kreuzung befindet, hat sich eine kleine Schlange gebildet. Eine Frau daneben telefoniert. Vor dem Blumenladen steht ein junger Mann mit seinem Fahrrad, er trägt weiße Arbeitskleidung und wirkt ungeduldig. Der Rentner mit dem Rollator sitzt immer noch vor dem Brillenladen und plötzlich entschließt er sich über die Ampel zu gehen, auf die Seite beim Bäcker mit der Warteschlange. Dort macht er wieder eine Pause auf seinem Rollator und der Mann vor dem Blumenladen steht immer noch da.

Es ist jetzt 12 Uhr am Dienstag den 08.12.2020.

 

Soviel zu meiner Beobachtung, ich hoffe ihr hattet Spaß beim Lesen und habt euch vielleicht die ein oder andere Geschichte beim Lesen gedacht.  Auf wen wartet z.B. der Mann vor dem Blumenladen oder wie weit hat es der Rentner mit dem Rollator noch nach Hause? Mir hat die Aufgabe auf jeden Fall Spaß gemacht, auch wenn ich  mich erstmal auf bestimmte Dinge konzentrieren musste, weil man nicht alles gleichzeitig beobachten kann.

Habt eine schöne restliche Woche und falls euch noch Geschenke für Weihnachten fehlen, könnt ihr ja vielleicht eine Kiwipflanze kaufen, dann müsst ihr keine Kiwis aus weit entfernten Ländern mehr kaufen und aus eigenem Anbau schmeckt ja sowieso immer alles besser!

Martha:)

2 comments Dezember 8th, 2020


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