Dezember 11th, 2020

Zeit für mich

Der Hauptbahnhof ist nur wenige Gehminuten von mir Zuhause entfernt. Ich wollte mir eigentlich dort ein paar Minuten Zeit für das Beobachtungsprotokoll nehmen. Doch als ich die große Straße vor meiner Haustür überqueren will, schießen zwei Krankenwagen und ein Polizeiauto mit heulenden Sirenen an mir vorbei. Es wird gehupt, die meisten Autofahrer versuchen den herannahenden Sanitätern und Polizisten auszuweichen, doch auf der stark befahren Straße ist das nicht so einfach. Natürlich will auch in dem Moment eine Straßenbahn die Straße überqueren und bremst abrupt. Im Inneren kann ich zwei ältere Fahrgäste sehen, die von dem Halt von ihren Sitzen gerutscht sind. Es ist wirklich ein absolutes Chaos.

Um niemanden aufzuhalten, habe ich mich dazu entschieden, auf einem anderen Weg zum Bahnhof zu laufen. Also mache ich auf dem Absatz kehrt und laufe eine Nebenstraße entlang.

Hier ist es schon wesentlich ruhiger, obwohl ich den Lärm der Hauptstraße noch leicht wahrnehmen kann. Es riecht nach frischer Wäsche, aber auch nach Müll. Ich glaube heute werden die Restmülltonen geleert. Es ist eine seltsame Mischung, und so wirklich gefallen tut sie mir nicht.

Ich laufe weiter in Richtung der Wallanlagen, an einem Altenheim vorbei und schon ist es komplett still um mich herum.

Ich sehe schon das Wasser und höre die Enten schnattern. In weiterer Entfernung sehe ich die anliegenden Häuser. Die Wallanlagen befinden sich mitten in der Stadt und doch ist niemand zu sehen oder zu hören. Es ist der komplette Kontrast zu den Geräuschen die mich die letzten Minuten umgeben haben. Für einige Sekunden schließe ich meine Augen und atme die frische Luft ein. Es riecht nach Natur und Herbst. Es tut richtig gut aus dem Stadttrubel raus zukommen.

Ein leichter Wind bringt die Blätter zum rascheln und eine weiß-blaue Plastiktüte fliegt an mir vorbei. Die Wallanlagen sind umrandet von einigen Bäumen. Man sieht, dass die Anlage angelegt wurde, aber sie wird nicht zu sehr gepflegt. Sie hat noch einen natürlichen Charme.

Ich schaue nach links und rechts und entscheide mich entgegen des Uhrzeigersinns zu laufen. Die ersten Minuten kommt mir niemand entgegen. Ich bin ganz alleine, umgeben von Vogelgezwitscher und ein paar Enten, die auf mich zugeschwommen kommen.

Die Parkbänke sind leider alle ganz feucht, sonst hätte ich mich irgendwo hingesetzt. Aber der kleine Spaziergang tut mir so gut. Es fühlt sich an, als wäre meine Seele befreit.

Ich begegne nur einem Pärchen. Beide tragen Handschuhe, der Mann zusätzlich noch eine dunkelgraue Mütze. Die Frau hat ihre blonden Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Beide schauen mir nicht in die Augen, als sie schnell an mir vorbei laufen. Das kann ich ihnen auch nicht verübeln. Mit Corona ist im Moment nicht zu spaßen und alle sind vorsichtig. Ich laufe einmal ganz um die Anlage und bin überrascht, dass ich sonst niemandem begegnet bin.

Um ehrlich zu sein habe ich total vergessen weiter zum Hauptbahnhof zu laufen. Ich verbringe fast eine Stunde an den Wallanlagen und mache mich danach schnell auf den Weg nach Hause. Die Dezemberkälte ist mir langsam aber sicher in die Knochen gekrochen und ich kann kaum erwarten, mich mit einer Tasse Tee aufzuwärmen.

 

Christin

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