Hafenkonversion als stadtplanerische Herausforderung – Das „Werftquartier“

Abbildung 1: Ausblick vom unter Denkmalschutz stehenden Helgen (Seestadt Bremerhaven 2019: 35)

Infolge des Strukturwandels erlitten einige Hafenbereiche einen erheblichen Bedeutungsverlust (Priebs 1998: 23). Daraufhin wurde das Erscheinungsbild fortan von Brachflächen, leeren Lagerhäusern, stillgelegten Docks, und verlassenen Vierteln in vielen Hafenstädten geprägt (Schubert 2008: 25). Zwar war diese Entwicklung mit einem massiven Verlust an Arbeitsplätzen verbunden, jedoch ergeben sich dadurch gleichzeitig Perspektiven für neue Nutzungen dieser Bereiche. Die Hafenareale sind durch ihre zentrale Lage und dem Vorhandensein von Wasserflächen besonders interessant für eine städtebauliche Entwicklung (Priebs 1998: 16). Dennoch blieben diese Potentiale für einen langen Zeitraum unausgeschöpft und erst in den 1980er Jahren stieg die Anzahl der Versuche einer Revitalisierung und Verknüpfung mit den benachbarten Stadtquartieren (Priebs 1998: 24). Beispiele dafür finden sich nicht nur in Bremen, sondern auch in Bremerhaven.

Im Kontext der neuen „waterfront regeneration“ und „waterfront revitalisation“ wurde ein Prozess der Umwidmung und Aufwertung alter Hafengebiete in Gang gesetzt (Zehner 2008: 272). Im Sinne der Stadtplanung ist dieser Vorgang mit einer Nutzungsänderung von ehemals hafenwirtschaftlicher Aktivität hin zu Dienstleistungs-, Tourismus-, Freizeit- und Wohnnutzung verbunden (Schubert 2002: 49). Infolgedessen werden beispielsweise neue Büro- und Wohnbauflächen geschaffen, aber auch Erholungsräume für die Stadtbewohner bereitgestellt. An den für die Bevölkerung vorher unzugänglichen Bereiche werden oftmals Uferpromenaden entwickelt, die die Nähe zum Wasser erlebbar machen. Des Weiteren können Einrichtungen wie Museen oder Kongreßzentren den Städtetourismus in der Region fördern (Priebs 1998: 25). Dabei gilt jedoch stets: „No two seaport cities are alike, and no seaport of the world is like another“ (Schuhbert 2008: 26). Es ist nicht möglich ein erfolgreiches Projekt aus einer Hafenstadt gleichermaßen in einer anderen umzusetzen (Schubert 2008: 33). Jede Stadt hat ihre spezifischen geographischen Voraussetzungen, technischen Umsetzungsmöglichkeiten, historische Entwicklung sowie eine andere Zusammensetzung an beteiligten Akteuren (Schubert 2008: 26).

Doch die Revitalisierung von alten Hafenarealen bietet auch eine Reihe von Konfliktpotentialen und kann Schwierigkeiten mit sich bringen.  Vor allem bestehende Altlasten durch die vorangegangene gewerbliche Nutzung, schwierige Baugründungen sowie denkmalgeschützte Gebäude und die wild gewachsene Vegetation erschweren die planerische Umsetzung (Schubert 2002: 48). Zudem gilt es, die vielen Akteure miteinzubinden. Dabei können allerdings die Interessen und Vorstellungen der Stadtplanung, Hafenverwaltung, Hafenwirtschaft, den verschiedenen privaten und öffentlichen Eigentümern sowie die der Bevölkerung teilweise stark auseinandergehen und zu Konflikten führen (Priebs 1998: 26). Daher benötigt die Umsetzung eines solchen Projektes braucht vor allem eines: Zeit. Schubert betont, dass eine Zeitspanne von mehreren Jahren bis Jahrzehnten vom Zustand der Nichtnutzung bis hin zur konkreten Umsetzung der Revitalisierung nicht unüblich ist (2008: 34).

Im Rahmen der Lerneinheit 7 „Hafen & Stadt(teilentwicklung)“ haben wir bereits einige Beispiele der Revitalisierung alter Hafenbereiche kennengelernt, darunter die Bremer Waterfront, die Überseestadt und die Hamburger HafenCity. In diesem Blogbeitrag vollziehen wir einen Ortswechsel und schauen auf die Entwicklung in Bremerhaven. Aus stadtplanerischer Sicht ist 2019 ein spannendes Projekt ins Rollen gekommen, das sich lohnt näher betrachtet zu werden. Im Bereich der ehemaligen Schichau-Seebeck-Werft soll ein neues Stadtquartier mit Mischnutzfunktion entstehen (Seestadt Bremerhaven 2019: 4). Es folgen daher einige Ausführungen zu den bisherigen Zielvorstellungen und geplanten Maßnahmen.

Abbildung 2: Planungsgebiet „Werftquartier“; Flächen 3 = brachliegende, untergenutzte Areale mit teilweise denkmalgeschützten Strukturen, die einer Revitalisierung bedürfen (Seestadt Bremerhaven 2019: 45)

Momentan befindet sich die Seestadt in der Übergangsphase der Planung und Ideenfindung für die Revitalisierung der alten, bisweilen ungenutzten Hafengebiete. Derzeit wird ein Realisierungswettbewerb durchgeführt. Bei dem Planungsgebiet handelt sich um einen 140 ha großen Bereich, der durch die Nähe zum Hauptbahnhof und der Innenstadt eine zentrale Lage aufweist. Das Gebiet liegt innerhalb des Stadtteils Geestemünde und dem Fischereihafen. Neben Flächen, die bereits Nutzungen unterliegen oder für die eine hochwertige Nachnutzung bereits festgelegt wurde, umfasst das Areal zum großen Teil brachliegende, ungenutzte Flächen (Flächen 3 in Abbildung 1). Diese sind durch ehemals hafenwirtschaftliche Nutzung geprägt. So waren dies einst Orte des Handels, des Schiffbaus und der Hochseefischerei. (Seestadt Bremerhaven 2019: 4, 11, 24, 41, 45)

Die allgemeine städtebauliche Zielformulierung ist die Schaffung von Räumen für Wohnen, Arbeit und Öffentlichkeit und eine Integration der Innenstadt und südlichen Stadtteile im Sinne der Stadt der kurzen Wege. Dies soll eingebettet werden in die Vorstellung eines klimaneutralen, umweltfreundlichen, resilienten Stadtteils für alle Bewohner, der identitätsstiftend für ganz Bremerhaven sein soll. Zukünftig soll die Lage am Wasser für die Öffentlichkeit erlebbar gemacht werden, indem die gewerblich genutzten Flächen der Häfen zugänglich und nutzbar gemacht werden. Dabei soll ein Gleichgewicht aus alt und neu entstehen und die Besonderheiten des Areals aufgegriffen werden (Seestadt Bremerhaven 2019: 4, 41-44).

Das durch die Wasserflächen der Hafenareale enorme Entwicklungspotential soll bestmöglich ausgeschöpft werden. So sollen Promenaden entstehen, Möglichkeiten zum Baden geschaffen werden sowie Wohnräume/Übernachten auf dem Wasser und diverse Freizeitsportarten angeboten werden. Dabei sollen Sichtachsen freigehalten und ein weiter Blick ermöglicht werden. Zudem ist die Erweiterung der Wassertaxilinie zwischen dem Schaufenster Fischereihafen und den Havenwelten geplant (Seestadt Bremerhaven 2019: 42, 62).

Hinsichtlich der Schaffung von Wohnraum wird auf eine „bunte Mischung gesetzt“. Dies bezieht sich sowohl auf die Baustruktur als auch auf die angesprochene Klientel. Insgesamt sind 3.500 bis 4.000 neue Wohneinheiten vorgesehen, die sich auf verschiedene Gebäudetypologien verteilen sollen. Gleichzeitig sollen 2.000 bis 2.500 neue Arbeitsplätze entstehen. Daher ist auch die Mischung der Funktion innerhalb eines Gebäudes erwünscht (Beispiel: Im Obergeschoss Wohnen, Arbeiten im Untergeschoss). Neben Geschossbau, der sich im Rahmen von 3 bis 5 Geschossen bewegen soll, sind Stadthäuser, Reihenhäuser und auch Gartenhofhäuser denkbar. Gleichzeitig soll es sowohl sozialer Wohnungsbau als auch Angebote für den Mittelstand und Besserverdienende geben. Dabei sind Menschen unterschiedlicher Herkunft und Alters erwünscht (Seestadt Bremerhaven 2019: 42, 47, 53).

Herausforderung der Planung ergeben sich insbesondere aus der bestehenden Emmissionsbelastung durch das bestehende Gewerbe und den Lärm der anliegenden Straßen, möglichen Altlasten sowie unter Denkmalschutz stehenden Gebäuden und Bauwerken. Beispielsweise gelten der Helgen, die beiden Docks und die Kräne der ehemaligen Schichau-Seebeck-Werft als erhaltenswerten und sind daher denkmalgeschützt. Diese sollen in das neue Quartier eingebunden werden und auch kreative Nutzungen sind denkbar: Beispielsweise bietet der Helgen einen außerordentlichen Blick über den Handelshafen und auf die Stadtsilhouette in der Ferne (Seestadt Bremerhaven 2019: 35-36, 60).

Die Ausführungen beinhalten nur einige mögliche Maßnahmen für die zukünftige Entwicklung des Werftquartiers in Bremerhaven. Weitere Inhalte des Planvorhabens sind ausführlicher in der Auslobung zum Werftquartier nachzulesen. Es bleibt spannend, ob die optimistischen Zielvorstellungen eingehalten werden können und somit ein nachhaltiges Quartier mit verschiedenen Nutzungen entstehen wird.

Quellenverzeichnis:

  • Priebs, A. (1998): Hafen und Stadt. Nutzungswandel und Revitalisierung alter Häfen als Herausforderung für Stadtentwicklung und Stadtgeographie. Geographische Zeitschrift, 16-30.
  • Schubert, D. (2002): Revitalisierung von brachgefallenen Hafen- und Uferzonen. Transformationsprozesse an der Waterfront. Raumforschung und Raumordnung Spatial Research and Planning, 60(1), 48-60.
  • Schubert, D. (2008): Transformation Processes on Waterfronts in Seaport Cities – Causes and Trends between Divergence and Convergence. In: W. Kokot et al. (Hrsg.): Port Cities as Areas of Transition. Ethnographic Perspectives, S. 25-46.
  • Seestadt Bremerhaven (2019): Auslobung Werftquartier. Realisierungswettbewerb nach RPW 2013
  • Zehner, K. (2008): Vom maroden Hafen zur glitzernden Nebencity. Die London Docklands. Raumforschung und Raumordnung, 66(3), 271-281.

 

4 Gedanken zu „Hafenkonversion als stadtplanerische Herausforderung – Das „Werftquartier“

  1. Da steht dem Süden Bremerhavens ja eine spannende Entwicklung bevor. Wie wird das Projekt in der Stadt denn diskutiert? Es gibt ja schon einige gemischte Erfahrungen mit der touristischen Entwicklung des Fischereihafens.

    Können Sie uns noch die Auslobung zum Werftquartier verlinken?

    • Seitens der Politik und der Planung ist die Beteiligung der Bürger sehr erwünscht. Leider wurden meines Erachtens seitens der Privatbürger die Möglichkeit, in den bisherigen Beteiligungsverfahren Ideen miteinzubringen, kaum genutzt. Ich vermute, das liegt mitunter an vergleichbaren, bereits realisieren Projekten. Viele sind unzufrieden mit dem Ergebnis des „Neuen Hafens“, der sich als Standort für „Luxuswohnbau“ entwickelt hat. In Bremerhaven selbst und in der Nähe zum zukünftigen Werftquartier leben größtenteils einkommensschwache Haushalte. Diese könnten befürchten „Das ist ja eh wieder nichts für uns!“. Daher gilt es künftig insbesondere diese Bevölkerungsgruppen stärker mit in den Planungsprozess miteinzubeziehen. Diese Einschätzung beruht jedoch selbstverständlich auf meiner subjektiven Meinung.

      • Ich glaube das deckt sich mit Erfahrungen andernorts. Beteiligungsverfahren bei Stadtteilentwicklungsprojekte sind oft kompliziert und haben recht hohe informelle Zugangshürden. Insgesamt haben ja für viele Partitizipationsprozesse eine hohe soziale Selektivität, d.h. dass sich eher Menschen mit höheren Bildungsabschlüssen und aus höheren Einkommensgruppen einbringen. Es wäre interessant zu erfahren, wie die Stadt Bremerhaven versucht, mit diesem Problem umzugehen….

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert